Strategiewechsel Bosch - vom Autozulieferer zum Umwelttechnikkonzern

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Auf diesem neuen Weg könnte Bosch zum Vorbild für den Rest der deutschen Industrie werden, die in hohem Maße vom klassischen Auto mit herkömmlichem Verbrennungsmotor abhängig ist. Wenn den Schwaben der Umschwung gelingt, könnten auch andere Zulieferer – Maschinenbauer und Elektrogerätehersteller, vor allem aber Autobauer – den Weg zu umweltfreundlichen und ressourcenschonenden Produkten schaffen.

„Die Umwelttechnologie kann bis zum Jahr 2020 die Automobilbranche als Leitindustrie ablösen“, sagt Ekkehard Schulz, Chef des Düsseldorfer Stahlkonzerns ThyssenKrupp, und steht damit nicht allein. Zu ähnlichen Schlüssen kommt eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger im Auftrag des Bundesumweltministeriums.

Dass der Wandel von Bosch zum Prüfstand für die Auto-Nation Deutschland werden könnte, liegt nicht allein an der Spitzenposition des Konzerns unter den Automobilzulieferern. Auch sonst ist Bosch, bei aller Internationalisierung, so deutsch wie kaum ein anderer heimischer Konzern.

Die Stuttgarter verkörpern so ziemlich alles, was die hiesige Industrie stark macht – zuverlässige Qualität, hohe Ingenieurkunst und Innovationsfähigkeit, weltweite Führerschaft in Maschinenbau, Elektrotechnik und High Tech. Und als Stiftungsunternehmen, das sich konsequent dem angelsächsischen Kapitalismus verwehrte, steht Bosch auch für die zahlreichen Familienunternehmen im deutschen Mittelstand.

Die außergewöhnliche Unternehmensverfassung, jahrelang als nachteilig gescholten, erweist sich heute als Wettbewerbsvorteil. Bosch gehört nicht Aktionären, sondern zu 92 Prozent der gemeinnützigen Robert Bosch Stiftung. Nur acht Prozent des Kapitals hält die Familie. Die Stiftung wiederum hat ihre Stimmrechte an eine Institution namens Robert Bosch Industrietreuhand abgetreten. In der in Deutschland einmaligen Institution sitzen verdiente Herren aus dem Unternehmen und der Wirtschaft, denen Bosch zwar nicht gehört, die aber dennoch wie Eigentümer über die grundsätzliche strategische Linie des Unternehmens entscheiden.

Den Vorsitz der ehrenwerten Gesellschaft, die dreimal im Jahr tagt, hält der ehemalige Bosch-Chef Hermann Scholl. Neben dessen einstiger rechter Hand, Tilman Todenhöfer, dem amtierenden Konzernchef Fehrenbach und seinem Vize Siegfried Dais wachen unter anderem auch BASF-Chef Jürgen Hambrecht, Otto-Versand-Eigentümer Michael Otto und Urs Rinderknecht, Generaldirektor der Schweizer Bank UBS, über den Bosch-Kurs. Wie und warum ausgerechnet sie dazu auserkoren wurden, ist eines der großen Geheimnisse der Schillerhöhe.

Bisher war die Struktur kein Nachteil. Der Konzern konnte sich langfristigen Zielen verschreiben, ohne den Druck von Aktionären, die auf kurzfristige Erträge schielen. So konnte Bosch Innovationen auf den Markt bringen, die in börsennotierten Unternehmen wahrscheinlich auf der Strecke geblieben wären. Zum Beispiel das elektronische Stabilitätsprogramm ESP, das heute zur Serienausstattung der meisten Autos gehört und als eine der profitabelsten Erfindungen des Unternehmens gilt. Bosch musste der Technik volle 15 Jahre die Treue halten, bis sie sich am Markt durchsetzte – bei einem Börsenkonzern fast undenkbar.

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