Produktion Chinas Tage als Fabrik der Welt sind gezählt

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Adidas-Shop in Peking Quelle: REUTERS

Trotz der Standortvorteile, die China gegenüber anderen Ländern immer noch hat, ist die Regierung in Alarmbereitschaft. Mehrere hochrangige Politiker, darunter auch Premierminister Wen Jiabao, reisten kürzlich durch die Exportzentren im Osten und Süden. Sie wollten sich in den Betrieben über das Ausmaß der Krise informieren, denn die Sorge ist groß, dass Chinas wirtschaftliche Entwicklung stockt.

Inzwischen gibt es erste Zeichen, dass die Behörden für zumindest leichte Entspannung sorgen könnten. So berichteten staatliche Medien, einzelne, bereits gestrichene Steuervergünstigungen könnten wieder eingeführt werden. Auch beim Wechselkurs des Yuan könnten die Behörden Entgegenkommen zeigen. „Das Schrumpfen der Exportzuwächse und des Handelsbilanzüberschusses dürften dazu führen, dass das Tempo der Yuan-Aufwertung in der zweiten Jahreshälfte deutlich gedrosselt wird“, sagt Sun Mingchun, Analyst bei Lehman Brothers in Hongkong.

Gut möglich, dass der Ausweg für China ganz woanders liegt, dass die Krise der Niedriglohnfertigung nur eine weitere Wachstumswelle des Riesenreichs antreibt. Denn mit der Rolle als verlängerter Werkbank der Weltwirtschaft gibt sich das Land nicht mehr zufrieden. Schon seit einiger Zeit versucht die Regierung forschungsintensivere Industrien mit höherer Wertschöpfung zu fördern.

High-Tech-Industrie genießt Steuervorteile

Unternehmen der High-Tech-Industrie genießen nach wie vor weitreichende Steuervorteile und bekommen Subventionen. Billigproduzenten aus der Textil- oder Spielzeugindustrie möchte die Regierung dagegen am liebsten aus dem reichen Osten des Landes in den unterentwickelten Westen verschieben. „Die Regierung will, dass die Provinz Guangdong nicht mehr länger Billigfertigung macht“, sagt AlixPartners-Geschäftsführer Naumann, „sondern in die höherwertige Produktion geht.“ Gelingt ihr das, wird es für westliche Unternehmen und Standorte eng. Heerscharen bestens ausgebildeter Ingenieure und Wissenschaftler verlassen Jahr für Jahr Chinas Eliteuniversitäten und brennen darauf, sich der globalen Konkurrenz zu stellen.

Es gibt erste Anzeichen dafür, dass Pekings Plan aufgehen könnte. Wie viele andere Unternehmer klagt auch Pan Fusheng über die rasant steigenden Kosten in Südostchina. Seit acht Jahren betreibt der Chinese in Shenzhen eine Fabrik mit 1000 Mitarbeitern, die Transformatoren vor allem für den Export herstellen. Kürzlich hat Pan eine neue Fabrik in der Provinz Jiangxi weiter im Landesinneren eröffnet. Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Arbeiter dort von 100 auf 1000 steigen. Die Belegschaft in Shenzhen will Pan dagegen runterfahren. „Die Arbeitskosten in Jiangxi sind 20 Prozent niedriger“, sagt der Firmenchef.

Gleichzeitig lassen sich dort, wo Pan jetzt noch billige Transformatoren baut, Unternehmen nieder, die in großem Stil Forschung und Entwicklung betreiben. Der Textilproduzent Fountain Set aus Hongkong etwa beschäftigt in der Region 100 Entwickler, die an neuen Verfahren zur Herstellung und zum Färben von Stoffen tüfteln. Vor zehn Jahren hatte das Unternehmen keinen einzigen Entwickler auf dem chinesischen Festland. „In der Vergangenheit kamen die Kunden aus der Bekleidungsindustrie mit genauen Spezifikationen der gewünschten Produkte zu uns“, sagt Direktor Gorden Yen, „jetzt fragen sie uns, was wir an Design und Entwicklung bieten können.“

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