Presseschau „Fed hat ihre Munition verfeuert“

Der US-Notenbank ist es gelungen, den Ausverkauf an den US-Börsen zu stoppen. Doch die Medien zeigen sich skeptisch, ob die aktuelle Politik der Federal Reserve ausreicht, um die US-Wirtschaft zu stimulieren.

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Börsenhändler an der NYSE. Quelle: handelsblatt.com

Die Verkaufswelle an den US-Börsen ist gebremst worden, nachdem die Federal Reserve erklärte, der Leitzins werde noch bis „mindestens Mitte 2013 extrem niedrig bleiben“. Zudem ließ Fed-Chef Ben Bernanke offen, ob die Fed die Wirtschaft mit neuen Anleihekaufprogrammen stützen werde.

„So tritt eine Zentralbank auf, wenn sie den Anschein erwecken möchte, dass sie etwas tut, um der Wirtschaft zu helfen, aber eigentlich schon die ganze Munition verfeuert hat“, kommentiert das Wall Street Journal. Bemerkenswert sei die Tatsache, dass es offenbar Streit im Offenmarktausschuss FOMC der US-Notenbank gegeben habe, wo drei Mitglieder – Regionalbanken-Präsidenten, die nicht von Obama ernannt worden seien – gegen die Bekanntmachung einer Verlängerung der Nullzinspolitik votiert hätten. „Tragisch“ an der Situation sei, dass die Notenbank nur eingeschränkte Möglichkeiten habe, zu reagieren, falls das Wirtschaftswachstum ins Negative rutschen sollte – sie sei seit 2008 mit dem Leitzins nie in ein normales Risikoumfeld zurückgekehrt und könne den Zins bei einer Rezession nicht mehr wieder senken. Fazit des WSJ: „Könnte die Geldpolitik alleine die Wirtschaft wieder ankurbeln oder eine schlechte fiskalische und regulatorische Politik kompensieren, dann würden wir längst schon wieder boomen.“

Die Financial Times Deutschland geht davon aus, dass die US-Notenbank mittelfristig ein neues Aufkaufprogramm für amerikanische Staatsanleihen („Quantitative Easing“, QE) auflegen werde. Denn das Risiko, dass allein schon der Börsenschock die Wirtschaft in den Abgrund reiße, sei erheblich gestiegen.. Außerdem sei die Federal Reserve die einzige verbliebene Institution in den USA, die noch stützend eingreifen könne. Möglicherweise werde QE3 mit einem Eingreifen aller großen Notenbanken koordiniert. Doch die Lockerung der Geldpolitik werde ihren Preis haben. „Es darf nicht vergessen werden, dass die US-Inflationsrate derzeit mit 3,6 Prozent nicht gerade den Weg in die Deflation anzeigt.“

Aus Sicht der New York Times ist die von der Fed eingeschlagene Politik unzureichend, um die US-Wirtschaft wieder anzukurbeln und für mehr Beschäftigung zu sorgen. Kritisch beäugt der Kommentator besonders den Fokus der Fed auf den Kampf gegen die Inflation – zu einem Zeitpunkt, da die Wirtschaft keineswegs überhitze. Diese Haltung sei vergleichbar mit der Fixierung von Washington auf Ausgabenkürzungen bei einer schwachen Wirtschaft. „Beides sind fundamentale Fehleinschätzungen dessen, was die Wirtschaft wirklich benötigt.“ Dabei seien einfache Schritte möglich, um der Wirtschaft zu helfen, beispielsweise die Reserven der Banken zu besteuern, um die Kreditvergabe zu animieren.

Die Börsen-Zeitung wertet die Tatsache, dass der CDS-Spread Deutschlands gestern einen Rekord erreichte, als Beleg dafür, dass selbst die sicheren Staatsadressen in der Währungsunion mit vollkommen neuen Konstellationen auf den Märkten konfrontiert werden. Und tatsächlich bestehe das Risiko, dass die krisenbedingten Belastungen für den deutschen Staat zunähmen. Gleichwohl sei der sich ausweitende CDS-Spread Deutschlands kein Ausdruck einer Zockerei auf den Ausfall des Bundes. Denn bei einem reihenweisen Ausfall aller Staaten der Währungsunion fiele Deutschland sicherlich zum Schluss. „Es ergibt keinen Sinn, auf den Weltuntergang zu zocken. Denn er tritt nur einmal auf. Und wenn der Weltuntergang auftritt, ist eh alles egal - auch der CDS-Spread.“

