Produktion in Russland Moskau zwingt ausländische Konzerne zu Werksgründungen

Russland zwingt immer mehr ausländische Unternehmen, vor Ort eigene Werke zu bauen.

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Putin Quelle: Picture-Alliance/dpa

So mögen Russen ihren hemdsärmeligen Premierminister: Am Steuer eines knallgelben Lada Kalina Sport rast Wladimir Putin Ende August durch den fernen Osten, gut 2500 Kilometer in drei Tagen. Auf der Strecke von Wladiwostok in die sibirische Stadt Tschita schauspielert er Bodenständigkeit, indem er den Kleinwagen aus russischer Produktion selbst betankt und zwischendurch in einer Fernfahrerspelunke Rast macht – stets begleitet von handverlesenen Journalisten.

Putin setzt sich als Macher aus Moskau in Szene. Unterwegs gibt er politische Statements im Stakkato ab. Da lohnt es sich auch für ausländische Investoren, hinzuhören. Irgendwo nahe Chabarowsk kündigt Putin bei Tempo 130 eine erneute Erhöhung der Zölle auf importierte Neu- und Gebrauchtwagen an. „Wir sind noch kein Mitglied der WHO, wir können uns das erlauben“, poltert Putin und deutet an, dass mit einem baldigen Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation nicht zu rechnen sei.

Putins Drohung fügt sich in ein wirtschaftspolitisches Konzept, das immer klarer zu erkennen ist: Russland macht die Schotten dicht. Mit einem Bündel protektionistischer Maßnahmen zwingt die Regierung ausländische Investoren zu Investitionen vor Ort. Wer am Wachstum mitverdienen will, so das Kalkül, soll lokal investieren und Werke bauen oder kaufen, Arbeitsplätze schaffen und heimische Zulieferer auslasten.

Verschärfte Einfuhrbedingungen erwartet

Deutsche Konzerne wie Siemens und Volkswagen machen zähneknirschend mit. Doch nicht bei allen Branchen lohnt sich das. Für Autozulieferer wie Bosch oder Schaeffler sind die Absatzzahlen selbst am VW-Standort Kaluga, wo sich mehrere Autobauer angesiedelt haben, zu klein, als dass sich eine Vor-Ort-Fertigung lohnen würde. Pharmakonzerne wie Bayer Healthcare könnten den 142 Millionen Russen zwar viele Medikamente verkaufen. Doch Tabletten sind klein und leicht transportierbar – dafür muss man eigentlich kein Werk vor Ort bauen. Auch für viele Mittelständler ist der Absatzmarkt zu klein, und Investitionen sind zu teuer, als dass sich die Lokalisierung lohnen würde.

Putins Politik bringt die Strategien der Investoren gründlich durcheinander. Bisher haben sie Russland überwiegend als Exportmarkt betrachtet. Jetzt sollen sie vor Ort zur Wertschöpfung beitragen. „Wir erwarten, dass die Einfuhrbedingungen in vielen Branchen sukzessive verschärft werden“, sagt Ewald Kreid, Leiter des Moskauer Büros der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG). „Wer in Russland langfristig erfolgreich sein will, sollte jetzt prüfen, ob Investitionen vor Ort Sinn machen.“

Kaufen oder bauen

Damit haben mehrere deutsche Konzerne bereits begonnen: Aktuell sondiert Bayer den russischen Markt nach Übernahmen, auch der Bau einer Fabrik ist im Gespräch. Bei Continental wird über den Bau eines Reifenwerks nachgedacht.

Im VW-Konzern gibt es Planspiele, die Kapazität der Fabrik zu verdoppeln und einige Modelle beim russischen Hersteller GAZ in Nischni Nowgorod bauen zu lassen. Dort plant auch Daimler eine Lohnfertigung. Außerdem haben sich die Schwaben beim russischen Lkw-Hersteller Kamaz eingekauft, von dessen Bändern bald deutsche Trucks laufen sollen.

Den Königsweg bei der Lokalisierung gibt es bisher nicht. VW hat auf der grünen Wiese selbst gebaut, verzweifelt aber immer wieder auf der Suche nach qualifiziertem Personal. Siemens vertraut besonders im Bahntechnikgeschäft auf Joint Ventures, obwohl sich auch die Münchner in Russland schon die Finger verbrannt haben: Vor drei Jahren scheiterte die Übernahme einer Mehrheit am Turbinenhersteller Power Machines an politischem Widerstand. E.On setzt auf Übernahmen, doch die Profitabilität ihrer Russlandtochter OGK-4 steht und fällt mit Strompreiserhöhungen, über die die wankelmütige Politik entscheidet.

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