Prämienzahlungen Banker kassieren trotz Finanzkrise Milliarden als Bonus

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Morgan-Stanley-Chef John Mack Quelle: AP

Sicher, es ist nur eine kleine Minderheit der Spitzenverdiener, die es derart krachen lässt. Und allzu offensichtliche Exzesse einiger Kollegen werden in der Branche durchaus kritisch beäugt. Einige Banken haben sie ihren Mitarbeitern sogar unter Androhung von Sanktionen untersagt. „Das sind vor allem Wertpapierhändler, Hedgefonds-Manager und Private-Equity-Leute“, meint ein um Abgrenzung bemühter Frankfurter Banker.

Die Lust am offen zur Schau gestellten Luxus ist in Deutschland ohnehin weniger ausgeprägt als in den angelsächsischen Geldzentren, auch wenn direkt vor dem im vergangenen Jahr eröffneten Szenetreff „King Kamehameha Suite“ am Abend schon mal ein Aston Martin mitten auf dem Gehsteig parkt. „Wirkliche Investmentbanker investieren lieber in diskretere Hobbys wie das Segeln“, sagt ein Banker. Und, natürlich, in Immobilien.

Die Finanzmetropolen bieten dem großen Geldbeutel auch hier reichlich Auswahl. Luxusmakler wie von Poll oder Villaport bieten gerade in den Taunusvorstädten auch Villen für den besonderen Geschmack an. Aktuell steht in Bad Homburg etwa eine 18-Zimmer-Residenz mit 1100 Quadratmeter Grundfläche für 6,5 Millionen Euro zum Verkauf.

In New York gibt es dafür nur eine ärmliche Hütte. Der 168 Meter hohe Neubau „15 Central Park West“ gilt schon jetzt als erfolgreichstes Immobilienprojekt in der Geschichte der Stadt. Für die 201 Wohnungen hat Bauherr Arthur Zeckendorf insgesamt rund zwei Milliarden Dollar kassiert. Eingekauft haben sich unter anderen der Popstar Sting und der Schauspieler Denzel Washington, doch die wirklich repräsentativen Räume schnappten sich andere. Für 45 Millionen Dollar erstand der Hedgefonds-Manager Daniel Loeb gleich eine ganze Etage, 42,4 Millionen Dollar legte Sandy Weill, Ex-Chef der Citigroup, hin. Auch fünf hochrangige Manager von Goldman Sachs, darunter Chef Llyod Blankfein, zählen zu den Erwählten.

Innerhalb der Branche regt sich inzwischen Selbstkritik. So forderte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kürzlich dass der „Bonus atmen muss“. Er habe kein Verständnis für Banken, die ihre Zahlungen trotz zum Teil heftiger Verluste noch erhöht hätten. Ackermann kündigte an, dass sich das Institute of International Finance, dessen Vorsitzender er ist, mit der Entwicklung eines Branchenstandards beschäftigen wird. Nach Angaben der Deutschen Bank stehen die Diskussionen am Anfang.

„Es muss in der Natur der Sache liegen, dass die Boni in guten Zeiten steigen und in schlechten fallen“, sagt auch Andreas Dombret, Deutschland-Chef der Bank of America. „Der variable Gehaltsbestandteil muss eben flexibel sein.“

Was er ganz offensichtlich nicht immer ist. Hinter vorgehaltener Hand äußern sich Branchenvertreter denn auch wesentlich deutlicher über den abermaligen Geldregen. „Absolut unverantwortlich“ und „geradezu obszön“ sei es, wie einige Institute in diesem Jahr mit dem Thema umgingen, sagt ein hochrangiger Banker. „Wir haben alle in den vergangenen Jahren viel Geld verdient. Diese Anpassungen sind einfach nicht erforderlich“, meint auch ein Top-Banker einer großen internationalen Bank.

Die betroffenen Institute sehen das naturgemäß anders. „Sie können ihren Mitarbeitern nicht auf einmal nur noch zehn Prozent des Vorjahresgehalts zahlen“, verteidigt sich ein Investmentbanker einer angeschlagenen Bank. Wer die Anfang des Jahres geweckten Erwartungen derart enttäusche und die individuelle Leistung nicht honoriere, laufe Gefahr, seine besten Leute an die Konkurrenz zu verlieren. Im nächsten Aufschwung würden die dann fehlen.

