Sir Roger Moore im Interview Für einen Gentleman gilt: "Augen zu und durch"

Roger Moore spricht im Interview mit der WirtschaftsWoche über Haltung in schwierigen Situationen, die Krise der britischen Regierung und die Augen der Queen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Sir Roger Moore ist vielen Quelle: AP

WirtschaftsWoche: Sir Roger...

Roger Moore: Ach, lassen Sie doch diese Formalitäten. Mr. Moore tut es auch. Oder einfach Rog. So wurde ich schließlich am Set auch immer gerufen.

Also gut, Mr. Moore. Erst mal meine Hochachtung. Sie sehen tadellos aus.

Oh, vielen Dank. Dabei geht’s mir heute gar nicht gut. Ich habe ziemliche Rückenschmerzen, schon seit vergangener Nacht.

Brauchen Sie eine Pause?

Kommt nicht infrage. Bitte, nehmen Sie Platz, der Sessel sieht sehr bequem aus.

Und Sie?

Ich nehme lieber den härteren.

Zunächst einmal mein herzliches Beileid.

Warum das denn?

Als Engländer haben Sie es zurzeit nicht einfach mit einigen Ihrer Landsleute.

Wen meinen Sie?

Premierminister Gordon Brown und seine Regierung. Sie steckt in einem handfesten Skandal: Es geht um Korruption, Lügen und Pornos. Wie sehr leiden Sie darunter?

Sehr. Das macht mich alles sehr traurig. Fatal, diese korrupten Politiker. Ich könnte mir so etwas vielleicht gerade noch leisten. Aber diese Leute sollen doch unser Land repräsentieren. Schrecklich, das alles mitanzusehen. Und dann passiert das alles auch noch zum schlechtest möglichen Zeitpunkt, mitten in der Rezession.

Für die Politiker kommen viele Dinge zusammen. Wie lautet Ihre Empfehlung an sie?

Für wirkliche Gentlemen gibt es da nur eine Lösung: Augen zu und durch. Und zurücktreten.

Das haben sich einige Minister schon zu Herzen genommen. Wäre das auch James Bonds Empfehlung gewesen?

Ach, der hätte doch gar nicht gewusst, was passiert wäre. Er hätte gar keine Zeit gehabt, die Zeitung zu lesen. Der wäre einfach viel zu beschäftigt damit gewesen, wieder ein paar Bösewichte um die Ecke zu bringen. Oder mit Miss Moneypenny zu flirten. Wie ein echter Gentleman eben.

Ein bisschen ballern, ein bisschen flirten – ist das alles, was ein Gentleman auch in schwierigen Situationen können muss?

Ein wahrer Gentleman behandelt zunächst einmal stets alle Menschen so, wie er auch selbst behandelt werden möchte – mit allergrößtem Respekt. Und jede Frau wie eine Lady – als wäre sie seine Mutter.

Das würde jedem Flirt den Garaus machen.

Warum? Ein bisschen angehimmelt zu werden – das gefällt doch jeder Mutter.

Wie also nähert sich ein Gentleman stilvoll einer Frau?

Oh, dazu könnte ich Ihnen viel erzählen – aber nicht in Gegenwart meiner Frau. Ein Gentleman genießt – und schweigt. Im Unterschied zum Playboy.

Wo genau liegt dieser Unterschied?

Schon im Wort selbst. Ein Gentleman spielt nicht.

Sondern?

Er ist ehrlich, durch und durch – ungefähr so: „Madame, Sie sind ganz schön hässlich. Mit Ihnen werde ich sicher nicht Theater spielen.“

Den Satz hat man von James Bond nicht oft gehört. Viele Männer waren ja seinerzeit ganz neidisch auf seinen – und damit Ihren – Schlag bei den Frauen.

Das mit den Frauen wird doch völlig überbewertet. Oder halten Sie es für besonders romantisch, wenn einem der Elektriker am Set bei einer Bettszene zubrüllt: „Los Rog, jetzt zeig mal, was du kannst“? Da gibt’s nur eines: Augen zu und an England denken.

Wer war Ihr liebstes Bond-Girl?

Ich habe zweimal mit Maud Adams gedreht – sehr professionell, keine Allüren, immer pünktlich. Darauf kommt es an – nicht, ob sie blond ist oder braunhaarig. In „Der Mann mit dem Goldenen Colt“ musste Bond ihr laut Drehbuch leider den Arm umdrehen, um an Informationen zu kommen – das fand ich nicht sehr passend für einen Gentleman. Lieber wäre es mir gewesen, 007 wäre bei einem Abstecher ins Bett ans Ziel gekommen.

Sie meinen, so wie bei Jane Seymour in Ihrer Bond-Premiere „Leben und sterben lassen“?

Das war nicht halb so romantisch, wie es vielleicht aussah. Wir drehten die Szene im Studio in England, mitten im Winter. Es war eiskalt, also erzählte ich Jane von einem Trick, den mir mal Joan Collins beigebracht hatte.

Nämlich?

Die Socken blieben an – ganz nach Gentlemen-Art.

