Stefan Quandt „Ich habe keinen großen Geldspeicher wie Dagobert Duck“

Vor 30 Jahren erbte Stefan Quandt einen Großteil des Autobauers BMW – ihm gehören 104.747.120 Aktien. Seither hat sich sein Vermögen vervielfacht, obwohl manches schiefging. Jetzt wagt der Multimilliardär wieder etwas.

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Stefan Quandt erzielt mit der Beteiligung an dem erfolgreichen Autohersteller, zu dem auch die Marken Mini und Rolls-Royce gehören, sensationell hohe Einkünfte. Quelle: Auto-Medienportal.Net/BMW

Hamburg Stellen Sie sich vor: Sie sitzen bei Günther Jauch und wissen alles. Sie gewinnen eine Million. Malen Sie sich nun aus, die Sendung ist jeden Tag, und Sie sind jedes Mal dabei. Sie kennen alle Antworten und gehen stets als Gewinner aus dem Studio. Das geht eine Woche so, einen Monat, ein ganzes Jahr. Ihre Glückssträhne bricht nicht ab, Sie machen weiter. Nach sechzehn Jahren und fünf Monaten reicht es Ihnen. Sie zählen Ihr Geld. Es sind dann sechs Milliarden Euro.

Eine kaum vorstellbare Summe, aber es gibt eine Handvoll Menschen in Deutschland, die so reich sind. Einer ist Stefan Quandt. Ihm gehören 104.747.120 BMW-Aktien. Er würde keine verkaufen, aber andere handeln, und so gibt es ständig einen Börsenpreis. Gegenwärtig werden für BMW-Aktien 59 Euro bezahlt. Demnach sind Quandts Papiere rund 6,2 Milliarden Euro wert – plus Aufschlag, weil es ein Paket von immerhin 17,4 Prozent ist.

Mit der Beteiligung an dem erfolgreichen Autohersteller, zu dem auch die Marken Mini und Rolls-Royce gehören, erzielt Quandt sensationell hohe Einkünfte. Im Mai flossen 241 Millionen Euro Dividende auf sein Konto. Zum Vergleich: Der Clan der Porsches und Piëchs kassierte 104 Millionen, die ganze Siemens-Sippe 165 Millionen Euro. In Deutschland gibt es keinen, der mehr Dividende einstreicht als der 46-Jährige. Unter den Superreichen dieses Landes ragt Stefan Quandt in diesem Jahr heraus.

Wenn man den Multimilliardär fragt, was er mit den Ausschüttungen anfängt, erfährt man wenig. „Wir verwenden das Geld, um das Vermögen zu stabilisieren“, sagte Quandt in seinem bislang einzigen Interview mit der „Zeit“ im vergangenen Jahr. Er lehnte es ab, nähere Auskunft zu seinen Verhältnissen zu geben. Nur so viel: „Ich habe keinen großen Geldspeicher wie Dagobert Duck.“

Damit umschrieb Quandt, dass er sich nicht in erster Linie als Reicher begreift, sondern als Unternehmer, dessen Geld nicht auf Konten und Depots liegt, sondern in Produktionen und Geschäften investiert ist.

Dadurch ist Quandt gerade zur großen Hoffnung der Beschäftigten einer Solarfirma in Dresden geworden. Die Solarwatt AG ist infolge des Preisverfalls für Module in die Insolvenz gerutscht. Quandt, der an der Firma seit 1998 beteiligt ist, will sie retten. Am Montag ist die Entscheidung gefallen: Quandt schießt fünf Millionen Euro neues Kapital zu und gibt dazu noch ein Darlehen in gleicher Höhe. Die Gläubiger des Unternehmens, darunter auch Kleinanleger, müssen allerdings auf 84 Prozent ihrer Forderungen verzichten. Knapp 100 der 435 Mitarbeiter müssen Solarwatt verlassen.

