Spitzengastronomie Sterneköche: Auf Sparflamme gegen die Krise

Geschäftskunden bleiben aus, Stammgäste sparen: Die Wirtschaftskrise trifft die Spitzengastronomen hart. Sterneköche versuchen den Spagat: Sie müssen attraktivere Angebote machen, ohne zu stark an der Preisschraube zu drehen. In der Not entdecken sie die Heimat neu.

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Koch dekoriert einen Salat: Quelle: AP

Kurz nach der Mittagszeit ist das noble Restaurant Victorian nahe der Düsseldorfer Kö eine Oase der Ruhe: Im Erdgeschoss im Bistro unterhalten sich ein paar wohlfrisierte ältere Damen mit gedämpfter Stimme. Weiter hinten prosten sich zwei Geschäftsleute mit blankpolierten Weingläsern zu. Ein Rentner hat auf der grünen Lederbank ein bequemes Plätzchen für den Genuss seiner Flasche Coca-Cola gefunden. In der Bar ordnen Kellner mit leisem Geklirre Gläser ein.

Hochbetrieb sieht anders aus. „Bei uns hat sich in letzter Zeit nichts geändert“, sagt Volker Drkosch, Chef de Cuisine des Düsseldorfer Luxusrestaurants. „Wir haben jetzt schon Anfragen für Weihnachten, das läuft sehr gut an“. 17 Punkte hat die Feinschmecker-Fibel Gault Millau dem Restaurant verliehen, mit einem Stern firmiert das Victorian in der französischen Gourmetführer Michelin.

Drkosch gilt als erste Adresse in Düsseldorf, doch die Wirtschaftskrise macht vor seinem Edelrestaurant im ersten Stock nicht halt. „Wir passen unser Angebot auch an“, gibt Drkosch unumwunden zu. Im Victorian Bistro, dem ebenerdigen und preiswerten Teil des Nobelrestaurants, gäbe es jetzt bereits drei Tagesgerichte unter zehn Euro. „Vor einem Jahr hätten wir das nicht gemacht“, fügt Drkosch noch hinzu.

Spesenesser fallen weg

In der breiten Bevölkerung ist die Wirtschaftskrise noch nicht angekommen. Doch die Gourmetrestaurants bekommen deutlich zu spüren, dass der Kundschaft die Geldbörse längst nicht mehr so locker sitzt. Stammgäste kommen seltener, Manager lassen sich seltener blicken und die Auslastungszahlen rasseln nach unten. Immerhin können Restaurants rascher als andere Wirtschaftszweige ihr Angebot an die Krise anpassen. Doch sie bewegen sich dabei auf einem schmalen Grat: Denn Preiskämpfe, wie sie derzeit bei den Autobauern an der Tagesordnung stehen, ruinieren das Geschäft nachhaltig. Deutschlands Spitzenköche suchen daher nach kreativen Auswegen aus der großen Essenskrise - und entdecken dabei die Reize der Heimat wieder neu. 

Genaue Zahlen für den Einbruch in der Hochpreis-Gastronomie gibt es noch nicht. Doch selbst hochdekorierte Köche berichten von deutlichen Umsatzeinbußen. Im 3-Sterne-Lokal Schlosshotel Lerbach etwa sind die Umsätze seit Ausbruch der Wirtschaftskrise um 20 Prozent gesunken. „Die Sternegastronomie spürt die Krise am stärksten“, sagt Stefanie Heckel, Sprecherin des Gastronomieverbandes DEHOGA – doch die Krise trifft längst nicht alle Betriebe gleich stark. „Schwer haben es alle Restaurants, die von Spesenessern und Caterings leben“, erklärt Manfred Kohnke, der scharfzüngige Chefredakteur des Gastro-Guides Gault Millau. „Jene Restaurants, in die Menschen mit ihrem eigenen Geld gehen, haben kein Problem.“

Kohnkes Spesenesser sind aber nun mal Umsatzbringer für viele Nobelköche. Den Spitzengastronomen fehlen die Geschäftsleute, die in dunklen Anzügen beim Viergang-Menü einen lukrativen Deal besiegeln. Es fehlen die Manager, die ihre besten Mitarbeiter nobel zum Essen ausführen. Das Geschäft mit Banketten, Firmenfesten, Weihnachtsfeiern: Es bröckelt, bricht weg, verschwindet. Geschäftsleute, die wegen Sparmaßnahmen hunderte Leute entlassen, können ein teures Essen im Gourmettempel heute kaum mehr rechtfertigen. Nur die Führungsebene traut sich noch in teure Restaurants. „Wer auf Klientel aus war, die unterhalb der Chefs angesiedelt war, der hat jetzt Probleme“, sagt Kohnke.

Porträt Frank Buchholz Quelle: Farideh Diehl

Die ersten Gastronomen haben schon aufgeben müssen. In Berlin machte das Sternerestaurant Vitrum im Ritz Carlton Hotel dicht, im schwäbischen Thannhausen musste das Sternerestaurant Schreieggs Post seine Pforten bis auf weiteres schließen. Auch im Landhaus Henze, einem Gourmetlokal im Oberallgäu, purzelte der Michelin-Stern recht plötzlich vom Himmel: Im Mai legte Inhaber Christian Henze sein Restaurant still, um sich stärker neuen Konzepten zu widmen.

