Pharma Neues Medikament soll Bayer Milliarden bringen

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Die Medikamenten-Entwickler bei Bayer testeten BAY 59–7939 nun weiter, zunächst an Tieren. Hunderte Ratten, Mäuse und Meerschweinchen mussten wegen Xarelto ihr Leben lassen – zu Versuchszwecken verletzten die Forscher ihre Blutgefäße.

Direkt neben den Labors, hinter Türen mit der Aufschrift „Tierhaltung“, sind die Ratten, Mäuse und Meerschweinchen untergebracht. Sie leben in schuhkartongroßen Plastikboxen; aus den Lautsprechern in der Decke klingt Entspannungsmusik. Die Nager sollen sich, so weit es geht, wohlfühlen – anderenfalls würden die Versuchsergebnisse beeinträchtigt.

„Ratten sind lärmempfindliche Tiere“, sagt Elisabeth Perzborn. Früher waren die Nager in der Nähe des Aufzugs untergebracht. Nachdem die Bayer-Forscher feststellt hatten, dass die Tiere durch die Fahrstuhlgeräusche gestört werden, quartierten sie die Tiere um.

Der Wirkstoff Rivaroxaban, wie die Substanz inzwischen hieß, wurde schließlich in über 30 Ländern an mehr als 18.000 Menschen getestet – insgesamt dauerte die Entwicklung acht Jahre, eine relativ kurze Entwicklungszeit in der Pharmabranche. Eine Milliarde Euro kostete Bayer das Projekt Xarelto.

Die Ergebnisse lassen immer mehr hoffen. Vor einigen Wochen bestätigte eine Studie, dass der Wirkstoff die Leber nicht schädigt – eben deswegen hatte Konkurrent AstraZeneca 2004 ein ähnliches Mittel vom Markt nehmen müssen.

Wegen schlechter Studiendaten müssen nun auch die US-Konzerne Pfizer und Bristol Myers Squibb ihr Thrombosepräparat nacharbeiten, die Markteinführung verzögert sich damit. Xarelto dagegen darf als sicher gelten – zumindest bis zum Beweis des Gegenteils, der nicht auszuschließen ist – bei Lipobay waren die schweren Nebenwirkungen erst Jahre nach Markteinführung aufgefallen.

In den USA übernimmt der Medikamenten-Konzern Johnson & Johnson die Vermarktung von Xarelto – und darf dafür 70 Prozent der US-Einnahmen behalten. „Viel wird auch davon abhängen, wie gut Bayer und Johnson & Johnson das Mittel vermarkten“, sagt Bain-Berater Klingan.

Der Pharmaexperte sieht noch Potenzial im Marketing und im Vertrieb von Bayer. Für das Potenzmittel Levitra, das Bayer 2003 auf den Markt brachte, hätten laut Klingan aufgrund der Produkteigenschaften höhere Umsätze erzielt werden können. „Nur wurden die Produktvorteile nicht gut genug verkauft“, sagt Klingan.

Forscherin Perzborn ist längst mit anderen Projekten beschäftigt. „Die Entwicklung von Xarelto ist für mich der Höhepunkt meines Forscherlebens“, sagt sie. Finanziell hat sich die Entwicklung von Xarelto für sie schon gelohnt – zu den Details schweigt sie jedoch. Besonders wichtig scheint ihr das Geld auch nicht zu sein. „Es ist schon ein gutes Gefühl, weltweit Patienten zu helfen“, sagt sie. Und ihnen ein wenig von der Angst vor der Thrombose zu nehmen – die Angst vor dem tödlichen Geröll in der Blutbahn.

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