Reisemanagement Den Reiseeinkauf richtig organisieren

Die Mobilitätsaufwendungen der Unternehmen sind einer der größten Kostenblöcke. Doch mit einem schlagkräftigen und gut durchorganisierten Reisemanagement lassen sich die Kosten im Griff halten. Wie Einkauf und Organisation von Geschäftsreisen im Unternehmen optimiert werden können und welche Veränderungen anstehen.

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Flughafen München: Die Quelle: dpa

Früher gab es in Unternehmen mit vielen Geschäftsreisenden eine Reisestelle. Die buchte Flüge und Hotels, manchmal selbst, manchmal mit Hilfe eines Reisebüros. Viel falsch machen konnte man dabei nicht, weil Flugtarife überall identisch waren. Theoretisch zumindest – wie gut ein Reisestellenleiter war, zeigt sich an seinem Geschick, mit Fluggesellschaften Rabatte oder Rückvergütungen auszuhandeln.

Bei Autovermietern und Hotelkonzernen war das einfacher, die boten meist von sich aus Prozente gegen Geschäft an – und längst nicht immer wurde mit Sanktionen bestraft, wer die in den Verträgen festgelegten Umsätze nicht schaffte. Vor, während und nach der Reise waren die Reisestellen außerdem Ansprechpartner für die Reisenden selbst, ansonsten kontrollierten sie Rechnungen und Lieferscheine und achteten darauf, dass stornierte Tickets gutgeschrieben wurden.

Überblick über Flugtarife ist schwierig

Mittlerweile hat sich das Geschäft grundlegend geändert. Flugtarife gibt es so viele, dass der Überblick längst abhanden gekommen ist, zumal sie sich ständig ändern. Gebucht wird nicht mehr wie früher über Telefon oder Fax und Reisebüro sondern vor allem über das Internet – direkt bei der Airline, über ein Reiseportal oder über eines der speziell für Geschäftsreisende entwickelten Online-Buchungssysteme.

Grafik: Wie viel in deutschen Unternehmen gereist wird und was das kostet

Anders als früher leben die Reisebüros nicht mehr von den Ticketprovisionen – mittlerweile zahlen Firmenkunden Gebühren für jede Leistung. Rabattverträge mit Airlines, Hotels und Autovermietern gibt es immer noch – aber inzwischen kontrollieren die Reiseanbieter, ob die vom Kunden in Aussicht gestellten Umsätze wirklich erreicht werden. Bezahlt wird nicht mehr durch Überweisung nach Rechnung sondern mit Kreditkarte. Und kontrollieren muss eigentlich keiner mehr – wo es wirklich ein lückenloses System ohne Medienbrüche gibt, geht das automatisch. Im Idealfall zumindest.

Den anzustreben ist eine Lebensaufgabe. Was bedeutet das für das Reisemanagement? Der Reisestellenleiter heißt inzwischen Reisemanager, und meist hat er deutlich weniger Personal als früher. Und es gibt Kritiker, die halten auch den Reisemanager für entbehrlich und plädieren dafür, alles, was mit Geschäftsreisen zu tun hat, aus dem Haus zu geben und an einen externen, meist billigeren Dienstleister auszulagern.

Diese Meinung teilt Peter Schmid, Prinzipal der auf strategischen Einkauf und Lieferkettenmanagement spezialisierten Unternehmensberatung BrainNet nicht. „Um das strategische Fundament, also um die Aufsetzung der Prozesse für Reisegenehmigung, Buchung, Einkauf, Abrechnung oder Kommunikation, muss sich jemand aus dem Unternehmen kümmern“, fordert Schmid, „ob der den Titel Travel Manager hat, ist nicht entscheidend.“

Grafik: Wie lange Geschäftsreisen dauern

Auch die taktischen Aufgaben, also etwa die Formulierung einer Reiserichtlinie, das Aushandeln von Rabatten oder speziellen Preisen mit Fluggesellschaften oder Hotels sollten unternehmensintern erfolgen. „Dafür braucht man aber nicht unbedingt einen  Reisemanager, das kann auch ein guter Einkäufer mit der notwendigen Fachkenntnis machen“, sagt Berater Schmid. Bei den operativen Dingen, also etwa der Buchung komplizierter Reisen mit mehreren Zielen und häufigem Umsteigen, der Reisekostenabrechnung oder dem Reporting plädiert Schmid für das Outsourcing an ein Reisebüro.

