Pharma Neues Medikament soll Bayer Milliarden bringen

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Xarelto-Tablette: Der Wirkstoff Rivoroxaban wurde in über 30 Ländern an mehr als 18.000 Menschen getestet

Besonders die Konkurrenz von Boehringer macht Bayer zu schaffen: Das Familienunternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Ingelheim hat bereits vor Monaten ein vergleichbares Thrombosemittel namens Pradaxa auf den europäischen Markt gebracht, entwickelt in den Boehringer-Laboren im schwäbischen Biberach – und erwartet dafür gleichfalls Milliardenumsätze.

Bayer und Boehringer liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Im wichtigsten Pharmamarkt der Welt, den USA, wird voraussichtlich Bayer die Nase vorn haben und im nächsten Frühjahr die entsprechende Zulassung erhalten. Mediziner halten beide Mittel für vielversprechend. Eine Studie, die beide Präparate miteinander vergleicht, gibt es bislang nicht. „Es spricht für den Pharmastandort Deutschland, dass hierzulande zwei innovative Thrombosemittel entwickelt wurden“, sagt die Bayer-Biologin Perzborn.

Im Labor zeigt sie, was genau passiert, wenn Thrombosen töten. Über einen Flachbildschirm läuft ein Video. Was dort zu sehen ist, wirkt wie ein simpler Schwarz-Weiß-Zeichentrickfilm eines rauschenden Flusses, der eine Landschaft durchzieht. Vom Ufer plumpsen Steine ins Wasser. Es werden immer mehr, eine Lawine aus Geröll entsteht, binnen Sekunden ist der Flußlauf unterbrochen. Ein Klumpen löst sich, der reißende Fluss rafft ihn mit sich fort.

Tatsächlich ist das scheinbare Naturidyll eine Vene in zigfacher Vergrößerung mit Blutplättchen, die sich schließlich verklumpen. Lebensgefährlich wird es, wenn sich ein Teil des Gerinnsels löst, mit dem Blutstrom durch den Körper schießt und dann ein Gefäß in der Lunge verstopft.

Um ein Mittel gegen die tödliche Krankheit zu finden, legte Perzborn zunächst einen Angriffspunkt fest. Sie wählte das Molekül Faktor Xa, das bei der Blutgerinnung eine wichtige Rolle spielt. Sie ließ 200.000 Substanzen auf ihre Eignung zur Thrombosetablette testen – Analyseroboter erledigten die Arbeit.

Fünf potenzielle Leitstrukturen kamen in die engere Auswahl. Perzborn und ihre Mitarbeiter untersuchten unter anderem, ob die Substanzen noch auf andere Enzyme wirken und ob sie sich später gut in eine Tablette pressen lassen würden.

Als Perzborn im Frühsommer 2000 die Daten des Wirkstoffs mit der Codenummer BAY 59–7939 betrachtete, war sie sicher: Die Daten passen perfekt. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, studierte die Daten noch einmal in Ruhe. Immer noch passten sie. Elisabeth Perzborn war glücklich – und buk für ihre Mitarbeiter einen Pfirsichkuchen.

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