Russische Investoren Väterchen Frust aus Russland

Opel ist der dickste Brocken, den russische Investoren in Deutschland bisher ergatterten. Die meisten von ihnen bringen viel Geld, die wenigsten können deutsche Firmen sanieren.

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Gießerei-Geschäftsführer Hoffmann: Der Chef der Luitpoldhütte kommt klar mit den Russen. Sie öffnen ihm Märkte im Osten und halten sich aus dem Tagesgeschäft heraus Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Eine Hiobsbotschaft ereilte François Hoffmann Ende 2007. Die Pariser Investorengruppe Farinia, die den Franzosen als Geschäftsführer eingesetzt hatte, will die Luitpoldhütte an einen russischen Investor verkaufen. Schon bald würde die 1883 gegründete Gießerei in Amberg in der Oberpfalz einem neuen Mehrheitsaktionär namens Agromasch-Holding gehören. Agro was, Holding wer? 

Heute weiß Hoffmann, dass alle Befürchtungen unbegründet waren. Der Unbekannte aus dem Osten, ein Maschinenbaukonzern aus Tscheljabinsk am Ural-Gebirge, erweist sich als Glücksfall für ein Unternehmen, das vor gut zehn Jahren fast dem Untergang geweiht war. Hoffmann, 51, ist immer noch Vorstandschef. „Die lassen uns im Management alle Freiheiten, niemand redet mir rein“, sagt er. Zugleich hofft er auf einen gigantischen Markt, den ihm Agromasch als größter Landmaschinenhersteller auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion erschließen will. Denn die Oberpfälzer haben sich auf Gussteile für Traktoren spezialisiert. „Wir haben viele neue Aufträge in Aussicht und können auf einen Markt springen“, sagt Hoffmann, „der nach der Krise wieder boomen wird.“

Russen als Retter angeschlagener Unternehmen – die Hoffnung hat Hochkonjunktur in Deutschland, seitdem vor Kurzem die staatliche Moskauer Sberbank und der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna den Zuschlag erhielten, bei Opel mit jeweils 27,5 Prozent einsteigen zu dürfen. Eine Million Autos wollen die künftigen Opel-Eigner in Russland verkaufen und die Marke mit dem Blitz dadurch in die schwarzen Zahlen steuern – für viele Skeptiker eine überzogene Erwartung.

Bisherige Erfahrungen kaum übertragbar

Aus den bisherigen Erfahrungen mit Russen lassen sich indes kaum Prognosen ableiten, wie das Opel-Abenteuer unter der Ägide von Sberbank-Chef German Gref und Magna-Gründer Frank Stronach ausgehen könnte. Dazu sind die Rollen zu vielfältig, die Investoren aus Russland bisher spielten, wenn sie ihr Geld in Firmen im deutschsprachigen Raum stecken. Fest steht nur: Russen in Deutschland sind keine Sanierer. „Sie gehen nicht wie ein Finanzinvestor in ein Unternehmen rein, machen es fit für den Markt, um es dann mit Rendite wieder abzustoßen“, erklärt Uwe Kumm die Strategie. Dafür fehle den russischen Managern die Erfahrung, meint der Leiter des Moskauer Büros der Unternehmensberatung Roland Berger. In der Heimat könnten sie im Zweifel höhere Renditen erwirtschaften.

Wie der Opel-Deal ist der Einstieg in deutsche Unternehmen für viele Russen fast immer von politischer und strategischer Bedeutung. Es geht um Know-how und Managementerfahrung. Deshalb konnte die Krise die Einkaufstour russischer Investoren nicht stoppen, machte alle paar Monate einer von ihnen als Firmenaufkäufer von sich reden: Im August übernahm Viktor Jussufow, Aufsichtsrat des Moskauer Gaskonzerns Gazprom, die bankrotte Wadan-Werft, im April kaufte sein Landsmann Alex Knaster den Zulieferer TMD Friction aus der Insolvenz.

