Sportartikelhersteller Wie Puma zu Nike und Adidas aufschließen will

Der Sportkonzern Puma hinkt den Branchenriesen Nike und Adidas hinterher - und rüstet sich dennoch zum Milliardensprung.

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Einhandsegler Quelle: Laif

Der dreiteilige Klotz mit den Solarzellen auf dem Dach hört auf den Namen Puma Vision Headquarters und liegt mit der Hausnummer 1 am Puma-Way an der Puma Plaza. Sieben Stockwerke hoch und 130 Meter lang macht sich die neue Zentrale an der Ortseinfahrt von Herzogenaurach breit, beherbergt mehr als 700 Mitarbeiter und das Ego von Jochen Zeitz.

Zwar ist Pumas Vorstandsvorsitzender im heimischen Franken nicht allzu häufig anzutreffen, weil er meistens durch die Weltgeschichte jettet – künftig eher noch mehr, wenn er wie gerade verkündet 2011 den Chefposten bei Puma aufgibt und dafür in der Hierarchie seines französischen Mehrheitseigners aufsteigt, dem französischen Konsum- und Luxuskonzern PPR.

Doch am heutigen Dienstag war Zeitz mal wieder vor Ort und erklärte, wie er den Konzern bis 2015 von derzeit 2,5 auf mehr als 4,0 Milliarden Euro Umsatz hieven will (Details zu den Quartalszahlen finden Sie hier).

Schon bevor der umtriebige Manager den Schleier über der sogenannten Phase IV der Unternehmensentwicklung lüftet, zeichnen sich die Konturen des neuen Puma ab: Stärkere Muskeln soll die Raubkatze kriegen.

Yoga und Surfen

Intern fasst Zeitz die Strategie unter dem Kürzel TREE zusammen (Transform, Reinforce, Exploit und Evolve, also transformieren, verstärken, ausschöpfen und entwickeln). Konkret heißt das unter anderem: Zeitz will neue Produkte schneller entwickeln und auf den Markt bringen. Er will Puma zu einem der führenden Konzerne in Sachen Nachhaltigkeit machen. Investitionen werden künftig wohl stärker in Richtung Wachstumsmärkte gelenkt – derzeit liegt der Umsatzanteil in Regionen wie Asien und Lateinamerika am Puma-Geschäft laut Analysten mit 30 Prozent unter dem etwa von Konkurrent Adidas, der auf 38 Prozent kommt.

Das alles nutzt aber gar nichts, gelingt es Zeitz nicht zugleich, die Begehrlichkeit für Shirts und Schuhe der Marke zu verstärken oder neu zu wecken. Stilprägende Schuhmodelle wie der Sneaker Speed Cat, der Puma Mitte des vergangenen Jahrzehnts Millionenumsätze bescherte, sind seit geraumer Zeit Mangelware.

Baustellen gibt es genug: Im wichtigen Bereich Fußball muss Puma als Nummer drei kämpfen, von Nike und Adidas nicht abgehängt zu werden. Bei anderen Teamsportarten wie Handball oder Basketball ist noch viel Luft nach oben. Im weltweit wachsenden Trendsegment Outdoor will Puma seine Segelkollektion ausbauen; 2011 startet ein neues Puma-Boot zum -Segelrennen Volvo Ocean Race – ob das aber reicht? Und im Laufschuhmarkt geben Nike und Adidas Gas, während Puma trotz Werbe-Sprintstar Usain Bolt nur lang-sam vorankommt, zudem hart bedrängt vom japanischen Laufspezialisten Asics.

Mit all dem hat der vierköpfige Vorstand am Puma-Way so viel zu tun, dass ein großer Zukauf – etwa der deutschen Schlechtwettermarke Jack Wolfskin, über den spekuliert wird – unwahrscheinlich ist. Geld für Akquisitionen wäre zwar vorhanden. Puma ist finanziell gesund und verfügt über mehr als 400 Millionen Euro an flüssigen Mitteln. Dennoch erwarten Experten eher Ergänzungen des Portfolios und kleine strategische Zukäufe – etwa in Richtung Yoga oder auch Surfen. Mit der schwedischen Trendmarke Tretorn, die vor allem Sneakers, T-Shirts und Gummistiefel anbietet, besitzt Puma zudem noch eine zur Modemarke ausbaufähige Perle, die Zukäufe überflüssig machen könnte.

Umsatz-Beschleuniger. Quelle: AP

Größere Akquisitionen wird es wohl erst unter dem Dach der neuen PPR-Sparte Sport und Lifestyle geben. Deren Hauptmarke soll nach dem Willen von PPR-Chef François-Henri Pinault Puma sein, an der Spartenspitze wird Zeitz stehen. Doch damit beide – Sparte wie Zeitz – gut dastehen, muss Puma liefern.

Pumas Grundproblem: Der Konzern ist nicht mehr klein genug, um bei Trendsettern wirklich hip zu sein. Gleichzeitig hat die Raubkatze zu kurze Beine, um mit den vier- bis sechsmal größeren Riesen des Gewerbes, Adidas und Nike, beim Millionen-Rennen um massentaugliche Sportstars wie Lionel Messi und Vereine wie Bayern München mithalten zu können. Klaus Jost, Vorstandschef der Sporthändler-Genossenschaft Intersport: „Puma weicht geschickt auf Felder wie Golf und Segeln aus, weil Adidas und Nike vieles andere dichtmachen – der Verdrängungskampf im Sportsegment ist beinhart.“

Um in dem Wettbewerb zu bestehen, muss Puma allerdings wachsen. Ende Juli kündigte Zeitz daher an, Puma wolle unter der Überschrift „Phase IV Revisited“ angreifen. Was klingt wie das Sequel eines mittelprächtigen Science-Fiction-Streifens ist der Versuch, unter veränderten Vorzeichen an der eigenen erfolgreichen Vergangenheit anzudocken.

