Plagiate Produktpiraten auf der Spur

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Produktion von Nike-Schuhen in Quelle: AP

Die Zollfahnder leiten ein Strafverfahren gegen die Produktpiraten ein und kassieren je nach Schwere der Tat 500 bis mehrere tausend Euro. Dieses Geld dient quasi als Sicherheit: Die von den Fälschern geforderte Summe ist so hoch, wie ihre zu erwartende Strafe, die der Richter verhängen würde. Die Kopisten hinterlegen so gesehen das Geld bis zum Gerichtsverfahren. „Man kann die Aussteller ja nicht bis zum Prozess mehrere Monate hier behalten“, sagt Schulze. Letztendlich verkündet der Richter, dass das hinterlegte Sicherheitsgeld einzuziehen sei. Bei schweren Fällen kommt es auch zu Haftbefehlen.

Mit knapp 29 Prozent kamen 2009 die meisten vom deutschen Zoll beschlagnahmten Produktfälschungen aus China. Bei Schuhen sind die Chinesen sogar Monopolisten: 99,82 Prozent der beschlagnahmten Sportschuhe und 96,6 Prozent der sonstigen Schuhfälschungen kamen aus dem Reich der Mitte. Die Fälscherkultur soll dort Tradition haben. Während Innovation in Europa als ein hoher Wert an sich gilt und Nachahmen verachtet wird, gilt das Kopieren in China durchaus auch als Zeichen der Ehrerbietung. Ziel ist es, seinen „Meister“ zunächst perfekt zu imitieren, bevor man eigene Innovationen hervorbringt.

Nachts laufen die Maschinen weiter

Pumas Markenschützer Neil Narriman hält von der Erklärung nichts: „Es geht nicht um Konfuzius, sondern um Geld“, sagt er. Um dieses Geld zu machen, nutzen die Produktpiraten die Globalisierung – allen voran die Eigenheit westlicher Firmen in Billiglohnländern zu produzieren. Den Preis der Globalisierung musste etwa der Taschenhersteller MCM zahlen. Das Unternehmen, das erstmals auf der GDS ausstellte, geriet in den 1990er Jahren in einen dreisten Fall von Produktpiraterie. Asiatische Produzenten ließen nachts die Maschinen weiterlaufen und verkauften die Taschen, die quasi Originale waren, jahrelang auf eigene Rechnung auf dem Schwarzmarkt. „Das Problem hat eigentlich jede Firma“, sagt MCM-Managerin Coreen Fichna. „Die klassische MCM-Linie in Cognac wird auch nach wie vor noch kopiert."

Die rechtlichen Möglichkeiten, sich vor derartiger Produktpiraterie zu schützen, sind jedoch vielfältig. Die Unternehmen können Schutzrechte international anmelden und diese in Verträgen mit ausländischen Produktionspartnern berücksichtigen. Wichtig ist, dass die Verträge ausschließen, dass die Partner die Produkte an Dritte weiter verkaufen. Doch all die rechtlichen Möglichkeiten nützen letztlich nichts, wenn selbst der ausgeklügelste Vertrag in den Augen von Produktpiraten nichts wert ist.

So scheren sich die Fälscher etwa auch nicht um ihre Mitarbeiter und ihre Kunden. Während die Arbeiter unter ausbeuterischen Löhnen und teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen leiden, erhalten die Konsumenten minderwertige und teils gefährliche Produkte. Schadstoffe in Schuhen können etwa Hautausschläge und Allergien bewirken. Hinzu kommt, dass ein schlecht verarbeiteter Turnschuh das Risiko von Sportunfällen erhöht.

28 Prozent der Verbraucher haben schon Plagiate gekauft

Laut einer Ernst&Young-Studie ist 79 Prozent der Verbraucher bewusst, dass Markenpiraten die Arbeits- und Umweltbedingungen bei der Produktion vernachlässigen. Trotzdem haben 28 Prozent der Konsumenten in den vergangenen drei Jahren Fälschungen gekauft, 60 Prozent von ihnen bewusst. Vor allem lockt sie der günstige Preis, aber auch der Wunsch nach einem Statussymbol. Zwar erwerben die Konsumenten nicht die Qualität des Originals, dafür aber sein Prestige.

Rüdiger Stihl ist Aufsichtsrat des Motorsägenherstellers Stihl und engagiert sich als Vorsitzender des Aktionkreises gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM). Seine Losung: „Wir müssen die Verbraucher zu unseren Verbündeten machen.“ Laut einer Studie der Unternehmensberatung fischerAppelt thematisieren 51 Prozent der befragten Unternehmen Plagiate nicht in ihrer Unternehmskommunikation. Je 30 Prozent geben als Grund an, dass sie Plagiaten keine Bühne geben wollen oder befürchten, es könnte die Kommunikation über positive Themen gefährden. Diese Thesen kann Rüdiger Stihl nicht nachvollziehen: „Die Wirtschaft hat eine ethische Verantwortung, die Kunden vor Gefahren bei Plagiaten zu warnen.“ So veranstaltet der APM derzeit eine Wanderausstellung, die die Konsumenten aufklären sollen. Rund Dreiviertel der Besucher geben in Fragebögen an, nicht mehr bewusst gefälschte Waren kaufen zu wollen.

Auch auf den Düsseldorfer Schuhmessen fruchten die Maßnahmen: „Was wir heute vorfinden, ist kein Vergleich mehr zu früher“, sagt etwa Puma-Markenschützer Neil Narriman. Während der Zoll auf der vergangenen Messe an fünf Ständen Plagiate fand, waren es vor fünf Jahren noch 27. Doch auch wenn die Kopisten mit der Messe Düsseldorf eine attraktive Bühne verloren haben, steigt die generelle Anzahl der vom deutschen Zoll beschlagnahmten Plagiate stetig an. Neil Narriman kann den Erfolg von Fälschungen nicht nachvollziehen: „Ich habe nie Kopien gekauft. Ich wollte immer das Original haben.“

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