Ob dieses Argument tatsächlich sticht, ist in der Branche freilich umstritten. „Das gilt nur für ausgewählte Spitzenkräfte“, sagt Andreas Halin, Deutschland-Chef der Personalberatung Whitehead Mann. „Für die breite Masse ist der Markt derzeit nicht aufnahmefähig.“ Das bestätigt ein Londoner Investmentbanker: „Die Lage ist nicht so, dass wer mit seinem Bonus nicht zufrieden ist, morgen weg ist.“

Die gegenwärtige Praxis kostet die Banken nicht nur bei der Bezahlung viel Geld. Sie verleitet auch zu Geschäften, die manchmal die Grenze des Legalen überschreiten. 300.000 Euro erhoffte sich etwa der Aktienhändler Jérôme Kerviel von seinem Arbeitgeber, der französischen Großbank Société Générale. Er war auf einem guten Weg dahin, schließlich hatte er mit seinen Geschäften zunächst 1,4 Milliarden Euro verdient. Doch dann brach sein System aus falschen Passwörtern und Scheingeschäften mit einem lauten Knall zusammen. Die größte Fehlspekulation der Geschichte kostete die Bank schließlich netto fast fünf Milliarden Euro.

Derartiges Handeln ist selten, kommt aber vor. So kann ein Berater von einem Fall bei einer deutschen Bank berichten, bei dem sich vor Jahren eine ganze Abteilung auf Initiative ihres Chefs verspekulierte. Der Schaden lag bei 400 Millionen Euro. Die Motivation: Der ältere Vorgesetzte wollte es einem jüngeren Konkurrenten noch einmal zeigen. „Es geht nie darum, die Bank direkt zu schädigen“, sagt der Berater. „Es geht immer um falschen Ehrgeiz.“

Nirgendwo sonst gilt das Leistungsprinzip derart konsequent wie im Investmentbanking. Und nirgendwo sonst ist es derart gefährlich. „Die Spannbreite bei den Zahlungen ist enorm“, sagt Martin Emmerich, Bankenexperte bei der Vergütungsberatung Towers Perrin. „Die Häuser haben überhaupt keine Skrupel, einem schwächeren Mitarbeiter gar keinen Bonus zu zahlen“, bestätigt ein Londoner Banker.

Das erhöht den Druck. Zum einen, weil das Fixgehalt kaum reicht, um in London standesgemäß über die Runden zu kommen. Selbst Banker im Status eines Direktors bewegen sich meist im unteren sechsstelligen Gehaltsbereich. Bei Mieten, die locker mehrere Tausend Pfund pro Monat betragen und Schulgeld von bis zu 30 000 Pfund pro Jahr kann es da eng werden. „Der Bonus ist mein einziges frei verfügbares Kapital“, sagt ein Londoner Banker.

Es geht aber nicht nur ums Geld. Der Bonus schafft in einer Abteilung eine klare Rangordnung. Zwar ist die individuelle Höhe streng geheim, doch lässt sie sich mit etwas Mühe zumindest annähernd nachvollziehen. Wer sein Gehalt nicht via Bonus vervielfacht, gar mit einer Nullrunde auskommen muss, dem haftet, wenn er nicht ohnehin gehen muss, ein Verliererimage an. Und wer aus Kostengründen die Golf- oder Polo-Clubmitgliedschaft aufgibt, wer sich nicht mehr in den teuren Clubs der Stadt sehen lassen kann, ist schlicht „out“.

Gerade im Wertpapierhandel versuchen einzelne Banker deshalb immer wieder, mit dubiosen Tricks die eigene Erfolgsbilanz aufzupolieren. Das funktioniert zum Beispiel so: Ein Händler kauft kurz vor dem Jahreswechsel große Aktienpakete, darunter auch hoch spekulative Papiere. Falls die Kurse am gleichen Tag steigen, bucht er – wie üblich – die auf dem Papier erzielten Kursgewinne in die Gewinn- und Verlust-rechnung der Bank ein. Damit verbessert er sein Handelsergebnis, sein Bonus steigt.

Wenn der Kurs der Papiere aber nach unten geht, ist das schlecht fürs Handelsergebnis. Der Händler kann dann aber für einen begrenzten Zeitraum die Papiere abseits parken. „Dann werden sie erst nach einer bestimmten Frist in die Gewinn- und Verlustrechnung eingebucht. Damit bleibt genug Zeit, um den potenziellen Verlust über den Jahreswechsel zu verschieben und den Bonus ins Trockene zu bringen“, sagt ein Banker. Allerdings ist das Risiko aufzufliegen, hoch. Die Handelsüberwachung schaut zum Jahresende genau hin. Und die Tricks kennen die natürlich auch.

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