Skepsis unter Investoren

Anfang der Neunzigerjahre stand Puma kurz vor der Pleite. Zwischen Potenzial der Marke und Umsätzen lagen Welten. Doch dann machte Zeitz, der 1993 mit 30 Jahren zum Vorstandschef des späteren MDax-Wertes aufstieg, den siechen Konzern wieder flott. Dazu definierte er vier Phasen: Phase I (1993 bis 1997) und II (1997 bis 2002) standen im Zeichen von Sanierung und Neuausrichtung. In Phase III (2002 bis 2005) polierte der Marketing- und Finanzprofi die Marke, trimmte sie mit Designerkooperationen etwa mit Philippe Starck und Jil Sander sowie eigenen Läden auf Wachstum. Lagen die Umsätze bei Zeitz’ Amtsantritt bei 210 Millionen Euro, schossen sie bis Ende 2005 auf fast 1,8 Milliarden Euro in die Höhe.

2006 startete Zeitz die Phase IV mit dem Ziel, Puma zum „begehrtesten Sportlife-stylekonzern“ zu machen. Durch Zukäufe, neue Sportarten und regionale Expansion wollte er möglichst nah an das Umsatzpotenzial von vier Milliarden Euro herankommen. Einiges davon hat er umgesetzt: Puma kaufte von regionalen Partnern ein Dutzend Lizenz- und Vertriebsrechte zurück und startete fünf neue Produktkategorien – Golf, Segeln, Schwimmen, Motorrad und Jeans. Außerdem übernahm der Konzern den Merchandising-Spezialisten Brandon und den Golfanbieter Cobra.

Doch spätestens die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 machte dem Puma-Chef und seinem zwischenzeitlich eingestiegenen Mehrheitseigner PPR einen Strich durch die Rechnung. Der Umsatz stagnierte, 2009 sank er gar erstmals in der Zeitz-Ära um 2,5 Prozent auf knapp 2,5 Milliarden Euro. Christoph Schlienkamp vom Düsseldorfer Bankhaus Lampe: -„Puma war von der Krise härter betroffen als Adidas und Nike, weil die Ausrichtung modischer und damit anfälliger für die Konsumentenstimmung ist.“

Analysten zweifeln daher nun an der Neuauflage von Phase IV: „Unter Investoren herrscht noch immer Skepsis, nachdem Puma die ursprünglichen Ziele der Phase IV klar verfehlt hat“, schreibt -Melanie Flouquet von J.P. Morgan Cazenove in einer Studie. Es werde schwer für Puma, an die Vier-Milliarden-Schwelle heranzukommen. Der Konzern habe bereits vor der Krise in Kernmärkten Europas und Asiens sowie in Produktkategorien wie Lifestyle und Motorsport Marktanteile verloren. Flouquet rechnet spitz mit jährlichen Wachstumsraten von allenfalls sechs Prozent und kommt so für 2015 auf einen Umsatz von 3,4 Milliarden Euro.

Aktien-Info zu Puma

Branchenkenner fragen sich auch, was Puma davon hat, wenn Zeitz als Nachhaltigkeitsapostel um den Globus düst und als frisch ernannter Corporate Sustainability Manager durch den PPR-Konzern fegt. Verpackt er künftig Gucci-Pumps in Stoffbeuteln? Zeitz profiliert sich mit Verve als grüner Prophet: Auf der Frankfurter Buchmesse stellte er gerade mit Benediktiner-Pater Anselm Grün ein Buch über „Gott, Geld und Gewissen“ vor. Im Frühjahr kündigte er ein umfangreiches Nachhaltigkeitsprogramm für Puma an und will unter anderem von der zweiten Jahreshälfte 2011 an sämtliche Schuhkartons verbannen (siehe WirtschaftsWoche 17/2010). Der Kurs soll Geld sparen und aufs Image einzahlen – aber das wird dauern.

Buch mit Pater Anselm

Mit Zeitz’ neuer Position rücken nun die drei weiteren Puma-Vorstände Melody Harris-Jensbach, Stefano Caroti und Klaus Bauer stärker ins Blickfeld. Für sie läuft praktisch die Probezeit: Wird Zeitz wie geplant nach der Hauptversammlung im April 2011 und der Umwandlung der AG in eine europäische Aktiengesellschaft Puma-Verwaltungsratschef, wird der Vorstandsvorsitz neu besetzt. Sollte die Wahl auf einen internen Kandidat fallen, rechnen Marktkenner Vertriebsvorstand Caroti, der vor zwei Jahren von Nike kam, gute Chancen aus. Der Italiener ist ein alter Hase und gilt als dynamischer Antreiber. Von ihm und seinem Können hängt stark ab, ob Puma die Ziele der Phase IV erreicht.

Offen ist indes noch, wie lange Zeitz PPR erhalten bleibt. Sein Vertrag läuft bislang bis 2012. Der Mann ist dann immer noch erst 49 – eindeutig zu jung fürs Kloster.

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