Dirk Gerdom, Präsident des Verbandes Deutsches Reisemanagement (VDR) und im Hauptjob Travel Manager des Software-Produzenten SAP, sieht das im Prinzip genauso. „Es muss jemanden im Unternehmen geben, der beim Thema Geschäftsreisen für Prozesse und Einkauf verantwortlich ist – wie sich der nennt und ob er hierarchisch zur Einkaufsabteilung oder zum Bereich Personal gehört, ist unerheblich.“ Wichtig sei vor allem, dass die Reisenden selbst sich vollkommen auf den Zweck ihrer Dienstreise konzentrieren können und dass sie bei ihren Reisevorbereitungen Rechtsicherheit haben.

Nachhaltigkeitsüberlegungen spielen immer mehr eine Rolle

Dafür sorgt die Reiserichtlinie, in der zum Beispiel geregelt ist, bei welchen Anlässen überhaupt gereist werden darf, wie das Genehmigungsprocedere aussieht und wie gereist wird. Vor allem der erste Punkt gewinnt immer mehr an Bedeutung: „Nicht nur aus Kostengründen, auch aufgrund von Nachhaltigkeitsüberlegungen werden Geschäftsreisen heute kritischer gesehen als früher“, hat Berater Schmid beobachtet.

Grafik: Wie sich die Reisekosten verteilen

Viele Unternehmen sind mittlerweile dazu übergegangen, bei internen Routine-Treffen mit identischem Teilnehmerkreis auf Telefon-, Web- oder Videokonferenzen umzusteigen. VDR-Chef Gerdom: „Auch etliche mittelständische Unternehmen haben inzwischen in solche Techniken investiert – das spart nicht nur Reisekosten, das ist auch besser für die Umwelt.“ Sowieso sei es einer der Trends im Reisemanagement, Instrumente zu schaffen, mit denen die Notwendigkeit von Dienstreisen im Voraus beurteilt werden könnte. „Dazu brauchen wir Kennzahlen, die den Return-on-Investment jeder Reise abbilden“, fordert Gerdom, „dann erübrigt sich auch die unerfreuliche Diskussion, wann und wo Business Class geflogen werden darf.“

Die Frage nach der jeweils erlaubten Flugklasse – und auch, welche Hotelkategorie, welche Bahnklasse oder welche Mietwagengruppe genutzt werden darf – wird in der Reiserichtlinie geregelt. Wichtig, wie bei allen Fragen des Dienstreisemanagements: „Die Reiserichtlinie braucht das Plazet von ganz oben“, sagt Gerdom, „ohne das ausdrückliche Mandat der Geschäftsführung wird es sehr schwer, allgemein gültige Regeln durchzusetzen.“ Ebenfalls ein Problem in vielen Unternehmen: „Manche erliegen einer Regelungswut und das bringt gar nichts.“

Gerdom weiß, wovon er spricht: Der erste Entwurf der SAP-Reiserichtlinie hatte noch knapp 80 Seiten – und damit mehr, als die meisten Adressaten bereit sind zu lesen. Nach der Überarbeitung sind es jetzt noch gut 20 Seiten. „Man kann nicht alles regeln, auch die Eigenverantwortung spielt eine Rolle. Es kommt darauf an, den Reisenden einen gewissen Ermessensspielraum zu lassen.“

Grafik: In welcher Klasse Geschäftsreisende fliegen

Die Richtlinie sollte nicht nur die Reisequalität regeln, also wie gereist wird, sondern auch, welche Anbieter genutzt werden, sonst machen Verträge mit Hotelketten oder Fluggesellschaften wenig Sinn. „Die Vertragspartner verlangen von ihren Firmenkunden entsprechende Volumina, wenn sie ihnen bei den Preisen entgegen kommen“, erklärt Gerdom.

