Riskante Expansion Billigriese Netto lehrt die Discounter das Fürchten

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Zentrallager in Ponholz Quelle: Martin Hangen für WirtschaftsWoche

Nicht viel anders geht es zu, wenn Pröls’ Adlatus Rudolf Mauser, der nationale Vertriebschef von Netto, sich auf den Weg zur Regalvisite macht. Wie Napoleon stürme "Mausi", so sein Spitzname bei den Beschäftigten, in die Märkte und zücke seine Kamera, um mögliche Mängel akribisch festzuhalten, erinnern sich ehemalige Verkaufsleiter. Wird "Mausi" fündig, gebe es richtig Krach. Im Zweifel würden die zuständigen Verkaufs- und Gebietsverkaufsleiter samt ihrem Vorgesetzten, dem Regionalvertriebsleiter, in die Zentrale beordert – gerne auch am Samstag ab sieben Uhr.

"Frühstück in Ponholz" heißt das Ritual intern, wobei der Geselligkeitsgrad überschaubar bleibt. Aufgetischt werden bei den Treffen gerne Filial-Fotos von gammligem Obst oder nicht ganz so frischer Wurst. Die Phonstärken der Ansprachen der Netto-Top-Manager seien legendär, berichten die Vorgeladenen. Die Redner selber empfinden das offenbar anders. "Da geht es nicht lautstark zu", sagt Netto-Chef Pröls, "sondern in einem vernünftigen Ton."

Möglichkeiten zum Vergleich fehlen

Möglicherweise fehlt es den Netto-Spitzenmanagern inzwischen an Möglichkeiten zum Vergleich mit anderen Unternehmen. Seit Jahren verändert sich kaum etwas in der personellen Zusammensetzung der Geschäftsleitung. Auch aus dem Plus-Management rückte niemand auf, und so blieben die Herren aus Ponholz unter sich. Claus Leitl kümmert sich um das IT-System, Martin Schnellinger steuert die Logistik, und Manfred Karl darf sich mit dem Titel Expansionsverantwortlicher schmücken. Netto-Chef Pröls zeichnet im Führungsquartett für Einkauf und Vertrieb verantwortlich. Er ist ein echter Veteran im Unternehmen. Pröls wechselte vor 26 Jahren von Edeka zu Netto und war schon bei der Eröffnung der ersten fünf Geschäfte des Billigheimers in Regensburg dabei.

Pröls führt zwar das Tagesgeschäft, die Richtung gaben jedoch stets andere vor: Heute wachen offiziell neun Verwaltungsräte über Netto, darunter etwa Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, der Edeka-Aufsichtsratsvorsitzende Adolf Scheck und sein Vorstandschef Mosa.

Eine undurchsichtige Rolle bei Netto spielt aber nach wie vor Rudolf Schels, 61, der Gründer von Netto. Selbst Branchenkenner müssen bei dem Namen meist passen. Schels gehört zur Spezies jener Geheimniskrämer, die sich – wie Lidl-Gründer Dieter Schwarz oder der Drogist Anton Schlecker – aus der Öffentlichkeit fernhalten, deren Einfluss aber kaum zu überschätzen ist. Jahrelang prägte Schels Netto, bestimmte den Expansionskurs und die Führungsstruktur. "Wenn Schels gesagt hätte, wir sollen Schlitten verkaufen, dann hätten wir das gemacht – egal, ob Sommer oder Winter", beschreibt ein früherer Manager das Klima.

Obwohl Schels seine Netto-Geschäftsanteile schon vor Jahren verkauft hat, ist er bei Netto weiter präsent. Er führt die Geschäfte der Immobiliengruppe Ratisbona, die ihren Sitz direkt in der Netto-Zentrale hat. Die Gruppe ist nach eigener Darstellung einer der "führenden" Bauträger im Handel. In einer knapp drei Jahre alten Unternehmenspräsentation heißt es stolz, Ratisbona habe insgesamt 800 der damals 1300 Netto-Standorte errichtet.

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