Saudi Aramco Saudi-Arabiens wichtigste Geldquelle

Seite 2/2

Saudi-Aramco-Chef Abdullah S. Quelle: REUTERS

So offen Saudi Aramco nach innen ist, so verschlossen ist der Konzern nach außen, vor allem, wenn es um detaillierte Daten zu den eigenen Ölreserven geht. Unabhängige Beobachter durften diese seit Jahren nicht einsehen. Das nährt in Zeiten eines hohen Ölpreises Spekulationen darüber, wie lange das Aramco-Öl reicht. Im Mittelpunkt steht hier vor allem das 1948 entdeckte Ölfeld Ghawar, das 100 Kilometer südlich von Dhahran unter dem Wüstensand liegt. Es ist das größte Ölfeld der Welt, 280 Kilometer lang, 30 Kilometer breit. Mit fünf Millionen Barrel liefert es rund die Hälfte der Tagesproduktion des Konzerns. Analysten der New Yorker Investmentfirma Sanford C. Bernstein machten kürzlich mittels Satellitendaten eine aufsehenerregende Entdeckung: Der Boden über dem nördlichen Teil von Ghawar hatte sich gegenüber früheren Aufzeichnungen gehoben. Das deute darauf hin, so die Analysten, dass Aramco viel Wasser in den Untergrund pumpt, um an Öl zu gelangen – eine Technik, die Ölunternehmen oft anwenden, wenn der Output eines Feldes sinkt.

Aramco-Chef Jum’ah sowie Verwaltungsratschef und Ölminister Ali al-Naimi bestreiten solche Probleme. Stattdessen wollen sie demnächst zu den 264 Milliarden Barrel schon nachgewiesenen Ölreserven auf dem Papier weitere 200 Milliarden Barrel hinzufügen – „um der Welt zu zeigen, dass uns das Öl nicht ausgeht“, sagen sie. Offenbar soll moderne Fördertechnik das möglich machen, mit der sich heute mehr Öl aus Feldern pumpen lässt als etwa in den Siebzigerjahren. Zudem sucht Aramco weiter nach Ölfeldern, etwa mit seismischen 3-D-Messungen an der Westküste.

Noch gilt Saudi Aramco ohnehin als einziges Ölunternehmen weltweit, das freie Förderkapazitäten hat. Im Juli soll zudem die Förderung aus dem neu erschlossenen Ölfeld Khursaniyah beginnen. Bis Ende 2009 will der Konzern seine Produktionskapazität auf täglich 12,5 Millionen Barrel steigern – und so vor allem Rückgänge bei anderen OPEC-Partnern ausgleichen.

In diese täglichen Fragen der Ölpolitik mischt sich König Abdullah nicht ein. Er überlässt sie Saudi Aramco und dem Ölminister, sagt Guido Steinberg, Saudi-Arabien-Berater der Bundesregierung. Hauptsache für den Monarchen ist, dass Geld fließt. Ein Teil der Einnahmen aus dem Ölexport wird nicht im Staatshaushalt ausgewiesen. Das Geld gehe direkt an die Herrscherfamilie, sagt der Experte. Schätzungen gehen von 10 bis 30 Prozent aus.

Unverzichtbar ist das Aramco-Öl aber vor allem für die innere Stabilität im Land. Als der Ölpreis in den Neunzigerjahren bis auf zehn Dollar pro Barrel sackte, konnte Saudi-Arabien seine enormen Staatsausgaben nicht mehr aus eigener Tasche finanzieren und musste sich tief verschulden. Heute gilt ein Ölpreis von 60 Dollar als die untere Schmerzgrenze, ab der Saudi-Arabien seine Rechnungen bezahlen kann.

Ernsthafte Alternativen zur Ölindustrie gibt es bis heute nicht. Anders als die Vereinigten Arabischen Emirate vergibt Saudi-Arabien keine einzelnen Touristenvisa an Nichtmuslime. Ein Forschungszentrum für Solarenergie in Riad steckt genauso in den Kinderschuhen wie ein aus Aramco-Mitteln finanziertes, 500 Milliarden Dollar schweres Investitionsprogramm, mit dem der König in den nächsten zwei Jahrzehnten mehrere neue Städte bauen, Millionen Jobs schaffen und das Land durch Industrie unabhängig vom Öl machen will.

Noch aber ist die Abhängigkeit von Saudi Aramco ungebrochen. Und das Königshaus muss sich weiterhin mit Ölmilliarden für den Konzern das Wohlwollen des geistlichen Establishments kaufen – indem es laut Steinberg etwa deren Islamische Weltliga finanziert, eine Organisation, die in Europa und den USA missioniert und auch islamische Gruppen in der Türkei unterstützt. Zum anderen gibt es trotzdem im Heimatland von Osama Bin Laden und einer durch rund 25 Prozent Arbeitslosigkeit geplagten Bevölkerung eine radikal islamische Strömung, die Saudi Aramco im Visier hat. Am 29. Mai 2004 töteten Terroristen 19 Ausländer in einem italienischen Restaurant in der Stadt Al-Khobar – einen Steinwurf von Dhahran entfernt.

Viele westliche Aramco-Mitarbeiter flüchteten damals aus dem Land. 2006 versuchten Selbst-mord-attentäter mit zwei sprengstoffbeladenen Autos die Abqaiq-Ölverarbeitungsanlage von Aramco zu sprengen. Zwar konnten Sicherheitskräfte die Wagen stoppen. Doch der Schock saß tief. Abqaiq verarbeitet bis zu drei Viertel der Aramco-Exporte. Der Anschlagsversuch zeigte, wie verwundbar Aramcos Infrastruktur ist – etwa die Pipelines, die sich unter anderem von der Ostküste durch 1200 Kilometer Wüste zum Ölhafen Yanbu’ am Roten Meer ziehen. „Es ist unmöglich, das ganze Areal zu beschützen“, heißt es in einem Bericht des Washingtoner Center for Strategic and International Studies.

Um Terrorangriffe zumindest teilweise abzuwehren, lässt König Abdullah jetzt in Kooperation mit dem US-Rüstungs-konzern Lockheed Martin eine aus Soldaten und Polizisten bestehende Schutztruppe aufstellen. Mittlerweile hat die eine Stärke von 10.000 Mann, soll aber auf 35 000 wachsen. Das Projekt wird auf fünf Milliarden Dollar geschätzt. Zu der Truppe sollen eine Helikopter-Einheit zum Schutz der Pipelines und ein Luftabwehrsystem für Raffinerien von Aramco gehören. Die Truppe wird wohl auch über die Sicherheit der Saudi-Aramco-Mitarbeiter in Dhahran wachen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%