Doch die exakte Steuerung der Reiseumsätze auf bestimmte Anbieter funktioniert nur in den wenigsten Unternehmen. Teilweise klappt es nicht, die Dienstreisenden zur Nutzung bestimmter Fluglinien oder Hotels zu veranlassen, weil bei den Betroffenen die Einsicht fehlt – was meist eine Folge mangelnder Unterstützung von ganz oben ist. Teilweise hat sich auch ein regelrechter Sport bei Reisenden wie bei Sekretariaten entwickelt, die vom Einkauf ausgehandelten Tarife durch eigenes – manchmal stundenlanges – Suchen im Internet zu unterbieten.

Manche Unternehmen arbeiten ohne Verträge und Abmachungen

Manche Unternehmen haben daraus schon die Konsequenzen gezogen und verzichten völlig auf Verträge und Abmachungen: „Sie kaufen nach dem Best-buy-Prinzip zu Tagespreisen ein, was sie gerade brauchen“, erläutert Gerdom. Der VDR-Präsident sieht in diesem Travel-Management-on-Demand eine unter mehreren Varianten, wie Unternehmen ihren Geschäftsreisebereich zukünftig aufstellen könnten. Das sei zwar manchmal mit Problemen für die Lieferanten verbunden, für Unternehmen, die mangels Volumina nicht in der Lage sind, eigene Preise auszuhandeln, sei das Ganze aber eine Chance.

Grafik: Wie die Reiseunternehmen auf die Krise reagiert haben

Wer doch lieber selbst verhandeln will, muss versuchen, auf möglichst große Mengen zu kommen. Gerdom rät in dem Fall zur Einbeziehung der Veranstaltungsplanung in das Reisemanagement – „natürlich nur, was den Reiseeinkauf angeht, für die Programmgestaltung bleiben selbstverständlich Marketingabteilung oder Vertrieb zuständig.“

BrainNet-Berater Schmid sieht das genauso und plädiert darüber hinaus dafür, auch das Fuhrparkmanagement in den Aufgabenbereich des Reisemanagements zu integrieren, zumal dieses Geschäft bei vielen Gelegenheiten mit dem Mietwagenmanagement verschmilzt – etwa, wenn dienstwagenberechtigte Mitarbeiter noch in der Probezeit sind oder wenn der neue Dienstwagen erst mit Verspätung ausgeliefert wird und eine Übergangslösung notwendig ist.

Für VDR-Chef Gerdom gibt es außerdem Handlungsbedarf bei der Abgrenzung von Dienst- und Privatreisen: „Genauso, wie viele Geschäftsreisende während ihres Urlaubs ab und an geschäftlich telefonieren oder mal an einer Web-Konferenz teilnehmen müssen, verschwimmen auch die Grenzen zwischen Geschäfts- und Urlaubsreise, weil die Mitarbeiter am Dienstreiseziel um ein paar Urlaubstage verlängern.“ Normalerweise sei das kein Problem, so lange der zeitliche Anteil der Privatreise unter 40 Prozent bleibt – allerdings würden das die jeweiligen Finanzverwaltungen unterschiedlich sehen. „Da brauchen die Mitarbeiter Rechtssicherheit.“

Noch keine Lösungsoption haben die Unternehmen für ein Problem, das die neuen Smart-Phones mit ihren zahlreichen sogenannten Apps verursachen. Die kleinen Anwendungsprogramme bieten mittlerweile auch eine ganze Reihe von Funktionen für Geschäftsreisen - etwa Buchung und Check-in bei bestimmten Fluggesellschaften oder Hotel- und Mietwagenreservierungen: „Das ist für den Reisenden bequem, hat aber für die Unternehmen den Nachteil, dass solche Aktionen außerhalb der definierten Prozesse laufen“, sagt Gerdom. „Da sind die Travel Manager gefordert: Wir müssen einen Weg finden, um diese Apps in die bestehende Prozesslandschaft zu integrieren.“

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