Schmiergeldaffäre Siemens: Ermittler der US-Behörde SEC im Anflug

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Lange haben Siemensianer des mittleren Managements die Interviews mit den Debevoise-Anwälten nach dem Motto „Nur nicht auffallen“ über sich ergehen lassen, um die Gegenleistung – Amnestie von Siemens – nicht zu gefährden. Unter der Hand beschwerten sich Anwälte über die „Verhöre“. Nun kommt Protest hoch. „Auf einen deutschen Juristen wirken diese Vernehmungen doch etwas eigenartig“, sagt Anwalt Ulrich Wastl, der einige Siemensianer vertritt, der WirtschaftsWoche.

Die Anwälte von Debevoise seien „ermittlungstaktisch geschulte Personen“, die die vorgeladenen Siemensianer im Verhör bewusst „in die Irre führen würden“, sagt Wastl. Er kritisiert, dass der Rechtsbeistand, der den Vorgeladenen angeboten wird, aus einer „angloamerikanischen Rechtsanwaltskanzlei“ käme. Weder habe der Befragte Einsicht in ein Protokoll, das ohne seine Mitwirkung geschrieben werde, noch mache man ihn auf sein „Recht zu schweigen“ aufmerksam. Außerdem würden die sogenannten Interviews „grundsätzlich auf Englisch“ geführt. Dolmetscher würden nur auf Anfrage zur Verfügung gestellt, beim Dolmetschen würden viele Nuancen verloren gehen. Wastl kritisiert besonders, dass diese Protokolle der SEC und den US-Justizbehörden zur Verfügung gestellt werden. „Das entspricht nicht deutscher Rechtskultur“, so der Anwalt. Andere Juristen kritisieren, dass Siemens und die Staatsanwälte nicht den Weg des formellen Rechtshilfeersuchens an die USA gegangen sind, das über die Justizministerien läuft. Dabei ist sichergestellt, dass nicht allein Privatermittler, wie sie Debevoise & Plimpton-Anwälte darstellen, die Vernehmungen führen, sondern deutsche Staatsanwälte. Debevoise-Rechercheure säßen allenfalls dabei.

Kronzeugen werden gesucht

Der Konflikt kocht gerade hoch. Wastl wird von Siemens-Managern angegangen: „Der frühere Siemens-Vorstand war es doch, der in den USA an die Börse wollte“, sagt ein Manager. „Dann muss man eben auch akzeptieren, dass US-Regeln besonders in Fällen wie weltweiter Korruption in Milliardenhöhe für einen selber gelten.“ Das habe der frühere Vorstandschef Heinrich v. Pierer „wohl nicht bedacht, als er zusammen mit dem früheren Management nur den Ruhm eines US-Börsengangs ernten wollte, aber anscheinend nicht im ausreichenden Maß dafür sorgte, dass diese Regeln im Konzern befolgt wurden“. Im Klartext: Die Furcht vor der SEC kommt zu spät – im Nachhinein. Diese Meinung führen Befürworter der Debevoise-Strategie an. Pierer sagt der WirtschaftsWoche, dass er „alle Vorwürfe für ungerechtfertigt“ hält und „Vertrauen in die Justiz“ hat.

Zu Recht. Die Staatsanwälte in Nürnberg und München suchen, so berichtet es ihr Umfeld, nach Kronzeugen. Der Fall des früheren Siemens-Managers Reinhard Siekaczek soll Schule machen. Er packte gegenüber den Richtern aus und erhielt eine glimpfliche Bewährungsstrafe.

Das „Phänomen Siekaczek“, wie es jetzt schon in Siemens-Anwaltskreisen genannt wird, werde auch der frühere Zentralvorstand Johannes Feldmayer anwenden, so die Vermutung der Anwälte. Der saß in U-Haft, wird beschuldigt, Beträge in Höhe von 30 Millionen Euro als Zahlungen an die umstrittene Betriebsräteorganisation AUB unterschrieben zu haben. Insgesamt sind jedoch 50 Millionen Euro an die AUB geflossen. „Wer hat die 20 Millionen Euro vor ihm freigezeichnet?“, fragt sich die Staatsanwaltschaft.

Wenn Feldmayer wie Siekaczek auspackt und das ganze System Siemens in der Korruptionszeit vor Gericht ausbreitet, werde er mit einem vergleichsweise harmlosen Urteil die Anklagebank verlassen, vermutet ein Siemens-Manager. Und dann wird es andere geben, die zittern müssen: vor den Debevoise-Anwälten, vor den Ermittlern der SEC und den Staatsanwaltschaften aus Deutschland, den USA und Griechenland.

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