Tourismus Deutsche machen Urlaub im eigenen Land

Die Deutschen fahren auf das eigene Land ab. Gigantische Investitionen in Freizeitprojekte beflügeln den Tourismus zwischen Waterkant und Alpenrand. Doch die Reiseveranstalter tun sich schwer, in dem Wachstumsmarkt mitzumischen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Strand am Ostseebad Binz: Quelle: dpa/dpaweb

Die Kälte ist Ingolf Deubel anzuhören. „Männer vom Bau“, krächzt der Finanzminister von Rheinland-Pfalz ins Mikrofon, „heute ist ein stolzer Tag für den Nürburgring, ein stolzer Tag für das Land und ein stolzer Tag für die Region.“ Ab Juni, prophezeit der Sozialdemokrat, „geht hier die Post ab“.

Deubel fühlt sich sichtlich wohl an diesem Dezembertag vor den Bauarbeitern am Nürburgring. Es ist Richtfest. Das Land will Deutschlands entlegene Formel-1-Rennstrecke zum ganzjährigen Freizeit- und Geschäftszentrum ausbauen. Zusätzlich zu den jährlich rund 100 Autorennen und 200 Veranstaltungen vom Rock am Ring bis zum Fahrertraining sollen künftig die schnellste Achterbahn der Welt, ein 4-D-Kino, eine Diskothek auf sechs Ebenen und eine „Auto-Erlebniswelt“ die Massen anlocken. Ein „Eifeldorf“ soll zu Übernachtungen, zu Pizza und zu „Warsteiner aus der Tulpe“ einladen. Das Land finanziert als Hauptinvestor rund vier Fünftel des rund 250 Millionen Euro teuren Projekts.

Minister Deubel hält inne. Er nimmt einen kräftigen Schluck Waldmeister Wodka „Grüne Hölle“, spült seine rauen Worte hinunter und wirft das Glas nach altem Zimmermannsbrauch auf den Boden, wo es zersplittert. Das Glück, das die Scherben bringen sollen, kann Deubel gut gebrauchen. Denn der bewaldete Landstrich im Westen Deutschlands, umrahmt von Mosel und Rhein, ist nicht die einzige Region, die auf den Tourismus daheim setzt. Gigantische Investitionen heizen landauf, landab den Kampf um die Müßiggänger und Freizeitsüchtigen an.

Deutsche haben das eigene Land als Ferienziel entdeckt

Waren die Deutschen bisher die unangefochtenen Weltmeister bei den Reisen in nahe und ferne Länder, fallen sie nun immer mehr auch über die eigene Heimat her. „Die Deutschen haben das eigene Land als Ferienziel wiederentdeckt“, sagt Anders Stoltenberg, Geschäftsführer der dänischen Eska-Gruppe, die Feriendörfer in Dänemark unterhält und nun in zwei Großprojekte in Brandenburg investiert.

Das einst piefige Image von Waterkant und Alpenland als Reise- und Urlaubsdestination wandelt sich radikal. „In Zukunft werden rund 40 Prozent aller Erholungsreisen von Deutschen im eigenen Land stattfinden“, prognostiziert Ulrich Reinhardt, Geschäftsführer der Stiftung für Zukunftsfragen. Das wäre rund ein Drittel mehr als heute: 31 Prozent der Ferientrips, die Deutsche derzeit unternehmen, enden im eigenen Land.

Die Heimat ist damit als Reiseziel weitaus beliebter als Länder wie Spanien und Italien, die mit Abstand auf den Rängen zwei und drei folgen. Der Deutschland-Tourismus wächst, gemessen an den Übernachtungen, um bis zu fünf Prozent jährlich — 2008 lag das Wachstum bei schätzungsweise plus zwei Prozent. Unterm Strich hat Deutschland gegenüber anderen Nationen in Europa „Marktanteile hinzugewonnen“, schreibt die Dresdner Bank in einer aktuellen Tourismusstudie.

Doch während Städte, Hotels, Museen und Freizeitparks die steigende Nachfrage spüren, haben ausgerechnet diejenigen den Trend verschlafen, die von ihm eigentlich am meisten profitieren müssten: die Reisebüros und -veranstalter.