Das ist erst der Anfang. „Russlands Unternehmen internationalisieren sich“, erklärt Sergej Nikitin von der russischen Handelskammer in Berlin, „da ist es logisch, dass sie sich auch auf dem deutschen Markt nach Zukäufen umschauen.“ Doch was geschieht dann? In erster Linie bringen die Russen Geld mit, was einem insolventen Betrieb wie der Wadan-Werft zunächst Luft zum Überleben verschafft. Im Idealfall öffnen die Investoren auch Tür und Tor zu dem längst nicht gesättigten russischen Markt, auf den auch Opel setzt. Derweil gilt für sie die umkehrte Variante des einstigen DDR-Lobs auf die Sowjet-Genossen: Vom Westen lernen heißt siegen lernen.

Lernen vom Exportweltmeister

So wie der marode russische Autohersteller GAZ über seinen Großaktionär Sberbank von den Opelanern Unterstützung beim Aufbau einer modernen lokalen Fertigung erhalten will, hoffen auch andere von den Exportweltmeistern zu lernen. „Die Russen wollen verstehen, wie wir in Deutschland fertigen und wie wir unsere Betriebe managen“, sagt Roland-Berger-Berater Kumm. Und das sei ja an sich nicht schädlich. Trotzdem sorgt die russische Offensive in Deutschland bei manchem für Angst, weil sie fürchten, der russische Staat ziehe industrielles Know-how an sich. Nicht zu Unrecht, meint der Ökonom Wolfram Schrettl, der am Osteuropainstitut der FU Berlin lehrt: „Bei russischen Investoren ist nie ganz klar, wie stark sie unter dem Einfluss des Staates stehen.“ Am künftigen Opel-Großaktionär Sberbank etwa hält die russische Zentralbank die Mehrheit. Bankchef German Gref steht Gewehr bei Fuß, wenn der Kreml einen Deal wie Opel finanzieren will.

Vorbehalte wecken private Investoren oft selbst, indem sie sich in dubiosen Steueroasen ansiedeln. Die Schweizer Renova-Gruppe des russischen Milliardärs Viktor Wekselberg, die die Schweizer Technologiekonzerne Oerlikon und Sulzer kontrolliert, ist über Umwege auf den Bahamas registriert. „Das hat nicht nur steuerliche Gründe“, gesteht Thomas Borer-Fielding, der frühere Schweizer Botschafter in Berlin, heute Mitglied im Renova-Verwaltungsrat. „Manche Investoren wollten sich auf diese Weise einem ungerechtfertigten Zugriff des russischen Staates entziehen.“

Tabelle: Russische Investoren in Deutschland

Borer-Fielding unterstellt den Russen nichts Negatives: „Investoren wie Viktor Wekselberg kaufen im Ausland Firmen mit Know-how, um mit ihnen auf dem russischen Markt zu expandieren.“ Russland brauche High-Tech aus dem Westen, um die Modernisierung der eigenen Wirtschaft voranzutreiben. „Es handelt sich keineswegs um einen Transfer in dem Sinne, dass Schweizer oder deutsches Know-how nach Russland abfließt.“ Der Marschbefehl für die Auslandsexpansion russischer Firmen kommt von ganz oben. Premierminister Wladimir Putin ermuntert die Lenker großer Konzerne immer wieder, durch Zukäufe im Westen Expertise in Russland nutzbar zu machen. Schon vor drei Jahren prophezeite Putin bei einem Besuch in Berlin: „Wir kommen nicht mit Kalaschnikows, sondern mit Geld.“

Trotzdem steckt nicht immer eine durchdachte Strategie dahinter, wenn sich russische Investoren bei deutschen Unternehmen einkaufen. Das zeigt der Fall der russischen FLC West, eines Staatsfonds, der unter der Kontrolle des russischen Flugzeugbauers OAK steht. FLC-Chef Andrej Burlakow übernahm vor einem Jahr die bankrotte Wadan-Werft, schaffte aber keine Aufträge herbei und hielt seine Finanzierungszusagen nicht ein.