Stefan Quandt gehört zu den Stillen und Unscheinbaren dieser ohnehin wenig auffälligen Industriellendynastie. Seine Schwester Susanne Klatten geriet in die Schlagzeilen, als sie 2007 Opfer eines Sex-Erpressers wurde und sich zur Wehr setzte. Seine Mutter Johanna, 86 Jahre, ist so unbekannt geblieben, dass sie, gefragt, ob sie die Frau Quandt sei, immer noch oft mit ihrer Lieblingsantwort davonkommt: „Ach ja, schön wär’s!“


Das geringe Geltungsbedürfnis von Stefan Quandt

Die drei halten gemeinsam 46,7 Prozent an BMW und kontrollieren den Konzern. Die Aktien gehören ihnen seit jenem Frühsommertag 1982, an dem Herbert Quandts Herz stehen blieb. Der Industrielle war nach einem Jachturlaub noch bei Verwandten in Kiel geblieben, während seine Frau und die Kinder schon nach Hause gereist waren.

Dreißig Jahre ist das her, Stefan Quandt war sechzehn und ging aufs Gymnasium. Seine Kindheit in Bad Homburg war behütet und beschützt verlaufen. Sicherheitsleute brachten ihn zur Schule und holten ihn ab, man hatte Angst vor Entführungen und dem RAF-Terror. Mit dem Fahrrad durch die Felder zu fahren wie andere Kinder, das war für die Quandt-Sprösslinge nicht drin.

Ihr Vater war fast blind, er konnte nicht mit seinen Kindern spielen oder Sport treiben. Aber er war ein guter Zuhörer, der jede Stimmung auffing, die in einer Stimme mitschwang. In den Sommerferien schipperte die Familie auf ihrer Motorjacht Seebär im Mittelmeer oder vor den Küsten Dänemarks herum. Zu Hause in der Villa auf der Ellerhöhe ging es dagegen förmlich zu, der Butler trug eine weiße Jacke. Von der Arbeit des Vaters, der mittags zum Essen heimkam, erfuhr der Sohn wenig. Er interessierte sich für Sport.

Herbert Quandt bereitete den Erbfall sorgfältig vor. Es ging um nicht weniger als das größte deutsche Industrievermögen, das sich in Privatbesitz befand. Nachkommen aus drei Ehen waren zu bedenken. Durch Übertragungen und Teilungen sorgte er dafür, dass die Erben nicht aneinandergekettet sein würden. Für Stefan und Susanne wurden Testamentsvollstrecker bestimmt. Erst mit dreißig sollten sie frei verfügen können.

Stefan Quandt ging nach Abitur und Bundeswehr an die Technische Universität Karlsruhe und wurde Wirtschaftsingenieur. Ein Praktikum bei den Unternehmensberatern von Boston Consulting, dann zog er in die USA und fing bei einer kaum bekannten, aber überaus erfolgreichen Firma an, die seiner Familie ebenfalls gehört: Data Card Corporation, ein weltweit führender Hersteller von Geräten zum Ausstellen von Kredit- und Ausweiskarten mit Sitz in Minnesota. Der junge Quandt war dort gleichzeitig Praktikant im Rechnungswesen und Mitglied des Aufsichtsrats.

Bald wechselte er in die Niederlassung in Hongkong und kümmerte sich um das Marketing. Seit 1996 hat der Unternehmer der vierten Generation einen Schreibtisch in dem Haus, in dem sein Vater gearbeitet hat und das nach seinem Großvater benannt ist. Dessen unternehmerischen „Gestaltungswillen“ bewundert er nach wie vor, aber er räumt ein, „dass unser Großvater über die Grenzen dessen, was man als Anstand oder Verhalten eines ehrbaren Kaufmanns bezeichnet, hinausgegangen ist“. Das Ausmaß der NS-Verstrickung hat den Enkel überrascht. „So wie unsere Vorfahren möchten wir bei der Verwaltung und Gestaltung eines großen Vermögens mit unserer Verantwortung nicht umgehen“, sagt er zu einer Historikerstudie.

