Rüstung Deutschlands Waffenindustrie wagt sich aus der Deckung

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EADS-Rüstungsvorstand Stefan Quelle: AP

Darum sind selbst Umsatzrückgänge bei klassischem Kriegsgerät für die Branche keine Schreckensnachrichten mehr. Bekommen die Unternehmen in einem Bereich keine Aufträge mehr, expandieren sie woanders. Auch für die Mitarbeiter ist das kein großer Schrecken, denn dank des Mangels an Fachkräften und besonders an Ingenieuren kommen fast alle in anderen Abteilungen oder Unternehmen unter.

Allerdings leide der Standort Deutschland, meinen Branchenvertreter, sollten bestimmte Aufträge etwa aus Geldmangel in den öffentlichen Kassen ausbleiben. „Wenn ein Unternehmen in einem Bereich wie der Zukunftstechnologie Drohnen keine Aufträge mehr bekommt, machen die den Bereich dicht, und am Ende hat Deutschland hier den Anschluss verpasst und muss künftig im Ausland einkaufen“, warnt Stefan Zoller, Chef von Cassidian, der Rüstungssparte des europäischen Branchenriesen EADS.

Deutschland ist die Nummer drei nach den USA und Russland

Dass deutsche Rüstungsfirmen zu wachsen verstehen, obwohl die heimische Armee spart, haben sie in den vergangenen Jahren mehr oder weniger im Stillen vorexerziert. Arbeiteten sie noch vor zehn Jahren weitgehend für die Bundeswehr, gehen heute 70 Prozent der Produktion ins Ausland. Laut einer Statistik des renommierten schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri hat die deutsche Rüstungsbranche in den Jahren 2005 bis 2009 den Wert ihrer Ausfuhren im Vergleich zu 2000 bis 2004 verdoppelt. Rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr und ein Weltmarktanteil von elf Prozent machen Deutschland zur Nummer drei – nach den USA und Russland, aber erstmals vor Frankreich und Großbritannien.

Zugleich haben sich Unternehmen und Produkte weitgehend gewandelt. „Die klassische Rüstungsbranche gibt es fast gar nicht mehr“, sagt Verbandspräsident Prinz zu Waldeck. Statt der groben Tötungsgeräte des Kalten Kriegs wie Kampfpanzer à la Leopard 2 dominiert das Angebot nun High Tech. Das reicht vom fast unhörbaren U-Boot 214 von ThyssenKrupp über die extrem treffgenaue Iris-T-Rakete von Diehl bis zu skurrilen Wundermitteln wie dem Unterwasserroboter SeaOtter von Atlas Elektronik, der selbst in trübsten Gewässern mehrere Hundert Meter weit sehen kann. Dazu kommen hochwertige Einzelteile wie Panzersitze von Autoflug oder die stark belastbaren Getriebe von Renk.

„Damit hat Deutschland in vielen Fällen eine Alleinstellung, sodass selbst die sonst bei Importen sehr zurückhaltenden USA diese Güter kaufen müssen, wenn sie ihre Soldaten optimal schützen wollen“, sagt Daniel Darling vom amerikanischen Marktforschungsinstitut Forecast International.

Diesen Erfolg verdankt die Branche – anders als in anderen Ländern – am wenigsten der Politik. Zwar arbeiten in der Rüstungsindustrie nach 20 Jahren Sparkurs immerhin noch rund 80 000 Menschen – plus mehrere Zehntausend bei mehrheitlich zivilen Helfern. Die Deutsche Bahn und die Deutsche-Post-Tochter DHL (Branchenspott: „Deutsche Heeres Logistik“) leisten für die Militärs Transportdienste. Das Softwarehaus IDS Scheer liefert Computerprogramme und Siemens Brennstoffzellen für U-Boote.

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