Stadtwerke Warum die Kommunen ihre Stadtwerke aufrüsten

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Eine Hinweistafel mit dem Quelle: dpa/dpaweb

Das Vattenfall-Atomkraftwerk Krümmel erschreckte durch Trafobrände. Die anschließende Krisenkommunikation der Vattenfall-Manager an der Elbe glich der kargen schwedischen Mitteilsamkeit nördlich des Polarkreises. Zudem stiegen und stiegen die Preise für Vattenfall-Strom – noch stärker als die Gas-Tarife der E.On-Tochter Hanse, die ebenfalls in der Region wirkt und der kürzlich Preiserhöhungen gerichtlich verboten wurden. Dass die Politiker das Spiel irgendwann einmal leid waren, dauerte zwar seine Zeit. Jetzt aber ist Schluss, und die neuen Stadtwerke Hamburg sollen den Kontrapunkt setzen.

Ein düsteres Beispiel für misslungene Privatisierung sind auch die Stadtwerke Kiel. Nachdem sie vor neun Jahren der texanische Energiekonzern TXU mehrheitlich übernahm, wurden „wir geführt wie ein Hedgefonds, für den Kunden nur Einnahmequellen sind, die irgendwo in Amerika versickern“, erinnert sich ein Stadtwerker. Bald geriet TXU in wirtschaftliche Schwierigkeiten und verkaufte das Unternehmen an die Mannheimer MVV.

Wohin die Reise bei den erstarkenden Stadtwerken geht, zeigt besonders anschaulich der Verbund Trianel, der auch hinter der kommunalen Neugründung der Stadtwerke Hamburg gegen Vattenfall steht. Trianel organisiert für die Mitglieder nicht nur die Kundenabrechnung und die Personalverwaltung.

Die Aachener verfügen auch über eine Banklizenz für die Absicherung von Stromeinkaufskontrakten. „Soll man alles nur den Großen überlassen, oder sollen Stadtwerke im Markt auch eine Rolle spielen?“, fragt Becker. Trianel will es, keine Frage, auf eine Stufe mit den großen der Branche schaffen. Beckers Meisterstück ist ein gemeinsames zwei Milliarden Euro teures Gaskraftwerk seiner Verbundsmitglieder » » im westfälischen Hamm-Uentrop, das vor 2007 in Betrieb ging.

Andalusische Sonne für Bayern

Auch Kurt Mühlhäuser, Chef der Münchner Stadtwerke, will es den Großen nachmachen. Er steht in seinem Büro und zeigt mit einem Kugelschreiber die Felder auf der Nordsee, in denen die Münchner gerade Probebohrungen in norwegischen Gasfeldern begonnen haben. Er lächelt verschmitzt. Ja, ein Stadtwerk aus Bayern beteiligt sich über seine Tochter Bayerngas (Anteil Münchner Stadtwerke: 44,5 Prozent, 27 Prozent Augsburg, Rest: Landshut) an der Exploration in 6000 Meter Tiefe vor den Küsten Norwegens – dort, wo sonst nur E.On, Shell und BP ihre Bohrgestänge versenken.

Die Stadtwerke-Tochter Bayerngas sicherte sich bereits vor vier Jahren Lizenzen für Erdgasfelder vor der Küste Norwegens. Ende dieses Jahres sollen die Erkundungen vollendet sein und das erste Erdgas gefördert werden. Mühlhäuser: „Unser Ziel ist es, in einigen Jahren zwei bis drei Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich zu fördern.“ Zudem bohren die Isar-Stadtwerker auch noch nach Öl. 39 Öl- und Gasfeldbeteiligungen haben die Bayern insgesamt erworben. Operative Unternehmen vor Ort sind die Bayerngas Norge und eine kleine schwedische Firma mit Geophysikern, die auf Feldexploration spezialisiert sind. Die Münchner fühlen sich deshalb im Meer gut aufgestellt.

Den Grund für das Engagement im kühlen Norden erklärt Mühlhäuser so: „Wir wollten eigentlich Importverträge für Erdgas mit Norwegen abschließen, doch das war nicht erfolgreich. Da hatten wir die Idee, selbst dort tätig zu werden. Norwegen lässt es ja zu, dass sich auch ausländische Unternehmen an der Gasgewinnung beteiligen.“

Zugleich steckt hinter der Expansion jedoch die Münchner SPD. Denn der Stadtwerke-Chef will die Nordseeförderung auch forcieren, weil die Sozialdemokraten im Rathaus entschieden haben, dass die Stadtwerke das Atomkraftwerk Ohu II bei Landshut 2020 abschalten. Gleichzeitig treibt der politische Zwang, von der Kernkraft wegzukommen, Mühlhäuser auch nach Spanien. Dort haben sich die Münchner an einem solarthermischen 50-Megawatt-Kraftwerk in Andalusien beteiligt.

Doch zieht mit den Konzerngepflogenheiten auch das Effizienzdenken der Privatwirtschaft in den volkseigenen Konglomeraten und Energieriesen ein? Oder nisten sich früher oder später doch Pief und Filz in den Unternehmensstuben ein? Einen Kronzeugen für ihre Aufgabe, für mehr Wettbewerb zu sorgen, haben die Stadtwerker und Kommunalpolitiker. Und das ist kein Geringerer als der Chef der Bonner Bundesnetzagentur, Matthias Kurth. „Der Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt nimmt spürbar zu“, konstatiert er.

Quersubventionen sind an der Tagesordnung

Doch der Stadtwerke-Alltag ist weiterhin grau. Die Stadtwerke im ostdeutschen Neuruppin sind seit einigen Monaten als „Korrupin“ verrufen. Viele Lokalpolitiker hatten Sitze im Verwaltungs- und Aufsichtsrat der kommunalen Unternehmen. Transparenz ist bis heute nicht die Stärke der Stadtwerke, Quersubventionierung der Hallenbäder und Omnibusbetriebe durch Einnahmen der Energiesparten sind an der Tagesordnung. Das bemängeln jedoch viele Bürgern gar nicht. Eine Busfahrt vom Aachener Hauptbahnhof zur Trianel-Hauptverwaltung kostet einen Euro. „Da sieht man mal, wie durch gutes Wirtschaften im Energiesektor die Fahrpreise niedrig gehalten werden“, freut sich ein Manager von Trianel, zu denen selbstverständlich auch die Aachener Stadtwerke gehören. Dieser eine Euro für eine 20 Minuten lange Busfahrt macht die Stadtwerke in Aachen richtig populär – die Strompreise sind woanders auch nicht billig.

Den Praxistest für unternehmerisches Handeln können die deutschen Stadtwerker in den nächsten Jahren in München beobachten. Denn Münchens Oberbürgermeister Christian Ude hat bereits den ehemaligen Münchner Juso-Chef Florian Bieberbach als Nachfolger von Stadtwerke-Chef Mühlhäuser ausposaunt, der 66 Jahre alt ist und dessen Vertrag 2013 ausläuft. Möglicherweise tritt er aber schon vorher ab.

Der Kronprinz ist erst 37 und gehört schon der Geschäftsführung der Stadtwerke an. Allerdings säße der Filzvorwurf diesmal nicht mehr so passgenau wie vielleicht früher. Denn Bieberbach ist nicht nur Ex-Juso, sondern auch ehemaliger leitender Manager der Deutschen Bank in London, ein ausgewiesener Experte für Investmentbanking und Unternehmensrecht.

Wie sich Stadtwerke wandeln, wandelt sich möglicherweise auch der Filz.

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