Santander Die Beute-Bank

Das spanische Geldhaus Santander gehört zu den größten Banken der Welt. Sie ist überall präsent. Doch das Geschäftsgebaren ist oft zweifelhaft, mehreren Verantwortlichen der Bank drohen derzeit Gerichtsverfahren.

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Emilio Botín Quelle: Getty Images/Afp

Emilo Botín ist ein selbstbewusster Mann. Der 76-jährige Präsident der Bank Santander spricht nur schlecht Englisch, versucht es aber trotzdem. So auch an diesem Tag in London, wo er Seite an Seite mit Formel-1-Fahrer Lewis Hamilton den Namen der übernommenen britischen Bank Abbey National in Santander ändert. Auf YouTube sind solche Auftritte Lacherfolge, Botín ist das egal. Der kleine Spanier mit stechend blauen Augen und stets gebräuntem Gesicht hat die Bank in 25 Jahren Amtszeit zu einer der zehn größten der Welt und zum zeitweise wertvollsten Institut Europas geformt.

Auf den ersten Blick wirkt Spaniens größtes Geldinstitut, das im ersten Halbjahr 2011 rund 3,5 Milliarden Euro verdiente, wie eine stabile Erfolgsstory aus dem krisengeschüttelten Südeuropa. Die Bank ist mit ihrem konservativen, auf Privatkunden ausgerichteten Geschäft relativ unbeschadet durch die Finanzkrise gekommen. Beim europäischen Bankenstresstest schnitt sie anders als einige spanische Konkurrenten gut ab.

Hausgemachter Ärger

Aufwand, gemessen am Ertrag, und Marktkapitalisierung europäischer Banken

Santander profitiert dabei von der weltweiten Präsenz. 45 Prozent der Gewinne stammten zuletzt aus Südamerika. Auch in Deutschland ist die Bank nach den Übernahmen der GE Money Bank und des Privatkundengeschäfts der schwedischen SEB mit 7,2 Millionen Kunden eine wichtige Adresse und führend bei Konsumentenkrediten. Die IT-Struktur der Bank gilt branchenweit als Vorbild für Effizienz.

Doch die Story ist zu schön, um die ganze Wahrheit zu sein. Sorge bereitet die aktuelle Immobilienkrise in Spanien: „Wir wissen nicht, was die Bank wirklich wert ist, weil die Immobilienwerte nicht dem Marktwert angepasst wurden“, warnt Alejandro Bueso, Gründer des Börsenportals Bolsamania. Wegen der aktuellen Unsicherheit ist die Absicherungsprämie für einen Zahlungsausfall (CDS) zuletzt auf fast 300 Punkte gestiegen –  fast doppelt so hoch wie bei der Deutschen Bank.

Vor allem aber sorgt ein hausgemachtes Gemisch aus Überheblichkeit, Gerichtsprozessen, dem Verdacht auf Steuerhinterziehung und Klagen über schlechten Kundenservice für Flecken auf dem angeblich so blütenweißen Image. „Das völlig intransparente Management hat zu einer systematischen Korruption innerhalb der Gruppe geführt“, klagt Anwalt Juan Manuel Moreno-Luque, der Prozesse gegen die Bank anstrebt.

„Die Probleme beginnen in der obersten Etage der Bank, die komplett auf die Familie Botín zugeschnitten ist“, sagt auch Miguel Córdoba, Wirtschaftsprofessor an der Madrider Universität San Pablo CEU. Dabei hält die Gründerfamilie – ihr Name bedeutet auf deutsch „Beute“ – nur noch etwas mehr als ein Prozent an der Bank. Dennoch führe Botín, der den Chefposten von seinem Vater übernahm, die Bank als ob sie sein Privateigentum sei.

Überall platziert er Getreue als Führungskräfte. Seine Tochter Ana war erst Chefin der spanischen Tochter Banesto, jetzt leitet sie das Geschäft in Großbritannien. Die beiden Bankvize Alfredo Sáenz und Matias Rodríguez Inciarte müssen als Gefolgsleute Botíns trotz laufender Gerichtsverfahren nicht um ihre Posten fürchten. Die zahlreichen Verfahren werfen jedoch ein trübes Licht auf die Geschäftsmethoden der Spanier:

