Spenden-Eintreiber Unicef verliert Spendensiegel

Schock für alle Spender von Unicef Deutschland: Die Kinderhilfsorganisation hat nach gut zwölf Jahren ihr Spendensiegel verloren. Unicef hat seit 2005 verschwiegen, Provisionen für die Spendenvermittlung bezahlt zu haben. Zudem wirtschaftete die Organisation offenbar wenig sparsam.

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In der Kritik: der ehemalige Quelle: dpa

Für den Entzug des Siegels am Dienstag habe es schwerwiegende Gründe gegeben, teilte das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI/Berlin) heute mit und erhob gravierende Vorwürfe. Das deutsche Unicef- Komitee habe „seit 2005 wahrheitswidrig behauptet, keine Provisionen für die Vermittlung von Spenden“ bezahlt zu haben. Es habe auch „gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verstoßen“.

Für das angeschlagene Unicef-Komitee ist der Siegel- Entzug ein harter Schlag nach monatelangen Negativschlagzeilen, Vertrauensverlust und Rücktritten. „Nach Einschätzung des DZI muss die Management-, Leitungs- und Aufsichtsstruktur von Unicef Deutschland durchgreifend verbessert werden, damit sich derartige Fehler nicht wiederholen“, betonte das DZI.

Unicef Deutschland zeigte sich in einer ersten Reaktion in Köln geschockt. „Dieses Urteil trifft uns hart. Damit hatten wir nicht gerechnet“, erklärte der Interimsvorsitzende Reinhard Schlagintweit. Die Vorsitzende Heide Simonis und der Geschäftsführer Dietrich Garlichs waren bereits nach wachsendem Druck wegen Vorwürfen über zu großzügige Honorare für externe Berater zurückgetreten. Die Entscheidung begründete das DZI - nach einer seit Ende November 2007 laufenden Zusatzprüfung - auch mit Mängeln im Auskunftsverfahren.

Der Hauptgrund der Aberkennung sind aber drei Provisionszahlungen: Die Organisation habe von 2004 bis 2007 drei professionelle Spendenwerber - Fundraiser - erfolgsabhängig bezahlt. Bei den jährlichen Prüfungen seit 2005 sei dies aber wahrheitswidrig verschwiegen worden. Dies nannte das DZI „besonders schwerwiegend“.

Die Prüfer des DZI konnten diese Verstöße erst durch anonyme Hinweise und Medienberichte aufdecken, kritisierte das Institut. „Obwohl dem Vorstand von Unicef spätestens seit dem Eingang anonymer Hinweise im Mai 2007 und einer Vorstandssitzung im Juni 2007 die Provisionszahlungen bekanntgewesen sind, erfolgte kein korrigierender Hinweis an das DZI.“ Spätere Angaben aus Köln hätten eher zur „Verschleierung“ beigetragen.

30.000 Euro Provision an Fundraiser

Hervorgehoben wird dabei in der Liste der Verstöße eine Provisionszahlung von 30.000 Euro. Diese habe Unicef Deutschland „ohne nachvollziehbare Gegenleistung“ einem Fundraiser für die Vermittlung einer Großspende über 500.000 Euro seitens des Lidl- Konzerns gezahlt. Ursprünglich hatte das DZI nach eigenen Angaben geplant, trotz der Verstöße auf einen Siegel-Entzug zu verzichten und Unicef stattdessen „strikt kontrollierte Auflagen“ zu machen. In den vergangenen Wochen sei aber deutlich geworden, dass die Mängel in Management, Aufsicht und Auskunftsverhalten derart gravierend seien, dass die Aberkennung unumgänglich wurde, wie das Institut betonte. Das deutsche Komitee müsse seine Strukturen „durchgreifend erneuern.“

Erst nach Ablauf eines vollständigen Geschäftsjahres kann das Siegel dann erneut beantragt werden. Unicef versprach umgehend Besserung. Die Entscheidung „soll uns Anlass sein, mit allen Kräften an die Reform unserer Arbeit und unserer Strukturen zu gehen. Wir wissen, dass schwere Fehler gemacht wurden“, sagte Schlagintweit. Die Punkte, die vom DZI kritisiert werden, nannte er aber Ausnahmefälle. Unicef Deutschland hat im Zuge der Krise bereits mehr als fünf Prozent der 200 000 regelmäßigen Spender verloren. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt weiter gegen Garlichs wegen des Anfangsverdachts der Untreue. Im April soll eine neue UNICEF-Spitze gewählt werden.

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