Pharmabranche Der Stellenabbau bei Bayer ist unvermeidlich

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Grafik: Wie sich die Bayer-Sparten entwickeln

Stattdessen verlieren die aktuellen Spitzenpräparate gerade an Umsatz. In den ersten neun Monaten des Jahres 2010 reduzierten sich etwa die Erlöse des Multiple-Sklerose-Mittels Betaferon, das inzwischen von Novartis als billigeres Generikum vermarktet wird, um 1,2 Prozent, zuletzt legte das Mittel allerdings wieder zu.

Der Absatz der Bayer-Verhütungspille Yasmin brach allein im dritten Quartal um etwa 25 Prozent ein. Mittlerweile attackieren Generikahersteller wie die israelische Teva die Anti-Baby-Pille aus Deutschland in den USA und setzen damit das Bayer-Präparat gehörig unter Druck. Inzwischen sind in den USA zudem 4800 Klagen gegen Yasmin anhängig – wegen angeblicher schwerwiegender Nebenwirkungen wie etwa gefährlichen Thrombosen. 130 Millionen Euro hat Bayer bereits zurückgestellt, um sich gegen die Kläger zu verteidigen.

150 Jahre Industriegeschichte verschwinden

Sinkende Margen, steigende Rechtskosten – gut möglich, dass Dekkers deswegen vor allem Arbeitsplätze rund um das Geschäft mit Yasmin abbaut. Betroffen wäre vor allem der Standort Berlin. Beim früheren Schering-Konzern, den Bayer 2006 übernahm, ist Yasmin in den Neunzigerjahren entwickelt worden. Noch heute wird die Pille in der Hauptstadt produziert. Knapp 500 Pillenschachteln spuckt eine Maschine dort pro Minute aus.

Wo gestrichen wird und welche Jobs wegfallen, das werden die Kontrolleure auf der Aufsichtsratssitzung von Dekkers genauer wissen wollen. Die Mitarbeiter am Standort Berlin fürchten bereits, dass sie überproportional betroffen sind. Die Stimmung in der Hauptstadt sinkt dadurch noch weiter.

Die meisten der dortigen Beschäftigten sind ohnehin schlecht auf den neuen Konzernchef zu sprechen, seit er Anfang November die Tilgung des Traditionsnamens ankündigte. Aus der Tochtergesellschaft Bayer Schering Pharma etwa wird "Bayer HealthCare". Mehr als 150 Jahre Industriegeschichte sollen auf diese Weise mal eben verschwinden.

"Evolution statt Revolution"

Keine Frage: Mit solchen Einschnitten leitet Dekkers bei Bayer eine Zäsur ein, die kaum jemand so schnell erwartet hat. Noch Anfang des Jahres, als der Niederländer in Leverkusen einstieg, betonte er, dass Bayer "gut aufgestellt" und auch "kein Sanierungsfall" sei wie sein früherer Arbeitgeber Thermo Electron. Und um jeden Anschein von Radikalität zu vermeiden, fügte er ausdrücklich hinzu, dass er "Evolution statt Revolution" bevorzuge. "Ich bin nicht gekommen, um hier alles um 180 Grad herumzudrehen", versichert Dekkers.

Doch der Glaube daran ist bei vielen Beschäftigten mittlerweile verloren gegangen, seit Dekkers die harten Einschnitte ankündigte. Auf der Betriebsversammlung in Leverkusen schallte dem Neuen zuweilen Gelächter entgegen, etwa als er behauptete, die anstehenden Veränderungen seien strukturell bedingt und nicht dem Druck der Börsen geschuldet. Ähnlich waren die Reaktionen, als Dekkers die Belegschaft zu beruhigen versuchte, es werde erst mal keinen weiteren Personalabbau geben.

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