Qualcomm Kampf um den Chip der Zukunft

Der US-Chipkonzern Qualcomm stößt mit Smartbooks in das Computergeschäft vor. Es soll eine Alternative zu Smartphones und Netbooks sein. Doch vor allem will Qualcomm die Vorherrschaft des Chipriesen Intel brechen.

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Arbeiter bei Qualcomm

Im Foyer des Hauptquartiers in San Diego präsentiert Qualcomm seine Trophäen – eine 6 Meter hohe und ungefähr 20 Meter lange Wand, die mit Patenturkunden gepflastert ist. Sie sind der Schatz von Qualcomm: Mit ihnen ist das Unternehmen innerhalb von 20 Jahren zum weltgrößten Hersteller von Mobilfunkchips aufgestiegen.

Da Qualcomm Patente kontrolliert, die das Versenden von großen Datenmengen über Mobilfunknetze erlauben, kommt kein Handyhersteller um den Konzern herum. Beim Verkauf von nahezu jedem Handy kassiert Qualcomm deshalb mit. Rund zwei Drittel seines Profits von 1,7 Milliarden Dollar stammen aus Lizenzgebühren, die von inzwischen 135 Unternehmen berappt werden.

Qualcomm greift Intel an

Mit dem so angehäuften Geld will Qualcomm-Chef Paul Jacobs nun in großem Stil ins Computergeschäft vorstoßen. Qualcomm greift mit einem Mikroprozessor namens Snapdragon den Halbleitergiganten Intel an, will eine neue Generation noch kleinerer Notebooks auf den Markt bringen und eine Spielkonsole.

Das Unternehmen hat dazu die nötige Größe: An der Börse ist Qualcomm inzwischen 75 Milliarden Dollar wert, Intel liegt bei 105 Milliarden Dollar – der kleinere Chiprivale AMD nur noch bei 2,3 Milliarden Dollar.

Gelingt der Plan, baut Jacobs die Dominanz des von seinem Vater mitgegründeten Unternehmens aus. Nicht nur in allen Handys soll künftig Technologie von Qualcomm stecken, sondern in jedem elektronischen Gerät – angefangen bei mobilen Computern, bisher die Domäne von Intel. Qualcomm inside statt Intel inside – die Konfrontation der High-Tech-Titanen ist damit unausweichlich.

Handy- und die Computerbranche wetteifern um das Web

Die Zeit für einen Machtwechsel ist günstig. Im Computer- und Softwaregeschäft verschieben sich die Kräfte: weg von traditionellen PC-Herstellern wie Dell und HP und dem Softwarekonzern Microsoft hin zu Handyherstellern wie Nokia, Research in Motion und Apple sowie dem Online-Dienstleister Google.

Der traditionelle PC mit seinen fest installierten Anwendungsprogrammen verliert an Bedeutung. Software läuft künftig mehr und mehr direkt via Internet, angesteuert von vorwiegend mobilen Geräten wie Notebooks, Netbooks und Smart-phones wie dem Blackberry von Research in Motion oder Apples iPhone.

Die Eingangspforte in diese neue Welt ist nicht mehr nur der PC-Bildschirm, sondern immer öfter der Internet-Browser und das Display des Mobiltelefons. „Die Handy- und die Computerbranche wetteifern darum, wer die erste Adresse beim mobilen Zugang ins Web wird“, sagt Analyst Brian Piccioni von BMO Capital Markets, dem Investmentarm der Bank von Montreal aus Toronto.

Vorbeugend schloss Microsoft deshalb gerade eine Allianz mit dem noch immer weltgrößten Handyhersteller Nokia. Microsofts populäres Bürosoftwarepaket Office soll in einer für Handys optimierten Variante künftig auf allen hochwertigen Mobiltelefonen von Nokia installiert und enger mit dem Internet abgestimmt werden.

