Private Equity Firmenjäger blasen zum Angriff auf den Mittelstand

Seite 2/2

Doch erzielen die zweiten oder gar dritten Finanzinvestoren bei einem Unternehmen noch die erwünschten Renditen, die in Boomzeiten bis zur vierfachen Wertsteigerung in fünf Jahren reichten? Eine noch nicht veröffentlichte Studie der Private-Equity-Expertin Ann-Kristin Achleitner von der Technischen Universität München zeigt: Investoren, die ein Unternehmen aus den Händen anderer Beteiligungsfonds übernehmen, erzielen nicht wesentlich weniger Rendite als die Erstkäufer. Beide Investorengruppen erwirtschaften laut Studie im Schnitt knapp 30 Prozent jährlich.

„Unternehmen, die schon einen Finanzinvestor hinter sich haben, sind meistens fit für den Markt“, erläutert Achleitners Kollegin Carolin Bock. Investoren in der ersten Runde profitieren insbesondere von Finanzierungsmodellen mit hoher Fremdverschuldung und bürden die Zinsen den übernommenen Firmen auf. Zweitinvestoren konzentrieren sich dagegen vor allem auf die Optimierung des Geschäftsmodells. Sie wollen die Umsätze erhöhen sowie die Kosten senken und so den Unternehmenswert steigern.

Ob Erst-, Zweit- oder Drittkäufer: Deutschland ist für Finanzinvestoren ein interessantes Jagdgebiet. So hat Stephan Illenberger, Deutschland-Chef von AXA Private Equity, mit seinen 25 Milliarden Dollar schweren Fonds schon im Krisenjahr 2009 wieder angefangen zu investieren und will jetzt vom deutschen Exportboom profitieren. „Die Investoren rennen mir momentan die Tür ein“, sagt Illenberger. Manager von Pensionsfonds etwa böten an, ihr Engagement bei AXA Private Equity zu verdoppeln.

Voller Euphorie

Die deutsche Industrie ist reich an kleinen und mittleren Unternehmen, die oft Marktführer in einem speziellen Segment sind und aus Private-Equity-Sicht verlockende sowie erschwingliche Investments darstellen. Zudem finden viele Alteigentümer keinen geeigneten Nachfolger in der eigenen Familie. Eine Übernahme durch fremde Manager, finanziert mit privatem Beteiligungskapital, kann die letzte Chance für Gründer sein, ihr Lebenswerk zu erhalten. Auch von der Schieflage der deutschen Landesbanken will Private Equity profitieren: Die maroden öffentlichen Institute sind wichtige Kapitalgeber für den Mittelstand, und ihre Schrumpfung hinterlässt eine Finanzierungslücke, die Firmenjäger nur zu gerne füllen würden.

Bisher hat die Schieflage des deutschen Finanzsektors Unternehmer allerdings nicht scharenweise in Heuschrecken-Hände getrieben. „Trotz Bankenkrise sträuben sich viele Mittelständler nach wie vor, Finanzinvestoren die Kontrolle über ihr Unternehmen zu überlassen“, sagt Dirk Schiereck, Professor an der Technischen Universität Darmstadt. Das zeigt eine Umfrage unter Maschinenbauern, Finanzinvestoren und Banken, die der Akquisitionsexperte Schiereck Ende 2010 durchgeführt hat und im März veröffentlichen wird. Demnach sehen es die Chefs lieber, wenn sich Finanzinvestoren mit Mischkapital beteiligen. Mit solchen stillen Beteiligungen oder Genussrechten profitieren Investoren zwar vom Gewinn eines Unternehmens, erhalten aber keine Stimmrechte. Das ist unattraktiv für Firmenjäger, die die Kontrolle über die Geschäftsführung anstreben.

Unternehmen werden zudem erfindungsreicher beim Anzapfen alternativer Geldquellen ohne Private Equity. Viele Mittelständler kompensieren laut Schiereck die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe, indem sie sich selbstständig Kapital beschaffen, zum Beispiel durch die Ausgabe von Anleihen. 2010 boomten die sogenannten Minibonds, also Schuldtitel in einem Volumen von 20 bis 30 Millionen Euro.

Offenbar laufen aber auch so schon genug neue Geschäfte an. Das jedenfalls war kürzlich auf dem Düsseldorfer M&A-Forum des Datendienstleisters Mergermarket zu beobachten. Demonstrativ liefen Private-Equity-Leute auch während des offiziellen Programms mit surrenden Smartphones aus dem Saal, um Deals einzutüten. „Alle sind wieder beschäftigt“, stellte Hanns Ostmeier, Präsident des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, zufrieden fest.

Bei so viel Euphorie gingen die kritischen Bemerkungen eines internationalen Teilnehmers der Konferenz nahezu unter. Jedes Mal, wenn eine neue Runde von Investorengrößen auf dem Podium Platz nahm, verlangte er nach dem Mikrofon, um seine Frage erneut zu stellen: „Wer zahlt die Zeche, wenn die überteuerten Übernahmen aus den Boomjahren zum Verkauf stehen?“ Die Experten blieben alle die Antwort schuldig.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%