Schwarzmarkt-Zigaretten Russenmafia hält EU und Tabakkonzerne zum Narren

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Für die Behörden ist es schwer, gegen die Schmuggelindustrie vorzugehen. Dabei sind die Zahlen eindeutig: Jährlich 300 Milliarden Zigaretten werden im Heimatmarkt geraucht, produziert wurden 2009 gut 400 Milliarden, nur etwa fünf Milliarden gehen offiziell in den Export. „Jede vierte Zigarette landet auf den Schwarzmärkten Europas“, sagt Andrej Demkin, Chef der unabhängigen russischen Gesundheitsassoziation. Daran dürfte sich wenig ändern: „Der Staat legt sich nicht mit der Mafia an, die Beamten mischen oft selbst mit.“

Auch deutsche Behörden sind machtlos gegen die Tabakmafia. Nur selten geht dem deutschen Zoll mal ein Schmuggel ins Netz. Meist sind das kleine Lieferungen, zum Teil sogar Ablenkungsmanöver. Die Schmuggler beobachten Aktivitäten des Zolls genau und opfern bei Kontrollen kleine Kuriere, damit große Lieferungen ihr Ziel erreichen. Das Geschäft ist so lukrativ, dass ein paar aufgeflogene Fuhren kaum wehtun. Die Kuriere selbst wissen nichts über ihre Hintermänner.

Chinesen kopieren die Bergziege

Die Tabakkonzerne setzen nun selbst Detektive auf die Schmuggler an. Besonders BTF, aus deren Werken letztes Jahr jede dritte in Deutschland beschlagnahmte Zigarette stammte, ist den Branchenriesen ein Dorn im Auge: „Die Baltische Tabakfabrik und ihre Helfer sind Teil der organisierten Kriminalität“, sagt Marianne Tritz, Geschäftsführerin des Deutschen Zigarettenverbands. Der Schmuggel mit Jin Ling sei „ein besorgniserregender Angriff auf den deutschen Zigarettenmarkt“.

BTF-Chef Kasakow will zu den Vorwürfen nichts sagen. Ein Fax der WirtschaftsWoche, in dem er um Stellungnahme gebeten wurde, ließ er unbeantwortet. Er habe es zwar gelesen, lässt seine Sekretärin ausrichten, dann aber das Büro verlassen. Nein, auch einer Besichtigung des Werks werde er wohl nicht zustimmen.

Verhandlungen über Details stecken fest

Kasakow arbeitet an Expansionsplänen: Demnächst werde BTF weitere Marken auf den Markt werfen, heißt es aus Ermittlerkreisen. Jin Ling ist inzwischen so erfolgreich, dass chinesische Hersteller die gelbe Bergziege fälschen. Das Geschäftsmodell Jin Ling macht Schule: Unter dem Namen Raquel produziert eine Firma namens Explosal in der zypriotischen Freihandelszone Larnaka eine Sorte, deren Packung der des Weltmarktführers Marlboro ähnlich sieht.

Europas Behörden hoffen nun auf die Rahmenkonvention zur Tabakkontrolle, die 168 Staaten unterzeichnet haben – auch Russland. Dem Abkommen sollen klare Vorgaben bei der Überwachung von Produktion und Handel mit Zigaretten folgen. Doch die Verhandlungen über die Details stecken fest. „Wir sind Jahre von einer Einigung entfernt“, klagt ein EU-Beamter. Kasakow bleibt noch viel Zeit für seine Geschäfte auf dem EU-Zigarettenmarkt. Im Hafen von Kaliningrad wird es noch lange nach Tabak riechen.

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