Ölkatastrophe Warum sich BP radikal verändern wird

BP hat eine neue Kappe über dem Bohrloch im Golf von Mexiko angebracht, die den Ölaustritt endgültig stoppen könnte. In zwei Wochen zieht BP die Halbjahresbilanz. Danach beginnt das große Reinemachen,, an dessen Ende der Ölkonzern nicht wiederzuerkennen sein wird.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Greenpeace-Protest gegen BP Quelle: REUTERS

Es ist die 73. Minute im Fußball-WM-Halbfinale Spanien gegen Deutschland. Der spanische Spieler Xabi Alonso drischt einen Eckball in den deutschen Strafraum, sein Mannschaftskamerad Carles Puyol köpft das Leder an Torhüter Manuel Neuer vorbei ins Netz. Die Spanier im Stadion der südafrikanischen Hafenstadt Durban feiern frenetisch den sich abzeichnenden Sieg gegen Deutschland.

Was fast aus dem Blickfeld gerät, ist der rotgrüne Schriftzug auf der Bande am Spielfeldrand – Castrol. Die Motorenölmarke zählt zu den Perlen von . In Europa ist Castrol als Hersteller von Fahrzeug- und Industrieschmierstoffen die Nummer eins, weltweit auf Platz drei. Doch die Frage ist, wie lange der Autorallye- und Fußball-WM-Sponsor noch zu BP gehört. Denn Castrol ist ins Blickfeld von Investoren gerückt, berichten Investmentbanker der WirtschaftsWoche.

Bald ist nichts mehr, wie es war

Ein Verkauf der 2002 übernommenen Marke zählt zu den neuesten Optionen im Vorfeld des radikalen Reinemachens, das BP demnächst blüht. Bis zum 27. Juli wird sich der schwer angeschlagene Multi noch durchwursteln und nach Rettungswegen suchen. Doch dann kommen die Halbjahreszahlen auf den Tisch. Und wenig später wird sich zeigen, ob die Techniker das Leck schließen können, aus dem sich seit 20. April täglich bis zu 60.000 Barrel Erdöl in den Golf von Mexiko ergießen und die US-Küste verschmutzen.

Danach, so viel steht fest, wird bei BP bald nichts mehr sein, wie es war – nicht die Führungsmannschaft, nicht das Tableau der Geschäftsfelder und nicht der Umgang mit Sicherheitsvorschriften und mit der Öffentlichkeit. Die britische Regierung schmiedet nach Informationen der „Times“ bereits Krisenpläne, um ein Auseinanderbrechen des Ölmultis zu verhindern. Zumindest ein Schrumpfkurs scheint unausweichlich, um durch den Verkauf wichtiger Sparten die Folgekosten des Unglücks zu finanzieren. Denn die dürften weit über die bisher gezahlten Entschädigungen von drei Milliarden Dollar sowie die 20 Milliarden Dollar hinausgehen, die BP auf Druck der US-Regierung in einen Fonds stecken muss.

"Randgeschäfte" stehen zum Verkauf

So ist sicher, dass BP binnen eines Jahres durch den Verkauf von „Randgeschäften“, so die offizielle Ankündigung, zehn Milliarden Dollar erlösen will. Davon könnte nicht nur Castrol betroffen sein. Spekuliert wird auch über den Verkauf des Flüssiggasgeschäfts. Oder über die Trennung von der argentinischen Tochtergesellschaft Pan America, sie schafft knapp drei Prozent der Öl- und Gasförderung des Konzerns. Interesse sollen die Chinesen haben – über ihre staatliche Ölgesellschaft CNOOC, die bereits an Pan America beteiligt ist.

Eine Reise von BP-Chef Tony Hayward nach Aserbaidschan hat ferner Spekulationen über den Verkauf dortiger Firmenanteile ausgelöst, infrage kämen ein Offshore-Ölfeld im Kaspischen Meer, eine 30-Prozent-Beteiligung an einer Öl-Pipeline in die Türkei sowie eine 25-prozentige Beteiligung am Gasfeld Shah Deniz im Kaspischen Meer.

Wechsel an der Spitze

Carl-Henric Svanberg (r), Tony Quelle: dpa

Der russische Ölkonzern Gazprom hatte bereits im vergangenen Monat Interesse an den Anteilen bekundet, die BP an Shah Deniz hält. Als weiterer Interessent für Teile von BP hat sich der französische Ölkonzern Total jüngst selbst ins Gespräch gebracht. Total-Vorstandschef Christophe de Margerie erklärte dazu: „Es ist zwar derzeit nicht unsere Priorität, uns Teile von BP anzuschauen“, schob jedoch nach: „Sollten sie aber zum Verkauf gestellt werden, würden wir sie natürlich näher betrachten.“ Strategisch wichtige Geschäftsfelder wie die Tiefseeförderung im Golf von Mexiko, in Brasilien und Westafrika sowie das Gemeinschaftsunternehmen TNK-BP in Russland wird BP allerdings sicher behalten.

