Schlupfloch in Gesetzentwurf Keine Frauenquote für Europa-AGs

Die SPD-Minister treiben die Frauenquote in Aufsichtsräten voran. Ab 2016 soll sie in großen Unternehmen in Deutschland Pflicht sein. Doch Konzerne mit der europäischen Rechtsform sind trotzdem fein raus.

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Allein unter Männern? Das soll es in Zukunft nicht mehr in deutschen Aufsichtsräten geben, verspricht ein Gesetzentwurf. Doch der hat offenbar Lücken. Quelle: dpa

Berlin Die deutsche Politik macht ernst mit der Frauenquote, doch europäische Aktiengesellschaften haben nichts zu befürchten: Wenn ab 2016 die börsennotierten und mitstimmungspflichtigen Unternehmen in Deutschland ihre Aufsichtsräte zu 30 Prozent Frauen mit Frauen besetzen müssen, sind Konzerne fein raus, die die Rechtsform der Europa-AG (kurz SE, für Societas Europaea) haben.

Für sie gilt die Quote nicht, das geht aufs dem Gesetzentwurf vor, der dem Handelsblatt vorliegt. Aus dem Dax müssen sich die Allianz, BASF, Eon und Fresenius über die Frauenquote also keine Gedanken machen. Auch die Aktionäre des Softwarekonzerns SAP hatten einer Umwandlung zur SE zuletzt zugestimmt. Auch der Baukonzern Bilfinger, Escada, Puma, Hannover Rück oder Sixt sind inzwischen eine Europa-AG.

Für die anderen börsennotierten und mitstimmungspflichtigen Unternehmen soll die Regelung zwar ab 2016 gelten, doch wer die Wahl des Aufsichtsrats vor Ende 2015 abschließt, unterliegt noch dem alten Recht. Das heißt, die Mandate bleiben dann für die volle Laufzeit gültig.

Dabei hatte Justizminister Heiko Maas versichert, es werde bei der Quote „keine Ausnahmen geben“. „Bloße Scheinargumente, es gäbe nicht genug qualifizierte Frauen, lassen wir nicht gelten“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Für Familienministerin Manuela Schwesig geht es dabei „um Macht, Einfluss und Geld für Frauen. Das gibt niemand freiwillig ab.“

Mit ihrem Entwurf wollen Schwesig und Maas das Thema Frauenquote nach langem Tauziehen endlich aus der Unverbindlichkeit holen: Durch verbindliche Ziele für eine Geschlechterquote in den Führungsetagen von Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung. Wird die Quote nicht erfüllt, bleiben die Plätze laut Entwurf unbesetzt. Zudem ist eine Berichtspflicht der Unternehmen vorgesehen, ob sie die Quote erreichen konnten oder, falls nicht, welche Gründe das verhinderten.

Erreicht werden soll auch die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung, in Bundesunternehmen und Gerichten – durch ein in Anlehnung an die Privatwirtschaft „weitgehend synchrones Vorgehen bei der Erhöhung des Frauenanteils an Führungspositionen“.


Auch GmbHs und Genossenschaften sollen verpflichtet werden

Neben den börsennotierten oder mitbestimmten Unternehmen wollen Schwesig und Maas auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eingetragene Genossenschaften (eG) zur Frauenförderung verpflichten. Der Entwurf geht von insgesamt etwa 3500 betroffenen Unternehmen aus. Eine Mindestquote soll es für sie aber nicht geben.

Die Wirtschaft sprach sich gegen die Vorgabe aus. „Gesetzliche Quoten beseitigen nicht die eigentlichen Ursachen für den unterschiedlichen Anteil von Frauen und Männern in Führungspositionen“, sagte ein Sprecher der Arbeitgebervereinigung BDA der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). „Die tatsächlichen Ursachen sind vor allem häufige Erwerbsunterbrechungen, ein geringeres Arbeitszeitvolumen sowie das unterschiedliche Berufswahlverhalten.“ Firmen müsse es weiter möglich sein, Aufsichtsräte nach Qualifikation und Erfahrung zu besetzen.

Die Grünen kritisierten die Pläne dagegen als unzureichend. „Die Frauenquote kommt spät und wenig ambitioniert. Sie sollte auf 40 Prozent angehoben und perspektivisch auch auf andere Ebenen ausgeweitet werden, um Frauen im gesamten Unternehmen gleichzustellen“, sagte Parteichefin Simone Peter den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Montag). Darüber hinaus müsse es mehr Mut für „eine neue Zeitpolitik“ geben, die Arbeits-, Familien- und Pflegezeiten gerade auch im Sinne von Frauen flexibler regele.

Auch aus den Reihen der schwarz-roten Koalition gibt es skeptische Anmerkungen: „Aufsichtsräte von voll mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen, die ab 2016 neu besetzt werden, sollen eine Geschlechterquote von 30 Prozent aufweisen. Dazu stehe ich“, sagte die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, der „Passauer Neue Presse“ (Montag). „Die meisten Frauen sind davon allerdings nicht betroffen. Ihnen geht es um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und gleiche Bezahlung.“ Dies sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, so Hasselfeldt.

Die Deutsche Bank kündigte an, den Frauenanteil im erweiterten Vorstand aufzustocken. Dazu werde mit der langjährigen Aufseherin der französischen Notenbank, Sylvie Matherat (52) am 1. August erstmals eine Frau in das 20-köpfige Führungsteam einziehen. Weitere Frauen würden folgen, sagte Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen der „Bild am Sonntag“.

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