Presseschau Menschenrechte stören nur

Die Internationale Wirtschaftspresse nimmt den Besuch des China-Premiers in Deutschland in den Blick. Kritisch sehen die Leitartikler, dass fast nur wirtschaftliche Belange im Fokus stehen. Merkel verpasse eine Chance.

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Kanzlerin Angela Merkel und Chinas Ministerpräsidenten Wen Jiabao im Garten der Villa Liebermann. Quelle: handelsblatt.com

Der Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao reiße neue Fronten in der Handelspolitik zwischen Europa und China auf, schreibt der Economist. Einerseits sollte jeder Vertrauensbeweis seitens der Chinesen – wie die gestrige Ankündigung milliardenschwerer Geschäfte mit Großbritannien – in Europa sehr willkommen sein. Gleichzeitig herrsche hierzulande momentan eine protektionistische Stimmung gegenüber China. So wolle etwa die Europäische Kommission chinesische Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen ausschließen, analog zu dem, wie es in China europäischen Unternehmern ergehe. Außerdem machten zunehmende Investitionen aus Fernost Europäer nervös. „China könnte Juwelen der europäischen Wirtschaft zu Ramschpreisen ergattern“, schreibt das Magazin. Der europäische Think Tank European Council on Foreign Relations befürchte, Europa könne künftig nicht mehr geschlossen gegenüber China auftreten, sollte das Land als Käufer letzter Instanz für die Anleihen verschuldeter Euroländer wie etwa Griechenland oder Spanien auftreten.

Die Süddeutsche Zeitung bedauert, dass das Treffen zwischen der Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wen Jiabao nur dem Zweck diene, „die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der neuen Wirtschaftssupermacht China und dem langjährigen Exportweltmeister Deutschland zu vertiefen“. Dabei böte das Treffen in der Villa des jüdischen Künstlers Max Liebermann eine gute Gelegenheit, um über Chinas Verhältnis zur Freiheit der Kunst zu sprechen. Die Bundesregierung wolle nicht mehr als nötig auf der Menschenrechtsfrage herumreiten. Kaum ein Land könne es sich noch leisten nicht mit den Chinesen ins Geschäft zu kommen. Das Land ist zu einer wirtschaftlichen Weltmacht aufgestiegen und sei größter Gläubiger der USA. „Menschenrechte stören da nur“, kommentiert das Blatt.

„Wie viel Freiheit ist genug für China“, fragt der Wirtschaftsdienst Reuters. Die Antwort auf die Frage hänge davon ab, ob man ein Intellektueller wie der Künstler Ai Weiwei, ein Unternehmer oder ein frustrierter Wanderarbeiter sei. Verglichen mit der Zeit vor 20 oder 30 Jahren sei das Niveau der Freiheit in China heute außerordentlich hoch. Früher habe es keine Freiheit, sich zu kleiden, gegeben, keine freie Wahl des Wohnortes oder des Arbeitsplatzes und auch keine Reisefreiheit. All das sei heute gegeben – ein Maßstab für Freiheit die Kreativität und Innovationskraft eines Landes. Hier sei China ein Land der Superlative. Ausgaben für Forschung und Entwicklung stiegen mit 19 Prozent jährlich. Bei Patentanmeldungen rangiere das Land an dritter Stelle, es habe die größte Internetgemeinde der Welt und die meisten Mobilfunknutzer. Die Vernetzung der Gesellschaft steige mit jedem Tag. „Man kann sich auf Freiheiten konzentrieren, die nicht existieren – dies ist eine lange Liste. Man kann aber auch auf die Veränderungen schauen, die die Gesellschaft in kürzester Zeit durchgemacht hat“, meint Reuters.

 

Griechenlands Woche der Entscheidung

Die Financial Times ruft das griechische Parlament dazu auf, für das Sparprogramm von  Papandreou zu stimmen. Die europäische Schuldenkrise sei gleichermaßen eine Krise politischer Führung wie fiskalischer Disziplin und Misswirtschaft. Nichts demonstriere dies besser, als die Sorge, mit der Regierungen und Finanzmärkte die Ereignisse in Griechenland in dieser Woche erwarteten. Sollte das Sparpaket scheitern, werde Griechenland in wenigen Wochen bankrott sein, weil das Land dann keine Hilfsgelder mehr bekommen werde. Die Gefahr eines ungeordneten Defaults würde sich sogar außerhalb Europas auf die USA ausbreiten. „Ein solch katastrophales Szenario müsste eigentlich ein überzeugendes Argument für die Sozialisten sein, für das Paket zu stimmen“, schreibt das Blatt. Doch in diesen „engstirnigen Zeiten“ sei es von den griechischen Sozialisten zu viel verlangt, das Interesse der EU über das eigene zu stellen. Daher sollten sie sich vielleicht daran erinnern, dass ein Staatsbankrott nicht nur das griechische Bankensystem auslöschen werde, sondern auch ihr „gemütliches politisches System“.

