Russland Erstmals Wachstumshürde für Oligarchen Deripaska

In Rekordzeit hat der russische Oligarch Oleg Deripaska das Firmenimperium Basic Element aufgebaut. Nun stößt er erstmals an Wachstumsgrenzen.

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Oleg Deripaska, Chef des Quelle: REUTERS

Der wuchtige Schreibtisch, an dem Oleg Deripaska seine Eroberungszüge plante, steht noch da. Wie ein Schildwall schützt er vor ungebetenem Besuch. Ein holzgerahmtes Foto an der Wand zeigt Deripaska vor 14 Jahren: Sein Haar ist länger als heute, der Hemdkragen offen. Die eine Faust stemmt er in die Hüfte, die andere Hand ruht auf der Sessellehne. Trotzig, geradezu feindselig blickt der junge Mann in die Kamera.

In diesem Direktorenbüro von Sayanogorsky Aluminievy Zavod fing alles an. Hier schwang sich der damals 26-jährige Moskauer Metallhändler Deripaska auf zum Chef und Gesellschafter der drittgrößten Aluminiumhütte Russlands nahe der südsibirischen Stadt Sajanogorsk. „Herr Deripaska ist gerade unterwegs hierher“, sagt der heutige Werksleiter Jewgeni Nikitin. Sein oberster Dienstherr kommt, um die weitläufigen, von rotweißen Schloten überragte Fabrik zu inspizieren, die kaum 150 Kilometer entfernt von der Grenze zur Mongolei liegt, eingebettet in hügelige, gelbliche Steppe. Sie ist eine von 15 Hütten des weltgrößten Aluminiumproduzenten United Company Rusal und gehört zu 66 Prozent der Moskauer Holding Basic Element – jenem Firmenimperium, das der heute 40-jährige Deripaska schuf. Rund 300.000 Mitarbeiter hat Basic Element und macht geschätzte 19 Milliarden Euro Jahresumsatz. Der Mann, der in vier Stunden auf einem holprigen sibirischen Rollfeld aus seinem eleganten Businessjet steigen wird, nennt all das sein Eigen.

Mit atemberaubendem Tempo hat Oleg Deripaska sich binnen weniger Jahre ein Industrie- und Finanzkonglomerat zusammengekauft, das in der russischen Privatwirtschaft seinesgleichen sucht. Unter dem Dach von Basic Element steht neben Rusal der zweitgrößte Autohersteller Russlands, Gaz, der vor Kurzem mit der Produktion des Gaz Siber begonnen hat – der seit Jahren ersten neuen Limousine unter russischer Marke. Zur Holding gehören der zweitgrößte Versicherer des Landes, Ingosstrakh, und der größte russische Straßenbaukonzern Transstroy. Basic Element umspannt sechs Geschäftsbereiche vom Bergbau bis hinauf zur Luftfahrt.

Auch im Westen hat Deripaska eingekauft: Er hält Aktien des Essener Bau- und Immobilienkonzerns Hochtief, der österreichischen Baugesellschaft Strabag und des kanadischen Autozulieferers Magna. Obwohl Basic Element mit spektakulären Investitionen weltweit Aufsehen erregt, tritt das Unternehmen bescheiden auf: Deripaskas Mannschaft, darunter auch westliche Manager, residiert in einem unauffälligen, viergeschossigen Zweckbau in Moskau.

Auch Gulschan Moldaschanowa ist so ein Aushängeschild der neuen russischen Sachlichkeit. Die 41-jährige, aus Kasachstan stammende Physikerin, die ihrem Arbeitgeber 1995 als heillos unterforderte Sekretärin auffiel und daraufhin eine steile Karriere machte, ist die Vorstandsvorsitzende von Basic Element, Deripaskas rechte Hand, seine Stimme und wahrscheinlich einer der wenigen Menschen, denen er wirklich vertraut.

Ihre leise, weiche Sprechweise verrät, dass sie nicht forsch werden muss, um sich Respekt zu verschaffen. Selbst wenn Moldaschanowa vom sagenhaften Reichtum ihres Chefs spricht, plätschert ihren Sätzen ein sympathisches Lachen hinterher: „Der Mann ist wohlhabend“, sagt sie. Und lacht.

Mit seinem auf bis zu 27 Milliarden Euro geschätzten Privatvermögen führt Deripaska die Rangliste der reichsten Russen an. Aber der scheue Oligarch erregt weder durch rauschende Feste noch mit dem Kauf von Fußballvereinen oder Luxusyachten Aufsehen. Damit unterscheidet er sich von vielen Kollegen in seiner schillernden Zunft, allen voran sein ehemaliger Geschäftspartner Roman Abramowitsch. Deripaska gilt als verschlossen und misstrauisch, arbeitet wie besessen. Er lebt mit Frau und Kindern in Moskau und macht keine Anstalten wie andere russische Milliardäre seinen Wohnsitz und sein Vermögen ins Ausland zu verlegen.

Nicht nur deshalb genießt er die Gunst des neuen russischen Premierministers und früheren Präsidenten Wladimir Putin, der argwöhnisch über strategische Branchen wie die Energie- und Rohstoffindustrie wacht. Putin nimmt Deripaska ab, dass er weder politische Ambitionen hegt noch sich mit dem Gedanken trägt, Teile seiner Konzerne an Ausländer zu verkaufen.

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