Produktwerbung Guerilla-Methoden im Marketing

Guerilla-Marketing ist bei vielen Mittelständlern beliebt, weil es mit relativ wenig Geld einen großen Werbeeffekt erzielen kann. Deshalb gilt es als besonders geeignet für Unternehmensgründer mit schmalem Budget. Doch es lauern auch Fallen: So dürfen Unternehmer nicht dem Irrtum erliegen, dass eine gute Werbe-Idee sich von selbst verbreitet.

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Grafftit kann auch für Werbezwecke genutzt werden. Doch Vorsicht ist angebracht. Quelle: dpa Quelle: handelsblatt.com

KÖLN. Wer mit gesenktem Kopf durch Köln geht, sieht auf dem Gehweg oft die Silhouette einer Frau mit Engelsflügeln am Rücken und Pfeil und Bogen in den Händen. Der bewaffnete Engel ist das Logo des Kölner Modelabels "Armedangels" und taucht immer häufiger auch in anderen Städten auf.

Armedangels wurde im Jahr 2007 von zwei Kölner BWL-Studenten gegründet und setzt auf fair gehandelte, umweltfreundlich produzierte Materialien und soziales Engagement. Um ihre Marke bekannter zu machen, hängen die Mode-Engel keine Werbeplakate auf - stattdessen betreiben sie Guerilla-Marketing. Mit Hilfe einer Schablone und eines Hochdruckreinigers kommt der bewaffnete Engel aufs Straßenpflaster - indem der Dreck um das Bild herum entfernt wird. Farbe ist also nicht nötig. Diese Methode heißt Reverse-Graffiti, und seit Unternehmen sie vermehrt zu Werbezwecken einsetzen, sprechen Experten von solchen Aktionen als "Streetbranding".

"Wir nutzen das Unkonventionelle, um den Konsumenten anzusprechen, wenn er es am wenigsten erwartet, und werden dafür mit seiner ungeteilten Aufmerksamkeit belohnt", schwärmt Armedangels-Mitgründer und Geschäftsführer Martin Höfeler. "Bisher funktioniert diese Art von Marketing für uns sehr gut."

Guerilla-Marketing zeichnet sich dadurch aus, dass es meist nicht auf den ersten Blick als Werbung zu erkennen ist. Es soll in erster Linie aufmerksam machen - und erst auf den zweiten Blick seine Werbebotschaft offenbaren. Ob Reverse-Graffiti auf dem Bürgersteig, "gefälschte" Demonstrationen mit einer Werbebotschaft oder gar ein an einem Baukran aufgehängter Porsche, den Schaulustige abstürzen lassen können, wenn sie eine bestimmte Menge an SMS verschicken - Guerilla-Marketing will überraschend, kreativ und witzig sein.

Idealerweise wecken Guerilla-Aktionen das Interesse der Medien, die das werbende Unternehmen durch ihre Berichte dann weiter bekannt machen, oder stoßen Mund-zu-Mund-Propaganda unter den Konsumenten an. "Guerilla-Marketing soll Aufmerksamkeit bringen, die man mit klassischen Maßnahmen nicht mehr bekommen kann, weil die Kunden übersättigt sind", erklärt der Chef der auf Guerilla-Marketing spezialisierten Agentur MAKS, Thomas Patalas.

Für Unternehmensgründer wie Höfeler von Armedangels kann Guerilla-Marketing von Vorteil sein, weil sich damit im Vergleich zu Plakatkampagnen oder Fernsehwerbung mit relativ wenig Geld ein großer Werbeeffekt erzielen lässt. "Beim Guerilla-Marketing wird das Budget äußerst effizient eingesetzt. Man kann die Streuverluste klassischer Werbung vermindern", sagt Patalas. Gerade Unternehmensgründer haben meist ein schmales Budget und können es sich nicht leisten, von Anfang an einen großen Betrag für das Marketing auszugeben.

Am günstigsten sind Guerilla-Aktionen, wenn sie sich ein Unternehmen ohne die Hilfe einer teuren Agentur ausdenkt. Dafür bedarf es aber nicht nur Kreativität und Medienkompetenz, sondern auch eines soliden Konzepts. "Guerilla-Marketing muss zum Unternehmen, zum Produkt und zu den Kunden passen", mahnt Patalas. "Es muss authentisch und in ein Marketing-Konzept eingebunden sein."