Brüssel stoppt Ferdinand  Piëch

Die Financial Times Deutschland sieht die durch Brüssel gestoppte Machtübername Ferdinand Piëchs bei MAN nur als einen vorübergehenden Dämpfer. Letztendlich werde sich der Unternehmer durchsetzen, denn sein Vorhaben einer Lkw-Allianz sei geschickt eingefädelt. Momentan habe aber Brüssel das Sagen, was bedeute, dass  Piëch einen Schritt zurückgehen und auf die Besetzung des MAN-Aufsichtsrates nach seinen Vorstellungen verzichten müsse. Piëch müsse nur seine Pläne zurückstellen. Schon jetzt halte er mehr als 30 Prozent der MAN-Anteile, und bald würden weitere hinzukommen; außerdem gebe es genug Wettbewerb auf dem Lkw-Markt, sodass die Wettbewerbshüter den Deal schließlich durchwinken dürften, prognostiziert das Blatt.

Die Börsen-Zeitung sieht die Erfolgsaussichten für Ferdinand Piech dagegen nicht ganz so rosig. Die Wettbewerbshüter hätten es nicht bei einem sanften Hinweis belassen, wie es VW suggeriere. Vielmehr sei dem Unternehmen vor Augen geführt worden, dass ein Verletzen der EU-Gesetze sich negativ auf den gesamten Übernahmeprozess auswirken könne. „Der Plan war zu dreist“, meint die Zeitung. VW habe die Kontrolle bei MAN übernehmen wollen, bevor die Fusion überhaupt in Brüssel angemeldet worden sei. So ließen die Wettbewerbshüter nicht mit sich umgehen und hätten Piëch deshalb einen Nasenstüber verpasst. Außerdem sei die Zustimmung noch lange kein Selbstläufer, schließlich untersuche die Behörde mögliche Wettbewerbsverstöße. Die genaue Prüfung der Fusion dürfte Zeit kosten.

Russland Dezentralisierung

Russlands Präsident Dmitri Medwedew will die Regionen seines Landes unabhängiger von Moskau machen und plant daher mehr Steuereinnahmen in regionale Haushalte fließen zu lassen, meldet Vedomosti. Das Ziel sei dabei, keine extra Steuern für die Regionen zu schaffen, sondern mehr Steuereinnahmen vor Ort zu belassen, zitiert das Blatt einen Berater Medwedews. Das heutige System hindere die russische Provinz in seiner effizienten Entwicklung. Viel Geld versickere in den föderalen Behörden. Außerdem gebe das momentane Transfersystem kaum Anreize, das Steueraufkommen und die Wirtschaft vor Ort zu entwickeln. Diese Subventionen müssten aufhören. Statt dessen müssten Regionen für eine Erhöhung des Steuerpotenzials belohnt werden.

Fundstück: Tödliche Gehaltschecks

Forscher der University of Notre Dame hätten in einer Untersuchung nachgewiesen, dass es deutlich wahrscheinlicher ist, zu sterben, kurze Zeit nachdem man seinen Lohn oder sonstiges Geld bekommen hat, meldet die Universität. Die dreijährige Studie habe Millionen Todesfälle in vier Gruppen untersucht: Rentner, die staatliche Unterstützung erhielten, militärisches Personal, Familien, die Steuererstattungs-Schecks bekamen, und Empfänger von Dividenden eines bestimmten Fonds. Die Sterblichkeitsrate sei nach Zustellung von Schecks signifikant gestiegen, zumeist seien die Leute beim Verkehrsunfall, durch einen Herzinfarkt oder durch Drogenmissbrauch gestorben - egal ob sie alt oder jung waren oder gut oder weniger gut verdient hatten. Die Erklärung der Wissenschaftler: „Die Aktivität nach dem Scheckeingang war stets erhöht, Leute fuhren Auto, gingen in Bars oder konsumierten Drogen.“ Eine Empfehlung, derartige Schecks mit einer "Vorsicht, kann tödlich sein"-Warnung zu versehen, gaben die Wissenschaftler aber nicht.

 

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