Qualcomm-Chef Marc Jacobs

Dadurch ändern sich jedoch die Anforderungen für die mobilen Zugangsgeräte – die derzeitigen Bildschirme von Mobiltelefonen sind zu klein, um komfortabel im Internet zu surfen und E-Mails zu verfassen und Dokumente zu bearbeiten. Bei Notebooks klappt das wegen ihrer größeren Bildschirme und Tastaturen wesentlich besser, doch die können nicht wie Smartphones einfach in die Jackentasche gesteckt werden.

Jacobs rührt deshalb eifrig die Werbetrommel für die Qualcomm-Vision vom sogenannten Smartbook, das Ende des Jahres auf den Markt kommen soll: eine Art Zwitter zwischen hochwertigem Mobiltelefon und traditionellem Notebook – ausgerüstet mit einem größeren Bildschirm und einer Tastatur.

„Das Handy ist der künftige Computer. Es ist für uns eine natürliche Evolution“, sagt Jacobs im Interview mit der WirtschaftsWoche. „In der Zukunft wird in jedem elektronischen Gerät ein Mobilfunkchip stecken, um Informationen mit dem Internet auszutauschen.“

Dank des von Qualcomm entwickelten, Strom sparenden Snapdragon-Prozessors soll das Smartbook den Arbeitstag mit einer Akkuladung überstehen. Weil der Chip kaum Hitze entwickelt und somit keine Kühlung benötigt, können die Smartbooks sehr dünn gebaut werden. Sie sind zudem ständig entweder via Mobilfunk oder mit WLAN mit dem Internet verbunden, laden im Hintergrund E-Mails herunter.

Intel kontert den Angriff

Einen ähnlichen Plan verfolgt der Grafikkartenspezialist Nvidia aus dem Silicon Valley mit seinem Tegra-Prozessor, der besonders beim Abspielen von Videos und bei Computerspielen zur Höchstform aufläuft.

Doch Intel kontert den Angriff von Qualcomm und Nvidia auf die traditionelle PC-Bastion mit einer Erweiterung seines bereits in fast allen Netbooks eingesetzten Atom-Prozessors. Auch er soll künftig wie Qualcomms Chip direkt in der Lage sein, mit Mobilfunknetzen zu kommunizieren.

Der Halbleiterhersteller propagiert gemeinsam mit PC-Herstellern das sogenannte Netbook als den idealen Begleiter für unterwegs, um schnell mal im Internet zu surfen oder E-Mails zu beantworten. Die mit Atom-Chips ausgerüsteten Netbooks sind abgespeckte Notebooks und derzeit den von Qualcomm propagierten Smartbooks bei der Akkuleistung und dem schnellen Zugriff aufs Web unterlegen. Doch Netbooks sind derzeit das am schnellsten wachsende Segment der PC-Branche. Der Preis startet bei 300 Dollar, vielen Nutzern scheinen die Geräte zu genügen.

Ob das so bleibt, wird sich am Jahresende zeigen, wenn die ersten Smartbooks von Acer, Asus und Toshiba mit Qualcomms Chip auf den Markt kommen. Sie sollen ungefähr so viel kosten wie die Netbooks.

Chance für Microsoft und Google

Zum Erfolg der neuen Geräte könnte Google beitragen. Denn noch kranken Smartbooks daran, dass sie bis auf Linux über kein im Massenmarkt populäres Betriebssystem verfügen. Für Googles Handybetriebssystem Android oder das in Entwicklung befindliche Chrome wären die Smartbooks jedoch ideal. Doch das ursprünglich für Mobiltelefone entwickelte Android ist noch nicht für den Einsatz auf Computern ausgereift.

Das wird sich ändern und könnte Microsoft motivieren, eine Windows-Variante für Smartbooks zu entwickeln, um Google abzuwehren. Das würde den Verkauf beflügeln. Jacobs weicht der Frage aus, ob er schon mit Microsoft darüber verhandelt: „Wir reden ständig mit Microsoft.“

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