Rückzug aus dem Baltikum Lidl scheitert im hohen Norden

Der deutsche Discounter Lidl ist mit seinen Expansionsplänen in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen gescheitert. Wie das Unternehmen aus Neckarsulm dem Handelsblatt bestätigte, werde man alle bereits erworbenen Grundstücke im Baltikum wieder veräußern. Auch in Skandinavien läuft die Expansion des Discounters nicht wie geplant.

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Lidl wird erpresst. Foto: AP

STOCKHOLM. Das „i“ im Logo hängt weltweit schief. In Nordeuropa gilt das auch für den Haussegen: Der deutsche Discounter Lidl hat einen herben Rückschlag bei seiner Expansion in Europa einstecken müssen. Lidl wird seine bereits erworbenen rund 50 Grundstücke in den baltischen Ländern Estland, Lettland und Litauen wieder abstoßen. Das bestätigte ein Lidl-Sprecher dem Handelsblatt. „Der Markt ist einfach zu klein“, sagte der Sprecher. Warum dem Unternehmen diese Erkenntnis erst jetzt, drei Jahre nach dem Erwerb der Grundstücke, kommt, bleibt unbeantwortet. Experten sind sich einig, dass Lidl nach dem Kauf der Grundstücke zu langsam agierte. „Mittlerweile ist die Konkurrenz einfach zu groß“, sagt Thomas Svaton, Chef des schwedischen Einzelhandelsverbandes. Der für seine Geheimniskrämerei bekannte Discounter will nichts zu den bisher getätigten Investitionen im Baltikum sagen. „Wir können nicht zu allem und jedem die Hosen herunterlassen“, sagte der Lidl-Sprecher am Stammsitz des Unternehmens in Neckarsulm. Nach Ansicht von Immobilienexperten in Estland wird Lidl angesichts eines Immobilien-Booms mit den Verkaufserlösen einen Großteil der bisherigen Investitionen kompensieren. „Sie werden erheblich höhere Preise für ihre Grundstücke erhalten“, schätzt Igo Sagri vom estnischen Immobilienmakler Ober-Haus. Allein in Estland hatte das deutsche Unternehmen seit 2002 etwa 30 Grundstücke erworben und bereits Personal eingestellt. Der jetzt eingeleitete Rückzug ist für den deutschen Supermarkt-Riesen nur einer von mehreren Rückschlägen bei der Nordeuropa-Expansion. Abgesehen von Finnland, wo der Konzern mittlerweile 101 Geschäfte mit Erfolg betreibt, läuft das Geschäft nicht so, wie sich das die Neckarsulmer vorgestellt haben. In Schweden hat der Discounter seit seinem Start vor drei Jahren bereits viermal den Geschäftsführer gewechselt. Die Lidl Sverige AB kämpft mit 111 Läden gegen eine übermächtige Konkurrenz: Die etablierten Ketten ICA, Coop und Axfood mit einem gemeinsamen Marktanteil im Lebensmittelsektor von etwa 90 Prozent haben direkt nach dem Markteintritt von Lidl 2003 eine Gegenoffensive mit eigenen Billig-Läden gestartet.

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Im September kam das deutsche Unternehmen nach Berechnungen des schwedischen Einzelhandelsverbandes auf einen Marktanteil von gerade einmal 2,2 Prozent. „Sie kommen recht langsam voran“, bestätigt Mikael Cronholm, Analyst beim Forschungsinstitut des schwedischen Handels. Und auch Einzelhandels-Verbandschef Svaton rechnet damit, dass der deutsche Discounter „noch fünf bis zehn Jahre benötigt, um sich richtig zu etablieren“. Finanziell ist das Schweden-Abenteuer für den Discounter bislang eine Katastrophe: Zwischen September 2003 und Februar 2005 machte das Unternehmen einen Verlust von 834 Mill. Kronen (90,5 Mill. Euro). Einziger Lichtblick in der Bilanz für 2004/05 ist der deutlich auf 2,2 Mrd. Kronen (239 Mill. Euro) gestiegene Umsatz. Lehrgeld musste das erfolgsverwöhnte Einzelhandelsimperium auch in Norwegen und Dänemark zahlen. So gab die dänische Lidl-Tochter jetzt zu, dass die Ladenfläche bei allen neuen Geschäften von den üblichen etwa 1 300 Quadratmetern auf 1 000 Quadratmeter reduziert werde. Außerdem wird Lidl in diesem Jahr deutlich weniger Filialen eröffnen. In Norwegen, wo Lidl 2004 an den Start gegangen ist und bis Ende dieses Jahres 74 Läden öffnen wollte, wird man nicht einmal 50 Filialen schaffen. In allen drei Ländern musste der Discounter zudem sein Konzept völlig überdenken: Die skandinavischen Kunden wollen Markenartikel, keine No-Name-Produkte. Deshalb hat Lidl den Anteil einheimischer Markenprodukte am Sortiment auf etwa 40 Prozent verdoppelt.

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