Portrait Bernd M. Michael gilt als Meister der Marken

Bernd M. Michael ist auch nach seinem offiziellen Abschied von der Werbeagentur ständig unterwegs in Sachen Marken. „Wir geben Marken Charakter“, sagt er. Und Michael ist nun 22. Mitglied der Hall of Fame der Deutschen Werbung.

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Bernd M. Michael ist neues Mitglied der Hall of Fame der Deutschen Werbung

Montags nach St. Gallen, ein Vortrag vor Studenten über Markenführung. Dienstags eine Aufsichtsratssitzung, am Mittwoch gleich die nächste. Und am Donnerstag nach Berlin, Gespräche mit großen Verlagen über die Bedeutung des Internets. „Im Büro war ich diese Woche noch gar nicht“, sagt Bernd M. Michael. Dabei wartet auch hier viel Arbeit: Ein Buch wird er schreiben, zusammen mit einem Marketingprofessor der European Business School in Oestrich-Winkel. Das Thema: „Ingredient Branding“ – Markenführung für Lieferanten. „Die stehen doch heute alle unter Preisdruck“, sagt der langjährige Europa-Chairman und CEO der Werbeagentur Grey. „Wir wecken die Branche auf – nur, wer Marke ist, kann selbst Druck ausüben.“

Es lässt ihn einfach nicht los, sein Leib- und Magenthema. Auch nicht, seit er Ende 2004 offiziell seine Ämter bei Grey aufgab, um in einer dreijährigen Übergangsphase das neue Doppel an der Spitze mit Uli Veigel und Frank Dopheide mit seiner Erfahrung zu unterstützen. Und jetzt komplett selbstbestimmt zu arbeiten – in seiner eigenen Agentur. „Eigentlich hat sich mein Tagesablauf dadurch nicht geändert“, sagt Michael. „Vier Drittel meiner Zeit sind verplant.“

Und die steht seit 45 Jahren nur unter einem Motto: „Wir geben Marken Charakter“ – nach dem von ihm entwickelten Agenturslogan formte Michael die Agenturgruppe Grey, für die er mehr als vierzig Jahre arbeitete – vom Kontakter bis zum Europa-Chef.

Werbung, das ist für Michael vor allem eines: Baustoff für Marken, mit klarem Arbeitsauftrag an eine Agentur: Ein Markenversprechen zu formulieren und eine Markenwelt zu entwickeln – durch den adäquaten Einsatz von Wort, Bild, Farbe, Akustik. Wie das geht? „Richtig denken first, richtig machen second.“

Damit auch alle Kollegen in die gleiche Richtung überlegen, hat Michael bei Grey im Laufe der Jahrzehnte Dutzende Analyseverfahren und Arbeitsmodelle entwickelt und schützen lassen, darunter das MPA-Modell – die Marken-Potenzial-Ausschöpfung. Die soll erst einmal klären: Was ist mit meiner Marke los? Bietet sie dem Verbraucher eine einmalige Leistung? Wie kann man die Marke verbessern?

„Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, beginnt die Arbeit der Gestalter.“ Deren Hauptaufgabe: Die Suche nach Markensignalen, die auch der heutigen Reizüberflutung standhalten können. Wie etwa die rote Tomate im Werbespot für die Zahnbürsten Marke Dr. Best. Um mit seinen Signalen nicht ins Leere zu laufen, müssen die Ideen der Kreativen frühzeitig dem Urteil von Testverbrauchern standhalten. „Zu versuchen, das nicht Messbare messbar zu machen und in Prinzipien zu gießen“, sagt Michael, „das wird bei mir nie aufhören.“

Was nicht nur für die Positionierung seiner Kunden gilt, sondern auch für die eigene Person. Als er während des Studiums an der Bayerischen Akademie für Werbung in den Sechzigerjahren bei einem Seminar über Farbenlehre lernt, dass „rot die Farbe der Dynamiker ist“, hat er seinen Stil gefunden.

Ob Krawatte oder Einstecktuch, Brille oder Auto: Michael wird der Werber in rot, hat über die Jahrzehnte 732 rote Binder angehäuft. Und stilisiert sich mit diesem markanten Farbtupfer konsequent selbst zur Marke. „Das kann er besser als jeder andere in der Branche“, sagt Michael-Nachfolger Veigel, „ein Vollprofi, das steckt tief in ihm drin.“

Und zwar seit frühester Kindheit. Auf der Flucht vor den sowjetischen Besatzern landet der gebürtige Dresdner aus der von Bomben zerstörten Heimatstadt mit Eltern und Bruder 1947 in einer Villa am Starnberger See – mit Dutzenden anderen Flüchtlingsfamilien. „Da musste jeder schauen, wo er bleibt“, erinnert sich Michael. Er läuft jeden Tag zehn Kilometer zur Schule, gilt als unterernährt, bekommt die vierfache Ration Essenmarken – „da hab ich die Familie mit durchgebracht.“

Auch im Internat in Hohenschwangau, das er nach der Grundschule besucht und wo er sich einen Schlafraum mit sieben anderen Kindern teilte, versucht er, sich „mit Ecken und Kanten von den anderen abzuheben“. Wurde jemand für eine besondere Aufgabe gesucht, „reckte ich automatisch den Arm“. Etwa, als einmal der Torwartposten in der Schülermannschaft vakant war. Michael meldet sich, obwohl er noch nie Fußball gespielt, geschweige denn im Tor gestanden hatte. „Ich dachte: sich links und rechts in die Ecken zu schmeißen, das macht Eindruck.“

Und Eindruck machen, das wollte er. Ebenso wie er Respekt erwartete. Weil ihn ein Mitarbeiter der Personalabteilung der „Süddeutschen Zeitung“ auf seine Bewerbung für eine Lehrstelle zwar zu einem Gespräch einlädt, ihn in dem Schreiben aber duzt, entscheidet er sich – „das war schon mit 16 nicht der Stil, den ich erwartet hatte“ – für eine Lehre in der Werbung.

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