Stahlindustrie Dreikampf um den Chefposten bei ThyssenKrupp

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ThyssenKrupp-Finanzvorstand Quelle: dpa

Es wird ein großes Maskentheater, das den ThyssenKrupp-Managern in den kommenden Monaten winkt. Hippe, Berlien, Eichler – keiner darf sich zu früh aus der Deckung wagen, zu schnell vorpreschen. Sich bedeckt halten ist die Devise. Eitelkeiten, zu viele Interviews oder zu strahlende Auftritte auf Ruhr-Bällen, Benefizgalas oder amüsante Show-Einlagen auf Pressekonferenzen kann sich keiner der drei leisten. Der Hügel in Essen, der Sitz der Stiftung und ihres Chefs Beitz, ist mitsamt seinen schallschluckenden Gobelins eine Tabuzone für lautes Lachen, monologisierende Einzelauftritte und andere Egotrips des Managements. Camouflage ist hier die passenden Garderobe.

Unübersehbar sind die Gemeinsamkeiten der Kandidaten. Sie liegen alle drei ziemlich mittig auf der Lebensspur. Zwischen Anfang 40 und Anfang 50 Jahre alt, haben sie in ihren bisherigen Jobs extrem viel erreicht – und dennoch genügend Zeit, in ein bis anderthalb Jahren eine Spitzenposition in der deutschen Wirtschaft für ein Jahrzehnt auszufüllen.

Sie besetzten in anderen Unternehmen schon Positionen, die andere Manager als die Krönung ihres Lebenslaufes betrachtet hätten. Bei Continental, Zeiss, Bertelsmann, hier haben sie in vergleichsweise jungen Jahren als maßgebliche Vorstände gedient, bevor sie vor sieben Jahren – oder wie Hippe erst vor acht Wochen – in den ThyssenKrupp-Konzern eintraten und seitdem mit Kronprinzenlorbeeren bedacht werden.

2009 wird für jeden der drei ein Schreckensjahr. ThyssenKrupp durchmisst den härtesten Wandel der Nachkriegszeit: Die Halbierung der Auftragseingänge, besonders im Stahl, muss verkraftet werden. Ein Großumbau steht an, die Abschaffung von Zwischenholdings. Mindestens 2000 Arbeitsplätze oder mehr werden kurzfristig abgebaut, 15.000 Stellen von 192.000 Arbeitsplätzen sind gerade auf dem Prüfstand, werden auf Sinn und Nutzen durchleuchtet. Das alles wäre schon ein schweres Pensum des von acht auf sechs Mitglieder dezimierten Vorstandes, wenn da nicht noch etwas wäre, was lähmend durch die Flure der Düsseldorfer Konzernzentrale schleicht.

Suche nach dem Thyssen-Krupp-Superstar

Die Angst vor einem historischen Megaverlust läuft um, der aus einer teuflischen Mixtur wegbrechender Aufträge in allen Geschäften, dahinschmelzender Preise und zusätzlicher Einmalkosten in geschätzter Höhe von 450 Millionen Euro herrührt, die durch Umstrukturierung und Wertberichtigungen entstehen. Hinzu kommen 455 Millionen Euro Verlust allein im zweiten Quartal. Alles zusammen könnte sich, so wird intern fieberhaft zusammengerechnet, am Ende des Geschäftsjahres zum Milliardenverlust aufaddieren.

In dieser Situation muss das Trio etwas Entscheidenes für die Konzerngesundung tun – die zurzeit noch in weiter Ferne ist. Nur alle drei zusammen können das schaffen. So wird die Sanierung von ThyssenKrupp zugleich die spannendste Castingveranstaltung der deutschen Wirtschaft in den nächsten Monaten, ein echtes BBTKS – Berthold Beitz sucht den ThyssenKrupp-Superstar.

Das Prüfungsprogramm für jeden der Teilnehmer liegt fest. Berlien, der Diplomkaufmann, der seinen ersten Job Anfang der Neunzigerjahre beim Computerbauer IBM in der Controlling-Abteilung fand, muss sich durch einen ziemlich verwinkelten Geschäftsbereich wühlen: die Technologie-Säule von ThyssenKrupp, die 20 Milliarden Euro Umsatz macht und in den vergangenen, guten Jahren über eine Milliarde Euro Gewinn einfuhr.

Die Sparte besteht aus Handelsschiffbau (Nordseewerke Emden, Blohm + Voss in Hamburg, HDW-Werft in Kiel), Großanlagenbau (Chiemieanlagen Uhde, Polysius Zementanlagen), Aufzügen und Rolltreppen und der Automobilzuliefersparte. Berliens Abenteuerspielplatz gleicht einem kleinen Siemens-Konzern unter dem Dach von ThyssenKrupp. Siemens-ähnliche „Megatrends“ auch hier: Umwelt (Meerwasserentsalzungsanlagen), Nahrungsmittel (Anlagen für Düngemittelproduktion), Energie (Bau von Gasanlagen) und Infrastruktur (Zementwerke).

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