Tatsächlich ist von dem Beherrschungsdrang, der den Großvater kennzeichnete, bei Stefan Quandt nichts zu spüren. Anders als etwa Ferdinand Piëch bei VW beansprucht Quandt nicht den Aufsichtsratsvorsitz von BMW. Ihm genügt es, wenn er seine Vorstellungen zur Strategie des Unternehmens in den Sitzungen und im Gespräch mit dem Chefkontrolleur und ehemaligen BMW-Chef Joachim Milberg einbringen kann. Die Familie hat gute Erfahrungen damit gemacht, das Amt des Aufsichtsratschefs einem früheren Vorstandsmann zu überlassen. Die Quandts betrachten BMW nicht als ein Familienunternehmen und unterscheiden sich darin etwa von den Mohns bei Bertelsmann.

Stefan Quandt ist ein umgänglicher Mensch, höflich, respektvoll, reserviert. Ein Mann, der auch Mitarbeiter seine Macht höchst selten spüren lässt. Sein Geltungsbedürfnis ist gering ausgeprägt. Er ist verheiratet, hat eine kleine Tochter und lebt zurückgezogen. Er sieht sich auch nicht als jemand, der den Vater unternehmerisch übertreffen muss, um mit sich selbst im Reinen zu sein.


Bei Ampullen ist er Weltmarktführer

Wenn er bei der Verleihung des von seiner Mutter gestifteten Journalistenpreises in einem Frankfurter Flughafenhotel kerzengerade und strahlend die Gäste mit Handschlag begrüßt, kommt er einem vor wie ein großer Junge, Typ netter Schwiegersohn. Die Rede, die dann auf das Publikum niedergeht, ist substanziell (Energiewende, Euro), aber nicht wegweisend. Die Betonungen sind stereotyp, das Ganze wirkt wie abgelesen.

Es fällt leicht, Stefan Quandt zu unterschätzen. Aber was ihm an Charisma fehlen mag, gleicht er durch analytische Fähigkeiten und strategische Weitsicht aus. Mit Intelligenz, Intuition und Disziplin managt er ein Unternehmensvermögen, das sich seit dem Erbfall vervielfacht hat.

Als sein Vater 1982 starb, lag der Umsatz von BMW bei zehn Milliarden Mark. Vergangenes Jahr waren es 69 Milliarden Euro oder umgerechnet 135 Milliarden Mark. Ganz so stark, wie diese Zahlen nahelegen, ist BMW nicht gewachsen. Aber das Unternehmen ist unter der Ägide der Quandt-Erben in eine neue Dimension vorgestoßen. Heute ist der Autobauer real fast achtmal so groß wie beim Tod Herbert Quandts, die Zahl der Mitarbeiter hat sich mehr als verdoppelt. Wenn das US-Magazin „Forbes“ in seiner Rangliste als Quelle dieses Vermögens inherited (geerbt) angibt, stimmt das so nicht. Der größte Teil wurde erst später geschaffen. Und ein Selbstläufer war BMW nicht, wie das Gegenbeispiel von Firmen wie Opel, Saab und Volvo zeigt.

Neben seinem BMW-Engagement führt Stefan Quandt unauffällig einen weiteren Konzern mit immerhin 7000 Mitarbeitern und eineinhalb Milliarden Euro Umsatz: die Delton AG, die nur einen Aktionär hat, ihn selbst. Die Holding war einst das Dach über einem Sammelsurium von Firmen, darunter Problemfälle wie die Hemdenfirma van Laack, von der sich Quandt nach Jahren der Verluste trennte. Auch die Tochter Ceag, die Handy-Ladegeräte produziert, stieß er 2008 ab. Bei Cedo, einem Hersteller von Frischhaltefolie und anderen Küchenartikeln, stieg er 2009 aus. In diesen Branchen vermisste der Industrielle das Potenzial.

Er investiert nur auf Feldern, bei denen er mittel- und langfristig großes Wachstum erwartet. Dazu zählt die Logistikbranche. Durch die Übernahme von Microlog und Thiel baute er sein Engagement auf diesem Geschäftsfeld aus, verlor aber über die vergangenen zwölf Jahre viel Geld. Heute firmiert die Tochter unter dem Namen Logwin, sie meldete zuletzt wieder einmal rote Zahlen.

Für sprudelnde Gewinne sorgt dagegen die deutlich kleinere Firma Heel in Baden-Baden, in der Stefan Quandt Homöopathisches fabriziert. Bei Ampullen ist er Weltmarktführer.

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