Schneekoppe Der Provokateur vom Niederrhein

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Schneekoppe-Müsli: Einige Kennziffern des Unternehmens sind alles andere als kerngesund Quelle: Schneekoppe

Jahrzehntelang wurde das Unternehmen wie ein Wanderpokal herumgereicht. Nachdem Firmengründer Klein 1965 an den Gelsenkirchener Nahrungsmittelhersteller Müller’s Mühle verkauft hatte, landete Schneekoppe 1989 beim Getränkekonzern Eckes (Hohes C) in der Nähe von Mainz, sieben Jahre später beim Teehersteller Laurens Spethmann (Meßmer-Tee) aus Seevetal bei Hamburg. 2007 kaufte Kekshersteller Christoph Pauly aus Dessau Schneekoppe – und reichte es binnen Jahresfrist an Kumpel Wagener weiter.

Heute gehören Wagener knapp 42 Prozent, weitere 33 Prozent der Auric Capital Group, die wiederum von Wagener dominiert wird. Die restlichen 25 Prozent hält seit dem vergangenen Jahr der Kölner Zuckerkonzern Pfeifer & Langen über Tochtergesellschaften. Während die Schneekoppe-Holding auf dem Gestüt in Krefeld firmiert, blieb die Vertriebsgesellschaft in Buchholz in der Nähe von Hamburg.

In der norddeutschen Provinz hat Wagener seit der Übernahme radikal durchgegriffen. Er setzte zwei Geschäftsführer vor die Tür, die er wegen angeblicher massiver Fehlplanungen auf Schadensersatz verklagt. Er kündigte dem Logistik-Dienstleister, gegen den er wegen Inventurverlust, Transportschäden und zu viel gezahlter Frachten klagt. Er strich unrentable Produkte, hübschte Verpackungen auf und brachte eine neue Linie mit glutenfreien Waren für Allergiker auf den Markt.

Schneekoppe produziert nicht selbst, sondern lässt alles von mehr als zwei Dutzend spezialisierten Partnern herstellen. Rund 140 Artikel gehören ins aktuelle Sortiment mit Müslis, Riegeln, Säften und Diätwaren. Der Sortimentsschnitt bei den Diabetikerprodukten brachte Umsatzverluste. 2009 gingen die Erlöse um zehn Prozent auf 28 Millionen Euro zurück.

Eigenkapitalquote beträgt nur elf Prozent

Auch andere Kennziffern der Schneekoppe-Bilanz sind alles andere als kerngesund. Die Eigenkapitalquote ist mit gut elf Prozent ausgesprochen dünn. Betriebsergebnis und Mittelzufluss, der Cash-Flow, sind negativ. Im Verkaufsprospekt der Anleihe füllen die Risiken 14 DIN-A4-Seiten. Dennoch behauptet Wagener: „Wir schreiben sympathische schwarze Zahlen.“ Das liege daran, dass der Firmenwert von Schneekoppe, den ein Gutachten mit 14 bis 18 Millionen Euro veranschlagt, nicht aktiviert worden sei. Oder aber dass außerordentliche Aufwendungen etwa für Abfindungen das Ergebnis belastet hätten.

Ob rote oder schwarze Zahlen: Die Schneekoppe-Anleihe mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einer jährlichen Verzinsung von 6,45 Prozent ging weg wie geschnitten Brot. Ursprünglich sollten die zehn Millionen Euro bis März 2011 eingesammelt werden. Doch nach 17 Tagen war der Bond weg.

Vielleicht lag das daran, das Wagener Gläubigern eine bevorrechtigte Zuteilung von Aktien versprach, sollte Schneekoppe an die Börse gehen. Oder an den 20 Prozent Rabatt, die Anleihezeichner beim Kauf von Joghurt-Rucola-Parmesan-Brotaufstrich oder Sauerkraut-Gemüsesaft im Schneekoppe-Online-Shop erhalten. „Die Nachfrage hat bei Weitem unsere Erwartung übertroffen“, freut sich Wagener. „Und das ist bestimmt nicht den überragenden Bilanzkennzahlen geschuldet, sondern vor allem der Marke Schneekoppe.“ Der Kredit soll dazu dienen, die neuen Produkte auf den Markt zu bringen sowie ein 2,5-Millionen-Euro-Darlehen bei der Sparkasse Duisburg abzulösen.

Wagener liebt klare, derbe Worte. Den Trend vieler Hersteller, auf alles und jedes ein Biosiegel zu pappen, sei „Publikumsverarsche“. Bio habe „in wenigen Jahren Hunderte Skandale“ gehabt, „Schneekoppe in 83 Jahren nicht einen einzigen“. Draufhauer- und Draufgängertum gehören zu Wageners Unternehmerkarriere. Er importierte Luxusgüter wie Meißener Porzellan nach Russland, importierte Turnschuhe weit unter Preis aus den USA und verkaufte sie an deutsche Warenhäuser. Er stand kurz davor, dem damaligen Kinowelt-Chef und abgestürzten Börsenstar Michael Kölmel das Leipziger Zentralstadion abzukaufen, managte Boxer, finanzierte Basketballmannschaften. Abgesehen von Schneekoppe sei er unternehmerisch nur noch „als Betreuer“ tätig, sagt Wagener. „Ich kümmere mich ein wenig um russische Investoren, die ihr Geld in Deutschland angelegt haben.“

Die Todesschuss-Schilder, aber auch Vorwürfe, ein Hund seines Gestüts habe den Terrier einer Spaziergängerin totgebissen, machen Wagener immer mal wieder zum Unsympath in der Lokalpresse. Die überregionalen Wirtschaftsberichterstatter sahen in ihm bisher den Erfolgsmensch. 2003 rettete Wagener mit dem Finanzdienstleister KTG die taumelnde Deutsche Entertainment AG vor der Pleite.

Wagener ist der typische Aufsteiger mit Hallodri-Qualitäten. Weil er gut war in Leibesübungen, schaffte es der Sohn eines Schlossers ins Sportinternat im hessischen Bad Sooden-Allendorf. „Sprint und Weitsprung – nicht klug, aber schnelle Beine. Deshalb haben die mich genommen“, gab er vor Jahren zu Protokoll.

Nun muss Wagener beweisen, dass er Schneekoppe tatsächlich in ein neues Zeitalter katapultieren kann. Michael Schumacher wird ihm dabei zunächst nicht mehr helfen. Der erfolgreichste Formel-1-Pilot aller Zeiten sollte für die Marke ein jüngeres Publikum ansprechen. Das Konterfei des Rennfahrers prangt daher auf den Dosen des Drinks „Start Energie“, den Schneekoppe seit Mai anbietet.

Doch es gibt Widerstand. Einige Handelsketten hatten Wagener offenbar nahegelegt, künftig auf „Schumi“, der seit Beginn der Formel-1-Saison hinterherzuckelt, als Werbefigur zu verzichten. „Ja, das Lizenzrecht ruht.“ Mehr will Wagener nicht sagen. Jedenfalls sind die Produkte neu gestaltet worden und kommen nun ohne Schumachers Bild in die Regale.

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