Die beiden Marktführer im Veranstaltergeschäft, TUI und Thomas Cook, machen nicht einmal zehn Prozent ihres Gesamtumsatzes mit deutschen Touristen im eigenen Land. Beiden Unternehmen gelang es zudem nicht, bei sogenannten erdgebundenen Reisen, worunter der große Teil der Deutschland-Urlauber mit eigener Pkw- oder Bahn-Anreise fällt, im vergangenen Jahr nennenswert zuzulegen. Während TUI um 0,2 Prozent wuchs, verlor Thomas Cook gar 0,4 Prozent Umsatz. Allein die Nummer drei hierzulande, Rewe Touristik, konnte den Deutschland-Umsatz um fünf Prozent steigern.

uebernachtungen-grafik

Die Probleme, in dem Wachstumsmarkt vor der Haustür Fuß zu fassen, haben sich die Reiseveranstalter größtenteils selbst zuzuschreiben. Denn ihre Rolle sei bis heute „zwiespältig“, sagt Peter Zellmann, Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung in Wien. Zwar witterten die meisten von ihnen das Geschäft, doch hätten sie die Privatanreisenden bislang „kaum bis gar nicht interessiert“.

Der Grund:  Die hohen Margen verdienen die Unternehmen mit Auslandsreisen. Hier sind die Wertschöpfungsketten so lang und die Preise so intransparent, dass sich an vielen Stellen die Euro herausschlagen lassen – angefangen vom Flug über die Reisebetreuung bis zu Hotelzimmern und die Extras am Urlaubsort. Dagegen wirkt das Geschäft in Deutschland mit der Übernachtung hier und der Anreise dort kleinteilig, mühsam und wenig einträglich. Anbieter wie Alltours aus Duisburg oder Frosch Touristik (FTI) aus München verzichten deswegen sogar ganz auf das Angebot von Deutschland-Reisen.

Verstärkt wird die Zurückhaltung der Branche durch die Passivität der Reisebüros. Denn auch die wollen in erster Linie Pauschalreisen an den Kunden bringen. Der Deutschland-Urlaub friste „ein Mauerblümchendasein“, sagt Martin Katz, Geschäftsführer bei der Deutsche-Bahn-Tochter Ameropa und Leiter des Ausschusses Deutschland-Tourismus im Deutschen Reiseverband. Das Geschäft in den eigenen Gefilden mache allenfalls einen kleinen einstelligen Prozentsatz des Gesamtumsatzes aus, die Angebote in den Katalogen umfassten nur 5000 Seiten, also rund fünf Prozent des Gesamtangebots. Insgesamt, kritisiert Katz, messen die In-haber der Reisebüros dem Thema „keine strategische Bedeutung bei“, vielfach kenne das Personal Spanien und die Malediven besser als Brandenburg und Schleswig-Holstein.

Die Folgen für die Branche sind erschreckend: Nur rund zehn Prozent der Deutschen, die im eigenen Land einen längeren Urlaub machen, buchen ihre Reise über ein Reisebüro. 90 Prozent organisieren sich den Trip über Direktbuchungen, ob Reise oder Hotel, lieber privat. Der Grund: Das Misstrauen gegenüber Reisebüros ist groß. Ihnen traut keiner bessere Angebote als eine Direktbuchung zu. Hier gäbe es also viel zu holen für die notorisch notleidenden Reisebüros. Doch Kreativität und Innovationen gehörten noch nie zu den Stärken der Branche insgesamt.

Deutschland hat bestes Tourismus-Markenimage weltweit

Dabei ist das Potenzial gewaltig. Denn der Wertewandel im Tourismus geht tief, glaubt Experte Zellmann. In den Neunzigerjahren galt ein Fernziel noch als Statussymbol. Heute hingegen nehmen die Deutschen ihre Heimat als „echte und ernsthafte Alternative für ferne Destinationen wahr“, sagt Zellmann, auch deshalb, weil viele schon einmal in Thailand, Südafrika oder auf den Malediven gewesen sind. Zudem würden die Deutschen älter und suchten „qualitativ hochwertige Angebote“, die „ihren Alltag ergänzen“. Der Anteil dieser „Komplementärurlauber“ nehme zu und erfordere neue Angebote gehobener Apartments inmitten der Natur mit Wellness und regionaler Küche.

