NS-Vergangenheit der Quandts "Man fühlt sich grauenvoll und schämt sich"

Die Quandts stellen sich erstmals dem Gespräch: Der BMW-Erbe Stefan und seine Cousine Gabriele redeten 2011 mit der WirtschaftsWoche über die Nazivergangenheit ihrer Familie.

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Die Chefin der Quandt Group, Quelle: AP

Frau Quandt, Herr Quandt, als Reaktion auf eine Fernsehdokumentation haben Sie und Ihre Geschwister einen Historiker beauftragt, Ihre Familiengeschichte aufzuarbeiten. Diese Studie liegt vor. Sie enthält neue belastende Fakten.

Stefan Quandt: Das ist richtig, aber in ihren Kernaussagen hat die Studie mich nicht überrascht und meine Erwartungen bestätigt. Dass unser Großvater Günther Quandt kein Antisemit war. Kein überzeugter Nationalsozialist. Und kein Kriegstreiber. Dass er aber Zehntausende Zwangsarbeiter in seinen Unternehmen beschäftigt hat. Auch schmerzhaft zu sehen ist die Rolle, die Günther Quandt bei einigen Arisierungen gespielt hat, also bei Übernahmen von Firmen aus jüdischem Besitz, mit denen er seinen Konzern erweiterte. Das war mir vorher so nicht klar.

Gabriele Quandt: Der Fernsehfilm hat unsere Familie sehr getroffen, weil die NS-Geschichte darin anders gewichtet wurde, als wir sie für uns gewichtet hatten. Wir wussten natürlich, dass der Großvater, der gut durch die Nazizeit gekommen war und einen Großteil seines Vermögens gerettet hat, kein Held gewesen ist. Dass Günther Quandt jemand war, der sich mit den Umständen arrangiert hat. Aber wir haben es weggeschoben. Der Film hat uns dann die Lupe vor das Foto gehalten.

Was erkannten Sie?

Gabriele Quandt: Wir haben erkannt, dass es falsch war, nicht ganz genau wissen zu wollen, was damals geschehen ist. Von dieser Haltung mussten wir uns verabschieden, und zwar endgültig. Deshalb bin ich auch mit Blick auf die nächste Generation Professor Scholtyseck dankbar, dass er das alles mit Akribie untersucht hat. Unsere Familie weiß jetzt Bescheid. Überrascht wird keiner mehr. Auch wenn man lieber einen Großvater hätte, auf den man in jeder Hinsicht stolz sein kann, aber es ist eben der, mit dem wir leben müssen.

Fühlten Sie sich durch den Film persönlich angegriffen?

Gabriele Quandt: Ich schon. Massiv. Die Unterstellung, unsere Öffentlichkeitsscheu beruhe darauf, dass wir Dreck am Stecken und unser Geld aus unlauteren Quellen hätten, fand ich schmerzhaft und unerhört. Aber das hat uns aufgerüttelt.

In dem Film bekamen die Opfer der Zwangsarbeit ein Gesicht und konnten über ihr Leid sprechen. Wie hat das auf Sie gewirkt?

Stefan Quandt: Das war sehr schmerzhaft zu sehen und zu hören.

Sven Quandt, Ihr Bruder und Cousin, ist in dem Film mit der Aussage zu hören: "Wir müssen endlich mal versuchen, das zu vergessen. Es gibt in anderen Ländern ganz ähnliche Dinge, die passiert sind."

Stefan Quandt: Mein Bruder war auf diese Fragen nicht vorbereitet.

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