 Falschberatung: In diesem Jahr fällten verschiedene Gerichte in Spanien nach Angaben einer Verbraucherorganisation drei Urteile gegen Santander unter anderem wegen mangelnder Information der Kunden bei riskanten Zinsgeschäften. Es gibt bereits mehrere Urteile, die die Bank zu Entschädigungszahlungen zwingen. Koppelgeschäfte: In England musste Santander Rückstellungen von 620 Millionen Euro bilden. Das drückte den Halbjahresgewinn um mehr als 20 Prozent. Die britische Finanzaufsicht billigte Kunden Entschädigungen zu, die von Banken zum Kauf von Restschuldversicherungen für Kredite genötigt worden waren. Falschaussagen: Vizechef Sáenz wurde im März vom Obersten Gerichtshof zu einer dreimonatigen Haftstrafe und einem entsprechenden Berufsverbot verurteilt. Er soll in seiner Zeit als Präsident der Bank Banesto, die 1994 von Santander übernommen wurde, falsche Anschuldigungen gegen Geschäftspartner erhoben haben, um ausstehende Kredite einzutreiben. Sáenz hat Revision eingelegt, von einem Rücktritt ist keine Rede. „Solange das Urteil nicht vollstreckt ist, sehen wir keinen Grund einzugreifen“, heißt es bei der Bankenaufsicht. Steuerhinterziehung: Gegen Emilio Botín und elf Familienmitglieder wird wegen angeblich nicht versteuerter Privatgelder auf Schweizer Konten ermittelt.

Santander-Filiale Quelle: dpa

Ob es zu einer Verurteilung kommt, ist offen. „Unsere Justiz und Aufsichtsbehörden sind nicht unabhängig“, sagt Anwalt Moreno-Luque. So werde etwa totgeschwiegen, dass „viele Santander-Produkte zu teuer und schlecht sind und die Werbung irreführt“. Laut einer Studie der Madrider Beratung Inmark lag Santander 2009 bei der Kundenzufriedenheit unter dem Durchschnitt der Branche. Und im jüngsten Bericht der spanischen Bankenaufsicht gehörten die Töchter Santander Consumer Finance, Open Bank Santander Consumer sowie Santander selbst zu den zehn Instituten, über die am meisten Klagen einlaufen. „Aber niemand schreibt darüber“, sagt Javier Cavanna, Chefredakteur des renommierten Magazins „Compromiso Empresarial“.

Die Medien berichten auch nicht darüber, dass die Top-Manager Inciarte und Sáenz im Juli dieses Jahres wegen angeblicher Insidergeschäfte und Betrug beim offenen Immobilienfonds Santander Banif Inmobiliario vor Gericht aussagen mussten und demnächst entschieden wird, ob die Vorwürfe weiter verfolgt werden. Der Fonds war 2009 wegen der katastrophalen Entwicklung geschlossen worden. Rund 600 der knapp 45.000 Anleger haben eine Sammelklage gegen die Bank angestrengt, die den Fonds mittlerweile wieder geöffnet und 2,5 Milliarden Euro nachgeschossen hat. Doch Anleger mussten zwischen 2009 und 2011 erhebliche Wertverluste hinnehmen – zumindest die kleineren von ihnen.

Aktien-Info Santander

Die Medien berichten auch nicht darüber, dass die Top-Manager Inciarte und Sáenz im Juli dieses Jahres wegen angeblicher Insidergeschäfte und Betrug beim offenen Immobilienfonds Santander Banif Inmobiliario vor Gericht aussagen mussten und demnächst entschieden wird, ob die Vorwürfe weiter verfolgt werden. Der Fonds war 2009 wegen der katastrophalen Entwicklung geschlossen worden. Rund 600 der knapp 45.000 Anleger haben eine Sammelklage gegen die Bank angestrengt, die den Fonds mittlerweile wieder geöffnet und 2,5 Milliarden Euro nachgeschossen hat. Doch Anleger mussten zwischen 2009 und 2011 erhebliche Wertverluste hinnehmen – zumindest die kleineren von ihnen.

Denn in der Klageschrift schreibt die Staatsanwaltschaft, Santander habe vor der Schließung des Fonds Großanleger frühzeitig gewarnt und zum Ausstieg bewegt, darunter nach Medienberichten auch Zara-Gründer Amancio Ortega. Der streitet Insiderinformationen ab.

Einer der Kläger gegen den Banif Inmobiliario ist Mariano Gilarranz, ein Unternehmer aus Segovia: „Ich habe 1997 rund 125.000 Euro angelegt und 2004 noch einmal weitere 400.000 Euro.“ Eigentlich wollte er das Geld schon 2007 abziehen, aber damals hätten ihm Bankmitarbeiter geraten: „Nein, es läuft gut. Lassen Sie das Geld drin.“ Erst in diesem Jahr kam er wieder an sein Geld heran und hat nach eigenen Angaben mehr als 100.000 Euro verloren. Die Bank streitet Fehlverhalten ab.

Gilarranz jedoch will sie dafür bestraft sehen. Wenn er Botín stolz im Fernsehen über das Wachstum der Bank berichten sehe, ärgere er sich: „Warum hat dieser Mann eigentlich eine solche Macht?“

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