Auch im Weltmaßstab zählt Deutschland inzwischen zu den Top-Zielen und rangiert hinter der Schweiz und Österreich auf Platz drei der attraktivsten Reise- und Tourismusstandorte. Das zeigen Erhebungen der Unternehmensberatung Booz & Co und des World Economic Forum. Das hervorragende Straßen- und Schienennetz, nachhaltige Umweltstandards und ein hohes Maß an Sicherheit ziehen jedes Jahr zig-millionen Touristen an. Zum Beispiel buchen Holländer rund neun Millionen Übernachtungen in Deutschland pro Jahr, Amerikaner viereinhalb Millionen und Russen mehr als eine Million.

Der Anholt-GfK Nation Brands Index, der vom Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK jedes Jahr erhoben wird und Aspekte wie Export, Kultur, Menschen sowie Tourismus bewertet, attestiert Deutschland sogar das beste Markenimage aller Nationen. Seit 2002 wächst die Zahl ausländischer Gäste jährlich um rund drei bis fast zehn Prozent. Seit 2004 wächst der Tourismus in Deutschland sogar dynamischer als im europäischen Schnitt, so der „World Travel Monitor“ der Münchner Beratung IPK International. Laut Booz machen Übernachtungen, Verkehrsleistungen, Eintrittsgelder und sonstige Konsumausgaben der Touristen inzwischen 2,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Und jetzt könnte auch noch die Wirtschaftskrise der Lust der Deutschen auf Urlaub im eigenen Land Auftrieb geben. Zwar dürften in diesem Jahr weniger Zweit- und Dritturlaube gebucht werden. Doch bei der Hauptreise könnten die Regionen von Aachen bis Zwickau und Flensburg bis Garmisch-Patenkirchen profitieren. Denn – nicht zuletzt durch die kurze Anreise – schlägt Deutschland beim Preis-Leistungs-Verhältnis locker so manches wichtige Ferienland. Die Kosten für Anreise, Unterkunft, Essen und Ausflüge summieren sich laut Stiftung für Zukunftsfragen auf rund 73 Euro pro Tag und Person. Bestimmte Regionen wie die Nordsee oder ostdeutsche Regionen liegen sogar weit darunter. Damit ist das Preisniveau weit niedriger als der weltweite Durchschnitt in Höhe von 81 Euro. Beliebte Destinationen wie Spanien, Italien und Griechenland sind durchweg teurer.

Vor diesem Hintergrund erscheinen Projekte wie die touristische Aufrüstung des Nürburgrings nur logisch. Auch anderswo haben öffentliche und private Investoren gigantische Investitionsprojekte angeschoben. Was Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl 1993 als Seitenhieb gegen die allgemeine Wochenarbeitszeitverkürzung verstand, wird nun tatsächlich der „kollektive Freizeitpark“ Deutschland – nur anders, als der Pfälzer sich das dachte

reisekosten

Schicke Citys. Gleich mehrere Städte stampfen in ihren Mauern wahre Tourismusmagnete aus dem Boden. In Hamburg entsteht die HafenCity und in Bremen die Überseestadt. Bis 2025 schaffen private und staatliche Investoren für mehrere Milliarden Euro Raum für Wohnungen, Büros, Geschäfte, Museen und Theater. Berlin verbaut die Brachlandschaft zwischen Hauptbahnhof und Bundestag vor allem mit Hotels. Durch den unterirdischen Bahnhof, den Stuttgart im Jahre 2019 erhalten soll, werden 134 Hektar innerstädtische Flächen frei, die der Stadt die Möglichkeit für weitere Megaprojekte wie Parks, Hotels und Restaurants geben — eine einmalige Chance.

Rummelige Dörfer. Freizeitanlagen, die es in Deutschland jahrelang eher selten gab, entstehen nun allerorten — sowohl für Singles, Paare, junge Familien als auch Firmenveranstaltungen. Den Anfang machte der Reisekonzern TUI bereits vor acht Jahren mit der Eröffnung seines Resorts Fleesensee in Mecklenburg-Vorpommern — einer der größten Ferienanlagen Nordeuropas mit Hallenbad, Saunen, Beauty- und Massagemöglichkeiten bis hin zu Golf- und Segel-angeboten. In diesem Jahr folgt auf dem gleichen Areal ein Iberotel, das vor allem Paare und Singles ansprechen soll.