Gewalt in England: Rückendeckung für Cameron

Die Financial Times begrüßt die Entscheidung des britischen Premiers David Cameron, die Zahl der Polizisten im Kampf gegen die Krawallmacher in London zu erhöhen. „Die Ausschreitungen in England sind zu einem Kompetenz-Test für die Regierung und den Bürgermeister Boris Johnson geworden. Wir haben keine Zeit mehr für Diskussionen über Ausgabenkürzungen, die zu der Gewalt geführt haben.“ Sobald die Welle der Gewalt nach einem entschiedenen Eingreifen der Regierung abebbe, müssten Politiker aber darüber sprechen, dass die Versuche, die Ausschreitungen in Nord-London zu stoppen, zunächst gescheitert seien. Langfristig stehe auch die Verärgerung der „Habenichtse“ auf der Agenda.

Für die Daily Mail sind die Ausschreitungen ein Beleg dafür, dass auf dem Sockel der Gesellschaft eine Schicht junger Menschen ohne Können, Erziehung, Werten oder Hoffnungen lebe – „Sie haben nicht einmal, was die meisten von uns ,Leben’ nennen würden, sie existieren einfach.“ Doch während die liberale Politik diese Schicht als Opfer sehe, da sie keine Möglichkeiten erhalten hätten, ihre Potenziale zu entwickeln, hält die Daily Mail dagegen: Sie seien nur Opfer eines pervertierten Sozialethos, für das die persönliche Freiheit absolut sei. „Sollten diejenigen, die Großbritannien anführen, keine Anreize für Anstand und Strafen für Gräueltaten auflegen, die heute fehlen, wird der Nachschub an Krawallmachern nie abebben“.

Riskanter Kurs der Schweizer Zentralbank

In der Neuen Zürcher Zeitung warnt Joachim Starbatty, emeritierter Professor an der Universität Tübingen und Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, vor der Reaktion der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die Liquiditätsschleusen zu öffnen, um die Aufwertung des Franken zu stoppen. Einerseits sei die Geldpolitik ein „stumpfes Schwert“, da die Menschen aktuell nicht mehr nach Renditedifferenzialen suchten, sondern ihr Erspartes nur in Sicherheit bringen wollten. Hinzu komme, dass die Nebenwirkungen hyperexpansiver Geldpolitik gefährlich seien: Sie verzerre die volkswirtschaftliche Produktionsstruktur und könne bis hin zur Rezession führen. „Mit einer Geldmengenaufblähung gefährdet die SNB zentrale Errungenschaften, auf die sie zu Recht stolz ist“, schließt der Ökonom.

EU-Politik zwischen Pest und Cholera Die Wirtschaftswoche macht den Politikern wenig Hoffnung, mit ihrem Handeln die Schuldenkrise stoppen zu können. Sie könne im Moment nur zwischen Pest und Cholera wählen. „Was sie macht, sie macht das Falsche.“ Zwar gebe es aktuell zur Politik der Marktberuhigung – etwa indem Anleihen klammer Länder vom Markt genommen werden – wenig Alternativen. Doch mittelfristig könne die Politik die Taktik nicht weiter verfolgen, weil die Wähler meutern würden. „Der Politik bleibt die Option, die Währungsunion aufzugeben. Doch auch das wäre eine schlechte Wahl. Mit einem Scheitern des Euro würde das gesamte Konzept der Europäischen Einigung in Frage gestellt.“

Fundstück: Banking und Boxen Richard J. Byrne, Chief Executive in der Securities-Abteilung der Deutschen Bank, gilt an der Wall Street als besonders harter Hund. Die New York Times porträtiert den Kampfsport-Enthusiasten, der ein eigenes Studio eröffnet hat, in dem unterschiedliche Kampf-Künste gelehrt werden, darunter Wrestling, Karate, Jujitsu und Thai-Boxen. „Ich habe sicher eine Sache gelernt: die Fähigkeit, mich unter Druck zu entspannen“, schwärmt der 50-Jährige von seinem Hobby. „Dadurch bin ich definitiv zu einem besseren Banker geworden.“

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