Sportartikel Unmenschliche Zustände bei chinesischem Zulieferer von Puma

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Schuhkartons und ein Quelle: dpa-dpaweb

Wütend macht Zhang auch, dass er praktisch nicht kündigen könne. Der Grund: Das Unternehmen behalte den ersten Monatslohn als Kaution ein und kette die Arbeiter so an den Betrieb. Zwar könne er kündigen und gehen, doch zahle die Firma ihm dann die Kaution nicht zurück – Alltagspraxis auch in vielen anderen chinesischen Unternehmen. Puma räumt ein, dass es Arbeitern „zunehmend erschwert“ worden sei, zu kündigen. Man habe das bei der Revision im Februar festgestellt und arbeite mit dem Management an einer Verbesserung.

Solche Praktiken will die chinesische Regierung nicht länger dulden und hat darum ein Gesetz verabschiedet, das Arbeiter wie Wang und Zhang deutlich besserstellen soll. Das Paragrafenwerk, das etwa vorsieht, dass Unternehmen für ihre Belegschaften Beiträge zur Renten-, Kranken- und Unfallversicherung abführen müssen, trat im Januar dieses Jahres in Kraft. Seitdem haben rund 8000 Fabriken der unterschiedlichsten Branchen den Betrieb eingestellt. Doch auch hier, sagt CLW, schummele der Puma-Schuhfabrikant. So versichern die beiden Arbeiter, der Betrieb zahle nur Rentenversicherungsbeiträge. Für die Kranken- und Unfallversicherung gebe es nichts – ein Manko, das CLW anprangert: „In der Praxis wird nur in die Rentenversicherung gezahlt“, heißt es im Report. Tatsächlich führt das Unternehmen nur für einen Teil seiner Mitarbeiter Sozialbeiträge ab, wie Puma-Mann Hengstmann einräumt. Dies werde jedoch nach und nach geändert: „Viele Herstellerfirmen wissen noch nicht, wie die Implementierung des neuen Arbeitsgesetzes funktioniert. Für diese führen wir gezielt Seminare durch.“

CLW sagt, Dongguan Surpassing sei kein Einzelfall. Vielmehr sei davon auszugehen, dass es auch bei anderen Puma-Lieferanten in China erhebliche Missstände gebe. So ist es kaum zwei Monate her, dass CLW in einem Report vergleichbare Zustände bei einem anderen Puma-Zulieferer kritisiert hat, dem ebenfalls taiwanisch geführten Schuhhersteller Taiway. Damals hatte Puma reagiert. „Dort geht es den Arbeitern jetzt wirklich besser“, versichert CLW-Direktor Li Qiang. Puma sagt, man sei den Vorwürfen nachgegangen, die sich jedoch „fast ausnahmslos“ als haltlos erwiesen hätten. Allerdings habe es Probleme beim Gesundheitsschutz gegeben, deshalb habe Puma den Lieferanten in einer internen Wertung herabgestuft.

Was Li aufregt, ist, dass Puma seiner Ansicht nach nicht alle seine Fabriken in China intensiv überprüfe, sondern nur auf Fälle reagiere, die an die Öffentlichkeit kämen. „Wir haben Puma geraten, die Missstände bei Taiway nicht als Einzelfall zu behandeln“, sagt Li, „doch unser Rat wurde ignoriert.“ Puma weist das zurück, schließlich seien im vergangenen Jahr weltweit 344 Zulieferer überprüft worden.

Für die Konzerne sind Vorwürfe wie die von CLW heikel: Puma, Nike und Adidas sind im Kern nichts anderes als gut geölte Markenmaschinen, die ihre Schuhe und Leibchen vor allem in Asien massenhaft und preiswert herstellen lassen. Sportartikler leben vor allem von ihrem Image, von Heldengeschichten und Fantasien, die sie um ihre Produkte weben und die es ihnen am Ende erlauben, mehr als 100 Euro für ein simples Paar Turnschuhe zu verlangen, das für einige wenige Euro in China zusammengeklebt wurde. Deshalb prallen innerhalb ein und desselben Unternehmens Welten aufeinander: Die Markenwelt mit ihren Produktdesignern und Trendscouts, die global konsumierbare Images entwerfen, stößt auf die Industriewelt der Zulieferer – die noch immer häufig schlicht nach Ausbeutung riecht.

Seit gut 15 Jahren protestieren Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschaftler und Kirchengruppen gegen miserable Arbeitsbedingungen: Sie stellen McDonald’s ebenso an den Pranger wie den Spielzeughersteller Hasbro. Nike und Adidas erlebten das erstmals massiv vor etwa zehn Jahren, als Menschenrechtsgruppen schwere Vorwürfe wegen der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben erhoben.

Zwar haben etwa Adidas, Puma und Co. gelernt, mit Kritik von Nichtregierungsorganisationen umzugehen. Sie gaben sich Verhaltenskodizes, schlossen sich der amerikanischen Fair Labor Association (FLA) an, die die Einhaltung von Arbeitsplatz-Standards überwacht, schufen Stabsstellen, die sich um die Situation bei den Zulieferern kümmern. Diese stellen zugleich den Kontakt her zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie der Christlichen Initiative Romero oder der Clean Clothes Campaign (CCC), die auch die Beschaffungspraktiken von Handelskonzernen wie Arcandor, Hennes & Mauritz, Otto, Tchibo und Aldi im Visier haben.

„In den vergangenen Jahren haben wir deutliche Fortschritte erzielt“, sagt Puma-Mann Hengstmann. Sein Pendant bei Adidas, Frank Henke, sieht die Sportartikler in Sachen Transparenz sogar weit vor anderen Branchen. So veröffentlichen Adidas, Puma und Nike die Namen ihrer Zulieferer und dokumentieren die Zustände – für andere Industriezweige undenkbar. Auch das grundsätzliche Problem der Niedriglöhne geht die Branche offenbar an. „Es wäre das falsche Signal, wenn ein Unternehmen alleine den Lohnkostenanteil an seinen Produkten in einer Einzelaktion erhöhen würde“, heißt es bei Puma. Das erfordere eine konzertierte Aktion. „In Zusammenarbeit mit der Industrie und der FLA diskutiert Puma gerade diese Thematik.“ Damit erhöhen die Branchengrößen auch den Druck auf kleinere Marken wie Fila, Kappa oder Lotto. Die sind im Windschatten der Riesen unterwegs und nach Ansicht der CCC, einem Netzwerk von Gewerkschaften und Verbrauchergruppen, noch weit entfernt von Verbesserungen in den Produktionsstätten.

Doch zufrieden sind die Kritiker auch mit den Sportriesen längst noch nicht. Im Anfang Mai veröffentlichten Bericht der Organisation Play Fair at the Olympics heißt es, obwohl die Markenartikelhersteller seit 15 Jahren über Verhaltenskodizes verfügten, habe sich „die Situation für die Arbeiter kaum verbessert“. Und auch Puma räumt ein: „Obwohl wir bereits seit Anfang der Neunzigerjahre an einer Verbesserung der Bedingungen in den Zulieferbetrieben arbeiten, ist weiterhin viel Potenzial für Verbesserungen vorhanden.“ Wang Liqing und Zhang Ye können das sicher bestätigen.

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