Pharmabranche Der Stellenabbau bei Bayer ist unvermeidlich

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Grafik: De Entwicklung der Bayer-Aktie im Vergleich zum Dax

Vor diesem Hintergrund ist Dekkers mit seinem Sparprogramm sogar spät dran. In diesem Jahr haben bereits Pharmakonzerne wie Pfizer, Merck & Co. und Sanofi die Streichung von insgesamt 40 000 Arbeitsplätzen weltweit angekündigt. Der Schweizer Medikamentenhersteller Roche gab vor wenigen Wochen den Abbau von 4800 Stellen bekannt – die globale Belegschaft reduziert sich so um sechs Prozent. Konkurrent Novartis gibt 1400 Arbeitsplätze in den USA auf. Und der kleinere deutsche Arzneispezialist Grünenthal aus Aachen trennt sich in Deutschland von jedem zehnten Mitarbeiter.

Bei Bayer hat sich das Medizingeschäft, auf das der heutige Aufsichtsratschef Manfred Schneider in den Neunzigerjahren – im Gegensatz zur eher ungeliebten Chemie – so große Hoffnungen setzte, in jüngster Zeit wieder zur Problemzone entwickelt. Allzu viele hoffnungsvolle Präparate haben die Leverkusener nicht in der Entwicklung, die aktuellen Medikamente werden immer stärker von Generikaherstellern attackiert. Und schließlich belasten die Gesundheitsreformen in verschiedenen Ländern Bayer mit einem dreistelligen Millionenbetrag – die Rede ist von mehr als 200 Millionen Euro. Die Marge im Gesundheitsgeschäft – bezogen auf den Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) – klingt zwar mit 25 Prozent erst mal verheißungsvoll. Die meisten Konkurrenten erreichen allerdings mehr als 30 Prozent.

Mehr Wachstum, weniger Administration

Die Antwort auf diese Herausforderung, die auch der Aufsichtsrat in der kommenden Woche zu hören bekommen wird, ist absehbar. Einerseits wird Dekkers die Ausgaben für Entwicklung und Marketing gewinnträchtiger Arzneien erhöhen, insbesondere bei neuen Medikamenten wie dem Schlaganfallmittel Xarelto. Andererseits kommt er nicht umhin, bei weniger innovativen Präparaten die Kosten zu senken. Insbesondere die Ausgaben für schwächelnde Präparate wie die Verhütungspille Yasmin, die 2009 noch einen Umsatz von gut 1,2 Milliarden Euro einbrachte, dürften von den Kürzungen betroffen sein. Allein in Deutschland will Dekkers 700 Stellen in der Gesundheitssparte streichen.

Um die vorhanden Chancen zu nutzen und die Pillen bei Ärzten besser anzupreisen, will Dekkers mehr Geld in Forschung und Entwicklung sowie das Medikamentenmarketing stecken. "Wir wollen mehr in Wachstum und Innovation investieren und weniger in Administration", hatte Dekkers schon vor einigen Wochen angekündigt.

Neues Schlaganfallpräparat soll Milliarden bringen

Schon heute liegen im Bayer-Medizingeschäft die Ausgaben für Forschung und Entwicklung – bisher etwa zwölf Prozent vom Umsatz – deutlich unter denen für Marketing und Vertrieb. Bayer und andere Medikamentenhersteller stehen deshalb bei Kritikern im Verdacht, einen Großteil des Geldes für Einladungen und Honorare an Ärzte zu verwenden – auf dass die Mediziner auch fleißig Bayer-Präparate verschreiben.

Das Argument zu hoher Vertriebsausgaben ließ Ex-Konzernchef Wenning freilich nie gelten: "Dazu zählen unter anderem auch Verpackungskosten, Bevorratung und Logistik. Und natürlich müssen wir dem Arzt unsere Produkte erklären. Das ist zum Wohle des Patienten." Bayer achte im Übrigen streng darauf, dass die Richtlinien für den Umgang mit Ärzten eingehalten werden.

Große Hoffnungen setzt Nachfolger Dekkers auf Xarelto, das neue Mittel zur Vorbeugung gegen Schlaganfall und Herzrhythmusstörungen, das er nach der Zulassung nun so schnell wie möglich in den Markt drücken möchte. Die Entwicklung des Medikaments hat bislang schon etwa 2,3 Milliarden Euro gekostet – wobei sich Bayer die Aufwendungen mit seinem Vermarktungspartner, dem US-Konzern Johnson & Johnson, teilt.

Den Aufsichtsräten wird Dekkers klarzumachen versuchen, dass Xarelto für die Zukunft des Bayer-Gesundheitsgeschäfts enorm wichtig und die Ausgaben deshalb wert ist. Noch in diesem Jahr will Bayer seinen Antrag zur Schlaganfall-Prophylaxe bei der US-Zulassungsbehörde FDA einreichen. Wenn alles gut geht, dürften sich damit jährliche Spitzenumsätze von zwei Milliarden Euro erzielen lassen – konservativ geschätzt. Für Dekkers ist das allerdings ein Spiel mit hohem Risiko – denn ein weiteres potenzielles Milliardenmedikament ist bei Bayer derzeit nicht in Sicht.

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