Sportartikel Unmenschliche Zustände bei chinesischem Zulieferer von Puma

Chinesische Fabrikarbeiter klagen Puma wegen unmenschlicher Zustände an. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die Schattenseiten der Globalisierung.

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Wohnheim bei Dongguan Surpassing: Laut einem Bericht herrschen bei dem Puma-Lieferanten unmenschliche Zustände Quelle: China Labor Watch

Wang Liqing* behauptet steif und fest, sie sei 18 Jahre alt. Doch mit ihrem kindlichen Gesicht, ihrer zierlichen Figur, den silbernen Pailletten auf ihrem gelben T-Shirt wirkt die Chinesin einige Jahre jünger. Wang kam vor zwei Jahren aus dem Westen Chinas nach Dongguan im Südosten des Landes. Dongguan, das ist immer noch die Fabrik der Welt. Laptops, Spielzeug, Schuhe – von hier aus versorgt China Europa und die USA mit den Gütern, die der westliche Konsument verlangt. Hier wollte Wang Liqing ihr Glück machen, sie wollte Geld verdienen für ihre Eltern im verarmten chinesischen Hinterland. Also heuerte sie bei Dongguan Surpassing Shoe an, einem Unternehmen aus Taiwan, das in China hauptsächlich Schuhe für den deutschen Sport- und Lifestylekonzern Puma aus Herzogenaurach produziert.

Doch der Ausflug in die Boomregion endete für Wang mit einer Enttäuschung. „Oft ist es nicht zum Aushalten“, klagt das Mädchen, während sie aus dem kleinen Restaurant auf die belebte Hauptstraße der südchinesischen Metropole blickt. Sie spricht leise, wirkt verschüchtert, die Angst vor Repressalien des Arbeitgebers ist groß; dass sie sich überhaupt hierher traute zum Gespräch mit dem Reporter aus dem Westen, kostete sie Überwindung.

Fertigungsraum bei Dongguan Surpassing: Arbeiter leiden unter den kritischen Bedingungen in der Fabrik Quelle: China Labor Watch

Nach einer Untersuchung der New Yorker Nichtregierungsorganisation China Labor Watch (CLW), die der WirtschaftsWoche vorliegt und die an diesem Montag veröffentlicht wird, herrschen bei dem taiwanischen Puma-Lieferanten in Südchina zum Teil unmenschliche Zustände: Insekten im Mittagessen der Kantine, erzwungene Überstunden, Gestank von Klebstoffen und Lösungsmitteln sowie nicht abgeführte Sozialbeiträge sind nur einige der Mängel, die die CLW-Ermittler festgestellt haben. „Die Arbeiter bei Dongguan Surpassing leiden Tag für Tag unter den kritischen Bedingungen in der Fabrik“, sagt Li Qiang, Direktor bei CLW in New York.

Bevor am 8. August in Peking die Olympischen Spiele starten, rücken die Arbeitsbedingungen in den Fabriken ins Visier von Menschenrechtsgruppen und Globalisierungskritikern. Weltweit wollen sie die Empörung schüren angesichts einer nicht abreißenden Kette von Niedrigstlöhnen, Repressalien und gesundheitsgefährdenden Zuständen in den Fertigungsstätten westlicher Markenartikler. Dabei bilden die Zustände in Zulieferbetrieben von Puma, Adidas, Nike, Otto, Tchibo und Co. nur die Spitze des Eisberges – ungleich schlimmer noch, sagen Experten, geht es bei vielen chinesischen Herstellern zu, die keine großen westlichen Abnehmer haben oder fast nur für den chinesischen Markt produzieren. Bei solchen Unternehmen würden Überstunden häufig überhaupt nicht bezahlt, seien Schutzkleidung und Masken nicht einmal vorhanden und teilten sich bis zu 30 Arbeiter ein Wohnheimzimmer.

Über die Bedingungen in diesen Betrieben dringt noch seltener etwas nach außen – zu dicht halten die Reihen der chinesischen Wirtschaftslobby und der örtlichen Behörden. Nichtregierungsorganisationen wie China Labor Watch sind gezwungen, unter konspirativen Bedingungen ihre Informationen zu sammeln, und stellen dann gezielt weltweit bekannte Marken an den Pranger, in der Hoffnung, Konsumenten im Westen auf die Missstände aufmerksam zu machen. Die sollen Druck auf die Unternehmen ausüben, die dann, nicht zuletzt um ihr mühsam aufgebautes Image zu schützen, gegen Missstände vorgehen.

Nicht nur Li Qiang von China Labor Watch hat die Erfahrung gemacht, dass sich an den Arbeitsbedingungen nur dann etwas zum Besseren ändert, wenn ein ausländischer Abnehmer da ist, der knallhart Druck ausübt und mit Auftragsentzug droht – ein kräftiger Hebel, denn allein in den Zulieferbetrieben von Adidas in China sind 300.000 Menschen beschäftigt, für Puma arbeiten in der Hochsaison weltweit 250.000. Die chinesischen Institutionen selbst gelten als zu schwach, um Missstände zu beheben.

Hinzu kommt, dass in einem Land wie China andere Sozialstandards gelten und die vorhandenen nicht selten verletzt werden, weil die Mechanismen zur Durchsetzung und Ahndung von Verstößen bestenfalls ansatzweise ausgebildet sind. In der Praxis besticht der Fabrikbesitzer oft den Mann in der Behörde. Das Problem verschärft sich in dem Maß, da ein westlicher Markenartikler mit einem kleineren Hersteller wie Dongguan Surpassing statt mit großen wie Yue Yuen oder Evervan zusammenarbeitet. Denn die großen stehen stärker im Blickpunkt als die vielen schwerer zu kontrollierenden kleinen. Wer hier ernsthaft westliche Standards durchsetzen will, begibt sich auf einen langen Marsch.

Wirklich lösen ließe sich das Problem wohl nur, wenn etwa die Sportartikler in jede Fabrik dauerhaft einen eigenen Mitarbeiter entsenden würden, der die Arbeitsbedingungen im Blick hat, am besten einen sprachkundigen Ausländer. Das aber wäre sehr teuer – schätzungsweise einen zweistelligen Millionenbetrag müsste Puma auf den Tisch legen, um in jedem der gut 400 Zulieferbetriebe Experten zu installieren.

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