Schwarzmarkt-Zigaretten Russenmafia hält EU und Tabakkonzerne zum Narren

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Vertrieb über den Kofferraum

Die ganz großen Coups laufen zunächst scheinbar legal ab: Containerweise werden Zigaretten offiziell deklariert und per Schiff exportiert – häufig nach Asien, wo ein Scheinabnehmer seinen Briefkasten hat. Europäische Fahnder verfolgten die Spur der gelben Bergziege bis in Häfen wie Port Said und Singapur. Von dort werden die Zigaretten in die EU transportiert, etwa auf Trucks mit Kinderrollern aus China.

Am Ende der Schmuggelkette stehen kleine Leute: Kölner Hartz-IV-Empfänger, die Jin-Ling-Zigaretten im Sportverein verticken, Münchner Taxifahrer, die Russen-Fluppen frei Kofferraum verkaufen, oder vietnamesische Straßenhändler in Berlin, die Jin Ling an Berliner S-Bahn-Stationen anbieten.

Anders als seine Vertriebspartner aus der Schattenwelt ist der BTF-Chef namentlich bekannt: Russlands Tabakmogul heißt Wladimir Kasakow und stammt aus dem Nordkaukasus. Nach Kaliningrad kam er Ende der Neunziger, um die heruntergewirtschaftete Baltische Tabakfabrik für ein paar Kopeken zu übernehmen. Mittlerweile ist sie das Herz eines Konglomerats aus Tabakfirmen in Russland, Moldawien und der Ukraine.

Legal versteuert

Kasakow gilt zwar als Kopf des russischen Zigarettenschmuggels – strafrechtlich belangen kann man ihn aber nicht. Seine BTF-Zigaretten werden legal für den russischen Markt versteuert, ehe sich ihre Spur verliert. Als ein als Schmuggler getarnter Journalist vor zwei Jahren zum Schein über den Kauf eines ganzen Containers voller Zigaretten verhandelte, sagte ein BTF-Mitarbeiter ungeniert: „Uns ist egal, wohin die Ware geht.“

Auch den russischen Behörden gelingt es nicht, dem Schwarzmarktkönig das Handwerk zu legen. „Jeder weiß, dass diese Fabrik nicht sauber arbeitet“, gesteht ein hoher Beamter aus dem Umfeld des Kaliningrader Gouverneurs. „BTF produziert mehr Zigaretten, als die Kaliningrader rauchen. Aber wir können denen nichts Illegales nachweisen, da sie legal versteuern und deklarieren.“

Die Mafia ist bestens vernetzt

Zum Teil fehlt auch der Wille: In der ökonomisch ausgebluteten Exklave Kaliningrad zählt Kasakow zu den großen Steuerzahlern. Außerdem genießt er landesweit Ansehen, da er zu den wenigen verbliebenen russischen Tabakfabrikanten gehört: 95 Prozent des russischen Binnenmarkts werden heute von der Tabaktroika Philip Morris, British American Tobacco (BAT) und Japan Tobacco kontrolliert.

Zudem ist Kasakow bestens vernetzt: In Moskau vertritt die Assoziation für Fragen der Tabakindustrie seine Interessen, der BTF-Chef sitzt dort mit den Landeschefs von Philipp Morris und Japan Tobacco an einem Tisch. Cheflobbyistin Nadeschda Schkolkina hatte bis April dieses Jahres einen Sitz in der Duma – als Abgeordnete der Putin-Partei „Einiges Russland“.

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