Während sich manche Branchen bereits Hoffnungen auf ein Ende der Konjunkturflaute machen, stellen sich Deutschlands Top-Gastronomen auf ein bitteres Jahresende ein. „Die großen rauschenden Feste werden nicht stattfinden oder nur sehr vereinzelt“, warnt Alexander Herrmann, Sternekoch und Chef der Spitzenköche-Vereinigung „Jeunes Restaurateurs“.

Dennoch ist er überrascht: Denn anders als bei früheren Krisen lassen sich die Deutschen diesmal die Laune nicht verderben. „Es sind zwar extreme Sparmaßnahmen bei Firmen da, aber die Lust und das Vertrauen haben sich die Menschen nicht nehmen lassen“, stellt er fest. In seinem Restaurant bleibe  zwar die Geschäftsklientel aus, aber die Zahl der Individualgäste sei eher gestiegen.

Hermanns Krisenrezept ist es, seinen Gästen mehr statt weniger zu bieten: „Ich habe versucht, das Erlebnis für meine Gäste noch zu steigern“, sagt er. Der Spitzengastronom hat seine Karte etwas überarbeitet und hat ins Menue einige Details wie z.B. ein Sorbet vor dem Hauptgang oder eine spezielle Sensorik-Schokolade integriert. „Meine Gäste sollen rundum glücklich nach Hause gehen, denn das spricht sich rum“ sagt er.

Eines will er jedenfalls auf keinen Fall: An der Preisschraube drehen und seine Gerichte billiger anbieten. Höchstes Niveau in der Küche hat seinen Preis – mit diesem Argument wehren sich auch seine Kollegen gegen Schleuderpreise im Luxusrestaurant. Zutaten für die Haute Cuisine sind teuer, alle Gerichte werden von Hand gemacht, dazu kommen noch der aufmerksame Service. Die dafür notwendigen Arbeitskräfte müssen auch bezahlt werden, argumentieren die Sterneköche. Deshalb könne Spitzengastronomie nie billig sein.

Spitzenköche bieten mehr Regionales an

Im Einkauf entdecken die Spitzenköche ihre eigene Heimat neu – und setzen nun viel stärker auf regionale Delikatessen.

„Wir kommen seit längerer Zeit von den absoluten Luxusprodukten weg“, erzählt Nils Henkel, Chef des Restaurants Schlosshotel Lerbach und Gault Millaus Koch des Jahres 2009. Henkel zählt zu Deutschlands besten Köchen, doch er muss keinen Kaviar auf der Karte haben. Denn der Preis für das „schwarze Gold“ sei in letzter Zeit stark gestiegen. Den teuren Steinbutt hat Henkel nach wie vor auf der Karte, weil der bei manchen Kunden immer noch sehr gefragt sei.

In seinen Mittagsmenüs setzt Henkel aber eher auf Gerichte wie einen leicht angeräucherten Saibling, der bei Niedertemperatur gegart wird. Dazu serviert Henkel einen Sud von Röstzwiebeln mit Tapioka, dazu gibt’s Vogelmiere, ein frisches Kraut mit einem leichten Geschmack nach jungem Mais. „Wir haben auch die Möglichkeit, mit regionalen Produkten zu arbeiten und daraus eine interessante Mischung zusammenzustellen“, sagt Henkel.  Da ist dann eben die Kreativität gefragt, aus einem einfachen Produkt ein attraktives Gericht zu zaubern, dass dem Gast den Preis auch wert ist. Denn billig ist Henkels Kochkunst nicht: Für einen viergängigen Mittagslunch verlangt er 110 Euro, inklusive einem Glas Champagner, Wasser und Kaffee. Gut die Hälfte seiner Mittagsgäste entscheidet sich bereits für Henkels Lunch-Angebot.

„Ich werde immer regionaler“, sagt auch Frank Buchholz, Betreiber des gleichnamigen Restaurants in der Nähe von Mainz. Vor zwei Jahren hat Buchholz den ersten Michelin-Stern in Mainz erkocht, im Gault Millau kommt er auf 16 Punkte – und trotzdem will er einige Torheiten seiner Kollegen nicht mitmachen. „Wenn ich Tomaten in der Hochsaison aus Sizilien hole, macht das keinen Sinn. Ich nehme lieber einen aus dem Rhein geangelten Zander als einen Seewolf aus der Bretagne“, erklärt Buchholz.

Vom elitären Nimbus der Sterneküche hält Buchholz nicht allzu viel. Wartelisten für Nobelrestaurants findet er verlogen – das sei keine Gastgeber-Situation. „Ich will Gäste, die spontan genießen“, sagt Buchholz. „Ich will auch hören, dass die Gäste Spaß haben“. Die Spitzengastronomen, meint Buchholz, haben den Zeitgeist verpennt. Viele würden ihre Gäste mit Empfehlungen belehren, anstatt sie einfach genießen zu lassen. Seine Sommeliers böten Empfehlungen deshalb nur auf Nachfrage an – und keiner seiner Hauptgänge kostet über 40 Euro.

Mit diesem ungewöhnlichen Konzept schafft sich Buchholz eine Nische im Nobelgastronomie-Markt – eine Strategie, die Gault-Millau-Chefredakteur Kohnke als zukunftsweisend sieht. Im Gourmet-Mekka Paris gibt es vermehrt junge Köche, die sich mit einer sehr kleinen Karte selbständig machen und sich nur mehr auf ihre Spezialität konzentrieren. „Die haben bei ihren Chefs die große Oper gelernt“, drückt es Kohnke aus. „Dann singt aber jeder nur seine Arien – das aber zu einem vernünftigen Preis.“.

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