Sir Roger Moore und Ehefrau Quelle: dpa/dpaweb

Andere Damen, wie Grace Jones, scheinen, wie man in Ihrer Autobiografie lesen kann, nicht so ganz nach Ihrem Geschmack gewesen zu sein. Was lief schief damals während der Dreharbeiten?

Unsere Garderoben lagen nebeneinander. Sie hörte ständig laute Musik – Heavy Metal, nicht mein Geschmack. Schon gar nicht, wenn ich mittags ein Nickerchen machen will. Aber sie dachte gar nicht daran, die Musik leiser zu stellen, da konnte ich machen, was ich wollte. Bis mir einmal der Kragen platzte: Ich rannte rüber, zog den Stecker raus, ging zurück in meine Garderobe – und warf einen Hocker gegen die Wand. Das Loch kann man noch heute sehen. Aber darüber will ich eigentlich gar nicht mehr reden.

Da haben Sie aber gar nicht die Haltung bewahrt. Passierte Ihnen das öfter?

Einmal noch, leider. Das war bei den Dreharbeiten zu „Leben und sterben lassen“. Da hab ich den 3. Assistenten am Set total angebrüllt. Wie peinlich. Ich hab’ es später zutiefst bereut.

Warum?

Weil es ein teurer Spaß wurde – es kostete mich ein Feuerzeug aus massivem Gold, beinahe so schwer wie ein kleiner Ziegelstein. Das gute Stück hab ich dem armen Kerl geschenkt, als Entschuldigung für mein Verhalten.

Was war der Grund für Ihre Entgleisung?

Daran erinnere ich mich nicht mehr. Bestimmt etwas ganz Blödes. Aber darum geht es gar nicht und auch nicht um den Betrag, den ich für das Feuerzeug bezahlen musste. Mein Verhalten war einfach gegen die Regel.

Wie lautet die? Brüllen verboten?

Nein. Brüllen kann man schon mal. Aber niemals gegenüber Untergebenen oder Kleineren. Brüllen geht nur, wenn der andere größer ist als man selbst. Oder er dein Boss ist.

Hatten Sie am Set auch mal Angst?

Oh ja – ich bin schließlich nicht schwindelfrei. Bei „In tödlicher Mission“ musste ich eine senkrechte Felswand hochklettern...

...was Sie mit Haltung absolvierten?

Nein – das ging nur mit Unterstützung von Bier und einer Valiumtablette.

Wurden Sie nicht gedoubelt?

Doch. Aber später im Studio musste ich einen Sturz aus einem Meter Höhe hinlegen. Das hat mir schon gereicht. Auch bei den Dreharbeiten zu dem Western „Das Gold der Sieben Berge“ wurde mir richtig mulmig: Wir drehten an einer Schlucht, 1000 Meter über dem Colorado River. Ich musste auf einem Pferd am äußersten Rand der Felskante entlangreiten.

In Ihren Memoiren deuten Sie Platzangst an.

Ich habe schon in ein paar Hundert Meter Tiefe in einer Mine in Südafrika gedreht, das war eigentlich kein Problem. Außerdem haben wir da immer peinlich genau auf das Einhalten der Tea Time geachtet – darauf kann eine englische Crew eben nicht verzichten. Selbst als mal der Aufzug ausfiel, hat uns der Produzent das Teewasser 2000 Stufen nach unten bringen lassen. Und um die Würstchen hat er sich sogar selbst gekümmert.

Am Set von „Leben und sterben lassen“ haben Sie mal Ihre Schneidezähne eingebüßt.

Danach bin ich am Stock zu meinem Boot gehumpelt und habe vor der Kamera den Unverwundbaren gemimt. Soll noch mal einer behaupten, dass ich nicht schauspielern kann.

Haben Sie sogar selbst – in Ihren Memoiren.

Ja. Ich kann eben sehr bescheiden sein.

Und wie steht’s mit Ihrer Eitelkeit? Sie werden im Herbst 82.

Wahrscheinlich wird von mir erwartet, dass ich in Würde alt werde und die Schmerzen des Alters ertrage. Aber danach steht mir überhaupt nicht der Sinn. Ich meckere lieber. Früher habe ich viel Tennis gespielt, bin Ski gefahren, das geht alles nicht mehr. Jetzt kann ich nur noch walken gehen, mit ein Paar Stöcken. Und hoffe darauf, dass meine Frau für mich sorgt.

Als Kind wurden Sie von Ihren Mitschülern gehänselt. Sie nannten Sie "groß, fett, hässlich". Haben Sie darunter gelitten?

Natürlich nicht. Ich wusste ja: Eines Tages werde ich James Bond.

Vor sechs Jahren wurden Sie sogar von der Queen zum Ritter geschlagen. Haben Sie bei der Gelegenheit auch mit ihr geflirtet?

Sind Sie verrückt? Sie ist zwar eine sympathische Lady – mit wunderschönen Augen. Aber ich bin doch nicht lebensmüde – sie hatte schließlich ein Schwert in der Hand! Außerdem hatte ich ganz andere Sorgen.

Welche?

Meine Knie. Stellen Sie sich die Blamage vor, wenn ein ehemaliger Geheimagent, der mehrfach die Welt gerettet hat, sich nicht mehr allein hätte aufrichten können.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%