Sal. Oppenheim Angst um elitären Privatcharakter

Christopher v. Oppenheim soll den Geist des Geldadels in der bisherigen Privatbank retten – eine Gratwanderung für den neuen Eigentümer, die Deutsche Bank.

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Christopher von Oppenheim Quelle: laif/ thomas rabsch

Es ist Donnerstagmorgen, als in dem wuchtigen Gebäude mit der Adresse Unter Sachsenhausen 4 in Köln ein Stück deutscher Bankgeschichte zu Ende geht. Am Tag zuvor hat die Deutsche Bank den Abschluss eines Rahmenvertrages bekannt gegeben, mit dem sie die Privatbank Sal. Oppenheim komplett übernehmen will.

Auf einer Betriebsversammlung stellen sich die Manager ihren Mitarbeitern. Zuerst tritt der noch amtierende Bankchef Matthias Graf v. Krockow vor, blickt in seiner Ansprache zurück, gibt Fehler zu —  schwere Fehler, die nach 220 Jahren letztlich zum Verlust der Unabhängigkeit geführt haben. Dann spricht Christopher v. Oppenheim. Er blickt nach vorn, betont, dass die Marke des Vermögensverwalters unter dem Konzerndach weiter besteht, versucht, Optimismus zu verbreiten. „Einen Nachfahren des Gründers Salomon Oppenheim in dieser Situation zu sehen war sehr emotional“, sagt ein Teilnehmer.

Zentrale Rolle für Oppenheim-Erben

Was von der Tradition des bislang von Familieneigentümern geführten deutschen Bankhauses mit Sitz in Luxemburg am Ende bleibt, werden die kommenden Monate zeigen. Hiervon hängt auch der Erfolg der Übernahmen durch die Deutsche Bank ab. Der Kaufpreis von einer Milliarde Euro für die gesamte Bank plus 300 Millionen für Zusatzgeschäfte, die verkauft werden sollen, scheint zwar günstig. Doch entscheidend wird sein, ob der Branchenprimus Mitarbeiter und Kunden, die bisher einer unabhängigen Privatbank den Vorzug vor einem Finanzkonzern gegeben haben, halten kann.

Dabei kommt Christopher v. Oppenheim eine zentrale Rolle zu. Er soll als einziger der bisher vier persönlich haftenden Gesellschafter weiter eine wichtige Funktion in der Bank wahrnehmen und so zum Bindeglied zwischen der alten und der neuen Oppenheim-Welt werden.

Wenig Charisma

Das wird nicht einfach. Einige leitende Mitarbeiter wollen die neuen Besitzverhältnisse nicht mittragen. Mit Joachim v. Arnim, Leiter der Münchner Filiale, und Frank Wieser, der das Geschäft in Düsseldorf leitet, haben schon zwei der zehn deutschen Niederlassungsleiter gekündigt. Beide waren von der Deutschen Bank zu Sal. Oppenheim gewechselt. Dennoch betont die Bank, dass es bisher keine Abgänge im großen Stil gebe.

Über Jahrzehnte galt das Kölner Institut als erste Adresse unter den deutschen Banken. „Wer dort gearbeitet hat, war stolz auf seinen Job und hat sich mit der Bank und der Eigentümerfamilie identifiziert“, sagt ein langjähriger Oppenheim-Manager. In den vergangenen Monaten hat diese Bindung empfindlich gelitten. „Viele fühlen sich vom Management betrogen“, sagt ein Insider. Vor allem die Verquickung von privaten und geschäftlichen Interessen rund um das desaströse Engagement beim inzwischen insolventen Handelskonzern Arcandor ist zur Belastung für das Binnenklima geworden.

Deutsche Bank und Oppenheim im Vergleich

Davon ist auch Christopher v. Oppenheim nicht unberührt. Auch er bürgte gemeinsam mit anderen Gesellschaftern persönlich für einen Kredit in dreistelliger Millionenhöhe an die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz. Kritiker unterstellen den Gesellschaftern nun, dass sie sich auch deshalb bei Arcandor engagierten, um ihr Privatvermögen zu retten. Zudem führt die Finanzaufsicht BaFin wegen der Verbindungen zum Immobilienunternehmer Josef Esch derzeit eine Sonderprüfung bei Oppenheim durch. Im Extremfall könnte diese dazu führen, dass der Gründernachfahre aus einer möglichen Führungsposition abberufen wird.

„Christopher ist ein anständiger Kerl, aber keine starke Persönlichkeit“, sagt einer, der ihn gut kennt. So habe er auch zweifelhaften Geschäften und übermäßig ehrgeizigen Plänen seiner Mitgesellschafter nie energisch widersprochen. Ob der zurückhaltende Oppenheim-Erbe, der alte Bücher sammelt, zur neuen Identifikationsfigur taugt, ist deshalb fraglich.

Unspektakulärer Lebensstil

Neben schillernden Mitgesellschaftern wie v. Krockow oder dem für das Risikomanagement zuständigen Friedrich Carl Janssen wirkte Christopher jedenfalls trotz seiner 44 Jahre oft wie ein Schuljunge.