Wer Guerilla-Marketing betreibt, bewegt sich zudem gelegentlich auf rechtlich dünnem Eis. Denn bei vielen Aktionen ist die Grenze zwischen Kunst, Werbung und Sachbeschädigung fließend. Unternehmer, die ohne die Hilfe einer Agentur eine Kampagne entwerfen, sollten sich zuvor versichern, dass ihre Pläne nicht mit dem Gesetz kollidieren. ("Rechtsfallen beim Guerilla-Marketing")

Rechtlich unbedenklich ist dagegen Guerilla-Marketing im Internet - wenn die Inhalte stimmen. Konsumenten selbst sollen dabei Werbebotschaften wie ein Virus an ihre Freunde und Bekannte weitergeben, die sie dann ihrerseits verbreiten - daher stammt auch der Ausdruck "virales Marketing", der in Bezug auf Web-Guerilla-Aktionen besonders oft verwendet wird.

Damit eine Werbung zum Beispiel per Mail weitergeleitet wird, muss sie überraschend, interessant oder lustig sein. "Man leitet weiter, worüber es sich lohnt, zu reden", sagt Sascha Langner, Autor des Buches "Viral Marketing" und Mitarbeiter am Institut für Marketing und Management der Universität Hannover.

Ein Beispiel für ausgeklügeltes virales Marketing im Web, das Experten heute noch oft zitieren, ist die Kampagne für den Horrorfilm "Blair Witch Project", der 1999 ins Kino kam. Die Regisseure Daniel Myrick und Eduardo Sanchez richteten vor dem Kinostart eine Internetseite ein, auf der über drei Filmstudenten berichtet wurde, die bei der Suche nach der "Hexe von Blair" verschwunden seien. Damit erweckten sie den Eindruck, ihr mit einer wackligen Handkamera aufgenommener Film sei tatsächlich das wiedergefundene Material dieser Studenten - und erreichten viele Menschen, die im Internet die Geschichte der angeblich Verschwundenen diskutierten.

Allerdings zünden nicht alle Kampagnen, die Unternehmen ins Netz stellen. "Die Erwartungen sind oft zu hoch", warnt Langner. Ohne die Hilfe einer Agentur kann hier nur erfolgreich sein, wer sowohl kreativ ist als auch viel Arbeit in die Verbreitung seiner Werbebotschaft steckt. "Nichts verbreitet sich von allein", sagt Langner. "Man muss streuen, Multiplikatoren erreichen und Weblogs, Magazine und Netzwerke einzeln anschreiben." Sein Fazit: "Virales Marketing funktioniert. Aber man sollte nicht blauäugig herangehen."

Rechtsfallen beim Guerilla-Marketing

Graffiti: Kunstvoll besprühte oder bemalte Wände sind Blickfänge mit einem gewissen Coolness-Faktor. Wer ohne Genehmigung zu Werbezwecken Graffiti im öffentlichen Raum anbringt, wird vom Gesetz allerdings nicht anders behandelt als ein Sprayer, der auf eigene Rechnung arbeitet. "So lange keine Genehmigung des Eigentümers der Fläche vorliegt, ist das Anbringen von Graffiti, wild oder kommerziell, strafbar", sagt Rechtsanwalt und Strafverteidiger Patrick Gau, der sich auf Graffiti-Verfahren spezialisiert hat. So musste der IT-Konzern IBM vor einigen Jahren eine hohe Geldstrafe zahlen, weil er im Zuge einer Werbekampagne für das Betriebssystem Linux Wände unter anderem mit dem Peace-Zeichen bemalt hatte. Die Ausnahme: Bilder, die nicht dauerhaft sind, sondern zum Beispiel mit Kreidespray angebracht werden.

Reverse-Graffiti: Bei Reverse-Graffiti wird zwar partiell gereinigt statt bemalt. Wenn die dadurch entstehenden Veränderungen allerdings dauerhaft sind, ist auch hier eine Geldstrafe oder, in Extremfällen, eine Gefängnisstrafe von bis zu zwei Jahren fällig. "Wird beispielsweise an einer Hauswand ein Graffiti durch das Entfernen von Moos mittels eines Hochdruckreinigers angebracht, ist diese Veränderung der Wand erheblich", erklärt Rechtsanwalt Gau. Bei einem Reverse-Graffito auf dem Bürgersteig dagegen, über den täglich hunderte Menschen gehen, ist die Lage unklar. "Es ist in jeden Fall eine Ordnungswidrigkeit", sagt Gau. Oft werden die Reverse-Graffiti auf Straßen aber toleriert.

Aufkleber: Freie öffentliche Flächen ohne Genehmigung mit Aufklebern oder Plakaten zu versehen, ist verboten. Beides wird als dauerhafte optische Veränderung eingestuft, weil es ohne größeren Aufwand teilweise sehr lange haften bleibt.

Nicht angemeldete Werbeaktionen: Auch wenn Guerilla-Marketingaktionen manchmal sehr spontan aussehen sollen - wer beispielsweise ein Straßentheater oder eine vermeintlich ungeplante Demonstration auf die Beine stellt, ohne eine Sondergenehmigung zu haben, muss ein Bußgeld zahlen.

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