Im August verlor Insolvenzverwalter Marc Odebrecht die Geduld mit dem unzuverlässigen Sanierer und reichte die Werft dem nächsten Russen weiter, diesmal an den Gazprom-Mann Viktor Jussufow und dessen 28-jährigen Sohn Vitalij. Ein Beigeschmack blieb: Mit seinem gescheiterten Landsmann hat der neue Investor zwar nichts zu tun, doch auch bei Jussufow ist völlig unklar, aus welchen Quellen er die rund 40 Millionen Euro für den Kauf beschafft hat.

Missratene Projekte werfen schlechtes Licht auf russische Investments

Missratene Projekte wie der erste Anlauf der Wadan-Rettung werfen ein schlechtes Licht auf russische Investments. Das gilt auch für den Rückzug des Oligarchen Oleg Deripaska, der seine Anteile an der österreichischen Baufirma Strabag und ihrem deutschen Konkurrenten Hochtief wieder verkaufte. Das lag zwar an der Finanzkrise, die Deripaska in Geldnöte stürzte und zwang, seine größeren Beteiligungen außerhalb des Kerngeschäfts unter großen Verlusten abzustoßen. Dennoch sind die Manager bei Hochtief und Strabag frustriert: Keiner der beiden Baukonzerne konnte von Deripaskas Kurzzeitbeteiligung profitieren. Die Milliarden, die im Schwarzmeer-Kurort Sotschi für die Winter-Olympiade 2014 verbaut werden, teilen sich russische Wettbewerber untereinander auf.

Es gibt auch russische Großinvestitionen, die an deutschem Widerstand scheitern. Der private Sistema-Konzern etwa musste vor zwei Jahren die Bemühungen um einen Einstieg bei der Deutschen Telekom abblasen, weil es sofort politische Proteste hagelte. Jetzt wurde über ein Interesse des Technologie-Riesen, bei dem der frühere Telekom-Chef Ron Sommer als Vize-Präsident am Steuer sitzt, an Infineon spekuliert. Doch Sistema weist Kaufabsichten zurück. Auch der Oligarch Andrej Melnitschenko ist verärgert: Seit Monaten kämpft er bei K+S um einen Sitz im Aufsichtsrat. Bislang vergeblich – und das, obwohl der Russe mit einem Anteil von gut 15 Prozent der größte Einzelaktionär des zeitweiligen Dax-Konzerns ist. Auf den Vorschlag, nach Russland zu expandieren, ist K+S-Chef Norbert Steiner bislang nicht eingegangen. Resigniert lässt Melnitschenko auf Anfrage der WirtschaftsWoche wissen, er schließe den Verkauf nicht aus.

Stahlbaron im Dax-Konzern

Einzig Stahlbaron Alexej Mordaschow kann sich rühmen, bei einem Dax-Konzern Mitspracherecht zu genießen. Der 43-Jährige hält über seine Investmentfirma S-Group Capital einen 15-Prozent-Anteil an TUI. Deren Vorstandschef Michael Frenzel trifft sich regelmäßig mit seinem Großinvestor und hört ihn an – nicht zuletzt, weil beide in Strategiefragen auf einer Wellenlänge liegen. Mit Frenzels Segen baut Mordaschow seit diesem Sommer ein Gemeinschaftsunternehmen mit TUI auf, das den unterentwickelten Tourismusmarkt in Russland erobern will.

Ansonsten hält sich der Russe aus dem operativen Geschäft heraus. So macht es auch Wsewolod Wolodin, der Generaldirektor der Agromasch-Holding, der Hoffmann in der Luitpoldhütte schalten und walten lässt. Vorige Woche reiste Wolodin mal wieder aus dem Ural nach Amberg und diskutierte die Langfriststrategie. „Wie immer konstruktiv und sehr gut vorbereitet“, lobt Hoffmann, der seine Berührungsängste mit den Russen längst abgelegt hat.

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