Auch sein Lebensstil ist eher unspektakulär. Statt in einer Villa lebt er in einem Penthouse auf einem unscheinbaren Fünfzigerjahre-Bau in Köln. „Er ist eher eigenbrötlerisch und kein Charismatiker, der Leute hinter sich schart“, sagt ein Bekannter. Gesellschaftlichen Glanz verstrahlt er — wenn überhaupt — über seine Ehefrau Gabriele, eine eloquente Erbin des Teppich- und Staubsaugerherstellers Vorwerk.

Kontinuität durch Familien-Bande

Doch um zumindest den Anschein von Kontinuität zu erwecken, muss die Deutsche Bank auch auf ein Familienmitglied setzen. Sie kann die Integration nur behutsam betreiben und muss dauerhaft den elitären Privatbankcharakter erhalten. „Unsere wichtigste Aufgabe wird es sein, die Loyalität zur Bank zu erhalten, damit das Management und die Mitarbeiter die gute Arbeit der vergangenen Jahre fortsetzen können“, meinte Deutsche-Bank-Finanzvorstand Stefan Krause vergangene Woche bei einer Konferenz mit Analysten.

Als Modell gilt die Übernahme der Düsseldorfer Privatbank Trinkaus & Burckhardt durch die britische HSBC. Die lief zwar auch nicht reibungslos, war aber letztlich erfolgreich.

Die Deutsche Bank setzt deshalb zunächst auf die möglichst umfassende Information der Oppenheim-Angestellten. Krause wird diesen demnächst die Ziele persönlich vorstellen. Ein Trost bleibt den Skeptikern. „Die Gehälter bei Oppenheim liegen rund ein Drittel über dem Durchschnitt“, sagt ein Privatbankmanager.

Die großzügige Bezahlung gehört zu jener Opulenz, die sich in den vergangenen Jahren zu einem der zentralen Probleme der Bank entwickelt hat. Selbst im Rekordjahr 2007 gab die Bank von jedem eingenommen Euro 92 Cent wieder aus. Verursacht hat dies vor allem die Expansion in neue Märkte, die stets mit immensen Anlaufkosten verbunden war. Eine funktionierende Kostenkontrolle gab es jedoch auch im Tagesgeschäft nur ansatzweise. Hier wird die Deutsche Bank ansetzen und Privilegien streichen müssen, ohne den Kern der Marke zu zerstören.

Elitäre Kontaktbörse

Dabei werden die Frankfurter viel Fingerspitzengefühl benötigen. Denn der elitäre Auftritt ist bei Oppenheim bisher nicht nur Beiwerk, sondern auch Teil des Geschäftsmodells. Die Kölner Bank war schon weit vor dem Internet-Zeitalter so etwas wie ein StudiVZ für Multimillionäre und Milliardäre – eine Plattform, auf der man sich mit seinesgleichen trifft. Was Oppenheim auszeichnet, ist die „besondere Aufmerksamkeit im Alltäglichen“, sagt ein intimer Kenner des Unternehmens.

Das gilt nicht nur im geschäftlichen Bereich. Auch die Anbahnung privater Kontakte zu anderen reichen Familien ist kein Problem. Ein begehrter Praktikums- oder Ausbildungsplatz bei Oppenheim ist für die Kinder der Betuchten kein unerfüllbarer Wunsch. Dazu kommt ein bunter Strauß exklusiver Veranstaltungen, bei denen Damen mit ausladenden Hüten und Herren mit Grande-Complication-Armbanduhr unter sich sind. Das von der Bank gesponserte Poloturnier auf Sylt gilt in Teilen der High Society ebenso als Pflichttermin wie das Galopprennen in Köln und Treffen mit dem Oppenhein-Gesellschafter Georg Baron Ullmann auf dem familieneigenen Gut Schlenderhan.

Schluss mit anrüchigen Deals

Weitere Vorzüge brachte bisher die Verbindung zum Immobilienunternehmer Josef Esch. Gute Kunden, die in die gemeinsam mit der Bank aufgelegten Fonds investierten, hatten Zugriff auf eine private Fluglinie, an der auch v. Krockow beteiligt ist. Zu den besten Kunden gehörte der Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff, gegen den inzwischen die Bochumer Staatsanwaltschaft wegen Untreue ermittelt.

Vor allem den Verbindungen zu Esch, Middelhoff und Schickedanz haftet der Ruch des Zweifelhaften an. Derartiges wird es unter der Regie der Deutschen Bank nicht mehr geben. „Das können sie in deren Geschäftssystem nicht fortsetzen“, sagt einer, der beide Unternehmen gut kennt. Die Esch-Fonds wird die Deutsche Bank nicht übernehmen.

Wie auf Dauer auch andere Teile der Bank. So wird sie sich wohl mittelfristig von der Oppenheim-Tochter BHF trennen. Über einen Verkauf des Investmentbankings wird derzeit mit der australischen Investmentbank Macquarie verhandelt. Mit einzelnen Mitarbeitern haben deren Manager schon Gespräche über ihre mögliche künftige Position geführt. Sicher ist der Abschluss noch nicht. Macquarie will nur einen Teil der 450 Mitarbeiter übernehmen. Angeblich gibt es inzwischen noch weitere Interessenten.

Geld zu empfangen und vernünftig zu investieren, so sagte Christopher v. Oppenheim noch vor gut einem Jahr in einem Interview, sei ein „hoch kreativer und komplexer Prozess.“ Jetzt ist er an der Reihe, dies zu beweisen — als vorerst letzter seiner langen Ahnenreihe.

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