Die Lindner-Gruppe, die am Nürburgring ein Viersternehotel baut, hat für die ersten Monate nach Eröffnung bereits mehr als 10.000 Übernachtungen verbucht, zumeist von Firmen. Um die ehemalige Cargolifter-Halle und heutige Badeoase Tropical Islands im brandenburgischen Krausnick baut die dänische Eska-Gruppe ein Skandinavisches Dorf mit 2000 Ferienhäusern und 14.000 Betten. In Zehdenick nördlich von Berlin plant Eska eine Ferienhaussiedlung mit 600 Häusern. Ziel: 450.000 Übernachtungen jährlich. Und im Saarland und in Bayern stampft die holländische Center-Parcs-Gruppe je eine Freizeitstätte aus dem Boden.

Großer Gewinner ist Mecklenburg-Vorpommern

Luxuriöse Resorts. In Schleswig-Holstein entsteht in Kappeln südöstlich von Flensburg an der Ostseeküste das Hafenprojekt Port Olpenitz, auch „Dubai an der Schlei“ genannt (WirtschaftsWoche 35/2008). Spätestens 2013 sollen hier Segel- und Motoryachten an Holzstegen ankern und Ferienhäuser auf künstlichen Inseln erholungssüchtige und gut betuchte Urlauber anziehen — natürlich darf auch ein Golfplatz nicht fehlen. Das rund 650 Millionen Euro teure Projekt wird von einem deutsch-amerikanischen Joint Venture getragen: 20 Prozent der Investitionssumme finanziert eine Berliner Projektentwicklungsgesellschaft, 80 Prozent übernimmt der Immobilienkonzern American Realty Investors aus Dallas.

Die Geschäftsidee: Privatleute kaufen die Luxus-Ferienhäuser je nach Ausstattung für zunächst 250.000 bis 2,5 Millionen Euro. Sind die Einheiten fertiggestellt, können sich die Eigentümer etwa sechs Wochen Urlaub im Jahr sichern und die restliche Zeit an Urlauber weitervermieten.

Der großer Gewinner unter den Bundesländern um die Euro der Touristen ist Mecklenburg-Vorpommern. Nach der Wiedervereinigung war das Land noch ein weißer Fleck. Anfang der Neunzigerjahre gab es dort gerade einmal 67.000 mehr schlechte als rechte Betten für Feriengäste. Heute sind es fast dreimal so viel. Rund 90 Prozent sind erst in den vergangenen zwölf Jahren entstanden, viele durch Steuergelder aus dem Westen. Leuchtturmprojekt ist die Insel Rügen mit mehr als fünf Millionen Übernachtungen pro Jahr. Historische Bäderarchitektur, Kurhäuser und Schlösser ziehen ein Fünftel aller Übernachtungen in MeckPomm auf die Insel.

Eindeutiger Sieger unter den Städten ist Berlin. Die Stadt „erfindet sich alle zwei Jahre neu“, sagt Armin Brysch, Vorstand bei der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), die im Auftrag der Bundesregierung im Ausland für den Tourismus hierzulande wirbt. Nach der Wiedervereinigung spielte Berlin die historische Karte, dann war die Hauptstadt der Wallfahrtsort für Techno-Jünger, später das Kunstzentrum mit Nationalmuseum, heute das hippe Kreativzentrum mit coolen Designerläden und Galerien. Die Stadt hat heute mit knapp 100.000 Hotelbetten mehr als New York mit 75.000. Seit Jahren wachsen die Besucherzahlen oft zweistellig.

Aber auch strukturschwache Regionen versuchen zu punkten. Das Saarland und Nordrhein-Westfalen entwickeln alte Stahl- und Eisenerzhütten zu Kulturstätten. Essen wird 2010 Kulturhauptstadt Europas und erwartet mehrere Millionen Gäste.

Weltkulturerbe Völklinger Quelle: dpa/dpaweb

Doch wie bei Reisebüros und -veranstaltern gibt es auch Regionen, die den Zug der Zeit verschlafen. Der Harz hinkt dem Trend hinterher, weil er zu lang an Senioren als vermeintlich lukrative Zielgruppe festhielt. Der Schwarzwald musste in den vergangenen 15 Jahren einen Rückgang der Hotels und Pensionen um fast ein Viertel hinnehmen. Der Inbegriff deutscher Mittelgebirgslandschaft gilt inzwischen „als langweilig“, heißt es in einer Marktstudie des Tourismusverbandes, „bei Kennern als ruhig, sympathisch und natürlich, jedoch auch wenig lebendig“. Nun sollen ein neues Thermalbad in Titisee-Neustadt und ein überdachter Schwarzwald im Miniformat in Triberg, wo Deutschlands höchste Wasserfälle 163 Meter in die Tiefe stürzen, die Wende bringen.

