Raumfahrt Wie OHB zum Raumfahrt-Konzernschreck aufstieg

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Ein Airbus A380 fliegt Quelle: APN

OHB war für Manfred und Christa Fuchs wie der Beginn eines zweiten Lebens. Denn angefangen haben sie mit Raumfahrttechnik nicht im jugendlichen Sturm und Drang, sondern 1982, als die beiden, inzwischen in den Vierzigern, schon einiges hinter sich hatten. „Die Kinder waren aus dem Haus, und ich fühlte mich noch jung“, erinnert sich die heute 72-jährige Unternehmerin, die als Tochter einer Kaufmannsfamilie im norddeutschen Pinneberg zur Welt kam. Als ein Bekannter ihr von der damaligen Firma Otto Hydraulik Bremen erzählte, einer Reparaturwerkstatt für Geräte der Bundeswehr, wurde sie die neue Eigentümerin. Dass aus Otto Hydraulik Bremen einmal OHB werden würde und was die Firma eigentlich machte, interessierte die Entrepreneurin damals nicht. „Es hätte es auch ein Wollladensein können“, erinnert sie sich.

Statt Wolle zu verkaufen, baut Christas OHB heute mit an der europäischen Trägerrakete Ariane oder fertigt Bauteile für den Super-Airbus A380. Und statt Otto Hydraulik Bremen heißt OHB seit 2000 schick und futuristisch Orbitale Hochtechnologie Bremen-System.

Im Kern aber tickt das Unternehmen noch wie 1982. Als Analysten im Februar begeistert zum Capital Market Day nach Mailand strömten, blieb ihr Appell, die Familie möge doch weiteren Investoren mehr Chancen geben, ungehört. Im Gegenteil. Vater, Mutter und Sohn haben ihren Anteil kürzlich sogar auf 70 Prozent erhöht. Für sie ist die Börsennotierung nur ein Mittel zum Zweck. „Es beruhigt, relativ rasch Zugang zum Kapitalmarkt zu haben, wenn es nötig sein sollte. Fremdkapital dreht in schlechten Zeiten schon mal den Hahn ab“, sagt Fuchs junior Marco.

Weltraum Statt Wollladen

Die wirtschaftliche Basis von OHB ist und bleibt die Familie. „Wir haben keine ernsthafte Projektvorfinanzierung und sind mit liquiden Mitteln von fast 80 Millionen Euro in der Lage, alle wesentlichen Investitionen aus eigenen Mitteln zu finanzieren“, sagt der Sohn der Gründerin im Jargon des Finanzexperten. Im Klartext heißt das aktuell zum Beispiel: Die Grundstücke neben der Firmenzentrale an der Universitätsallee, die OHB für den Bau der Himmelskörper von Galileo und Meteosat benötigt, gehören der Familie und werden von OHB angemietet.

Auch die Seele des Unternehmens ist die Familie. Die Mitglieder des Dreigestirns an der Spitze ergänzen sich fast perfekt. Vater Manfred ist der Visionär und Technikchef, Mutter Christa hingegen die kühle und kritisch rechnende Aufsichtsratsvorsitzende. Sohn Marco schließlich führt als Vorstandschef das operative Geschäft. Als Anwalt einer New Yorker Großkanzlei lernte er, wie große Firmenübernahmen funktionieren, und wurde fähig zum Kompromiss.

Besucher der Konzernzentrale an der Bremer Universität fasziniert das Tempo der drei „Füchse“, wie sie die Belegschaft nennt. Fragen rufen sie sich von ihren kleinen Vorstandsbüros über den Flur des Rondells im dritten Stock des Hauptgebäudes zu – und klären sie meist direkt.

Ebenso faszinierend ist der Zusammenhalt. Bürofehden sind Mangelware, auch der Zwist zwischen Vater und Sohn – in vielen Familienunternehmen das Dauerthema – fällt bei OHB aus. Bei Konflikten scheinen Herzlichkeit und Zutrauen einer funktionierenden Familie die Oberhand zu behalten. Klären sich Fragen nicht im Büro, dann vielleicht gegenüber in der Kantine der Bremer Siemens-Niederlassung, wo die Familie wie alle OHB-Mitarbeiter mangels einer eigenen Betriebsküche Mittag isst. Oder es geht weiter abends zu Hause beim Wein oder in Südtirol, dem Rückzugsgebiet, wo sich die Familie zu Kurzurlauben trifft.

Ein solcher Weg war der Fuchs-Sippe nicht unbedingt vorgezeichnet. Vater Manfred arbeitete ursprünglich als Direktor für Raumfahrt bei der früheren Daimler-Tochter MBB Erno, einem EADS-Vorläufer. 1985, drei Jahre nachdem seine Frau die OHB erwarb, schlug er ihr auf seiner Silberhochzeitsreise vor, ihr Angestellter zu werden. Mit deren strengen, aber sympathischen Einwänden, war er sicher, würde er besser leben als im hierarchischen Daimler-Konzern. Dort war er zwar als Vater des Raumfahrtlabors Columbus hoch angesehen. Doch mit seinen Vorschlägen scheiterte er oft an den lähmenden Prozessen und Vorgesetzten.

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