Gerüchten über eine Kapitalerhöhung erteilte BP eine Absage. Dem Vernehmen nach sucht das Unternehmen aber nach einem Partner, damit es nicht von einem anderen Ölkonzern geschluckt wird. Deshalb wird mit Staatsfonds, darunter aus Abu Dhabi, Kuwait, Katar und Singapur, über eine Beteiligung gesprochen. Die „Sunday Times“ berichtete, BP-Berater rührten die Werbetrommel, um bis zu zehn Prozent der Aktien, die der Konzern in der Hinterhand hält, bei Investoren zu platzieren. Dies könnte umgerechnet bis zu 9,2 Milliarden Dollar einbringen. Zusätzliche Nahrung erhielten die Gerüchte durch eine Reise Haywards nach Abu Dhabi, wo er sich angeblich mit Vertretern des Staatsfonds Abu Dhabi Investment Authority traf.

Ziemlich sicher ist, dass es an der BP-Spitze einen Wechsel geben wird, sobald die Halbjahreszahlen verkündet und die Probleme an der Bohrinsel einigermaßen behoben sind. Vor allem der schwedische Aufsichtsratsvorsitzende Carl-Henric Svanberg ist bei den Aktionären unbeliebt. Wochenlang hatte Svanberg das Gespräch mit den Anlegern gemieden. Für ihn könnte Chip Goodyear, der ehemalige Chef des US-Ölanlagenbauers BHP Billiton, kommen. Aber auch der Posten von BP-Chef Hayward wackelt. Als Kronprinzen werden der BP-Geschäftsführer für Amerika und Asien, Bob Dudley, und der Leiter des Raffineriegeschäfts, Iain Conn, gehandelt.

Kostensparen vor Sicherheit

BP-Chef Hayward muss sich vor allem seine Ankündigung bei der Amtsübernahme vor drei Jahren vorhalten lassen. Das Thema Sicherheit, sagte er damals, habe für ihn höchste Priorität. Interne Unterlagen, die das „Wall Street Journal“ zusammentrug, nähren nun den Verdacht, dass BP unter Haywards Führung aus Kostengründen bei der Einhaltung der Sicherheitsstandards schlampte.

So setzte BP auf der verunglückten Plattform die Bohrtechnik Long-String-Design ein, die deutlich riskanter ist als ein Alternativverfahren, aber auch deutlich billiger. Experten halten die Technik, bei der nur ein Bohrstrang vorangetrieben wird, für gefährlicher, weil Gas unbemerkt und unkontrolliert außerhalb der Röhre aufsteigen kann. Dieses Risiko besteht vor allem bei Ölvorkommen, die unter hohem Druck stehen.

Bisher unbekannte interne Dokumente, die BP im Rahmen der Untersuchungen durch den US-Kongress offenlegen musste, offenbaren nun: BP-Ingenieure wussten spätestens seit Januar dieses Jahres, dass bei der verunglückten Tiefseebohrung im Macondo-Ölfeld eben diese präkeren Druckverhältnisse auftraten. Eine konservativere Bohrmethode, das sogenannte Liner-Tieback-Design, hätte zusätzliche Sicherheit gebracht. Dieses Verfahren ist laut einer internen BP-Schätzung aber rund sieben bis zehn Millionen Dollar teurer.

BP

Eine Analyse durch das „Wall Street Journal“ zeigt, dass dahinter offenbar System steckte. BP nutzte die kostengünstigere Long-String-Technik bei 35 Prozent seiner Tiefseebohrungen im Golf von Mexiko, der BP-Partner Andarko, der mit 25 Prozent an dem Macondo-Projekt beteiligt ist, sogar bei 42 Prozent. Konkurrent Shell hingegen setzte das preiswerte, aber riskante Verfahren nur in 8 Prozent, Chevron lediglich in 15 Prozent der Tiefseebohrungen ein. Einer der BP-Ingenieure schrieb in einer E-Mail unumwunden, dass das Long-String-Design „eine ganze Menge Zeit und Geld spart“.

Schluss sein dürfte in Zukunft auch mit Kampagnen, für die BP Hunderte von Millionen Dollar ausgab, um Naturschützer und die Öffentlichkeit zu umgarnen. Seit 2001 schmückte sich BP mit dem Slogan „Beyond Petroleum“ – „jenseits vom Öl“ – und versuchte sich an Solar- und Windenergie. Haywards Vorgänger Lord Browne saß von 2000 bis 2006 im Vorstand der Umweltorganisation „Conservation International“. „The Nature Conservancy“, eine der größten US-Umweltschutzorganisationen, die mit dem Naturschutzbund Deutschland kooperiert, steht unter Beschuss, seit bekannt wurde, dass sie fast zehn Millionen Dollar an Spenden von BP erhalten hat.

Dem US-Bundesstaat Louisiana überwies BP 40 Millionen Dollar, um das durch Hurrikans beschädigte Marschland wiederherzustellen. Mit der von BP nun verursachten Ölkatastrophe ist der Artenschutz an Teilen der US-Golf-Küste aber erstmal dahin.

Das wird Konsequenzen haben. „Die Zusammenarbeit mit Unternehmen ist das Markenzeichen unserer Organisation, die sind es, die die Umwelt oft stark belasten“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Europa-Chef von Nature Conservancy. „In Zukunft werden wir aber sehr viel genauer prüfen, von welchen Unternehmen wir Spenden annehmen.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%