Ein besonders krasses Beispiel für das Gestrige bietet Bad Münstereifel, nur rund 30 Kilometer vom Nürburgring entfernt, wo demnächst der Turbotourismus toben soll. In dem kleinen Dorf mit hübschen Gassen und alter Architektur dominieren Krämer- und Kitschläden, Bäckereien mit „Kaffee vom Feinsten“ und Schlecker in der Ortsmitte. Im „Heino Rathaus-Café“ schwelgen Busgesellschaften in den Volksliedern des ewig blonden Sohns der Region. Dazu gibt es Heino’s Festtagssuppe mit Eierstich, Geflügelklößchen, Nudeln und Brot – für karamba, karacho drei Euro.

Wie sich selbst in traditionsreichen Tourismushochburgen Deutschlands das Geschäft noch ankurbeln lässt, müssen sich die Reisebüros und -veranstalter ausgerechnet von Branchenfremden vorexerzieren lassen. So stiegen der Autobauer Audi und der Möbelhersteller Flötotto als Partner in das Projekt „Sightsleeping-Hotels“ ein, das die Marketingagentur der Bundeslandes Bayern 2007 startete. Das Konzept: Zimmer, in denen die Übernachtung einen Genuss darstellt, weil sie etwa in Burgen oder Design-Hotels liegen, werden unter dem neuen gemeinsamen Label vermarktet.

Flugreisen haben traditionell die höchste Priorität

Bei den Reiseveranstaltern sind solche Ideen Mangelware. Zu selten finden die für Deutschland-Tourismus verantwortlichen Manager beim Vorstand ein offenes Ohr. „Flugreisen haben traditionell die höchste Priorität“, klagt der Manager eines großen Veranstalters. Da könne man mit den Reisen, die „äußerst knapp kalkuliert werden“, kaum mithalten. Zudem konkurrierten die Reiseveranstalter auch mit den Hotels, die ihre Gäste nach einem Urlaub selber anschreiben, nachdem diese beim ersten Mal über den Reiseveranstalter gebucht haben.

Größtes Problem der Branche sind die Vorbehalte der Kundschaft, sie könnten ohne die Veranstalter billiger Urlaub machen. „Wir versuchen schon seit vielen Jahren, dem Kunden klarzumachen, dass wir als Reiseveranstalter preiswerter sind als die Direktbuchung bei den Hotels“, sagt Rolf Hergenhahn, Produktleiter Autoreisen bei Rewe Touristik. Doch die Zielvorgabe entpuppt sich als schwieriges Unterfangen.

Deshalb sucht die Branche nun nach neuen Wegen, vom Deutschland-Geschäft zu profitieren. Rewe Touristik wirbt mit Vorteilskarten wie der Thüringen- oder der SchwarzwaldCard, mit denen Kunden öffentliche Verkehrsmittel und Museen in der Region kostenlos nutzen können oder in Restaurants Preisermäßigungen bekommen. Dieser Mehrwert ist exklusiv gegenüber Wettbewerbern abgesichert, das heißt, Rewe Touristik allein darf die Karte in Pauschalangebote verpacken.

Thomas Cook dagegen bedient sich einer Preisgarantie, wie sie zum Beispiel Baumärkte bieten: Der Urlauber zahlt auf keinen Fall mehr als den Preis, den der Hotelier auf dem freien Markt für seine Zimmer verlangt. Zudem erhalten Kunden eine „Autobahnrabattkarte“ im Wert von 15 Euro. Der Betrag pro Person kann bei 750 Partnern wie Tankstellen und Raststätten entlang der Autobahn eingelöst werden.

Branchenkenner erwarten, dass der fünftgrößte deutsche Veranstalter, FTI, der dieses Jahr mit einem Österreich-Katalog startet, in der kommenden Saison 2010 auch einen Katalog für Deutschland herausgibt. Die Wettbewerber müssen sich dann warm anziehen, denn FTI hat im abgelaufenen Geschäftsjahr das höchste Wachstum der Branche erzielt. Der Einstieg von FTI wäre ein klares Indiz: An Deutschland kommt langfristig kein Reiseveranstalter mehr vorbei.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%