Tourismus Schloss Dankern: Ferienspaß von der Stange

Schloss Dankern im Emsland ist Deutschlands größte Freizeitanlage. Die gigantische Urlaubsmaschine auf dem platten Land floriert, weil sie die Massenproduktion zum Prinzip erklärt.

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Volle Hütten

Das sechsjährige Mädchen guckt fragend, als Friedhelm Freiherr von Landsberg-Velen die grauen Bänder am Eingang zurechtrückt. „Da hat sich wohl einer einen Scherz erlaubt“, sagt er freundlich lächelnd, aber bestimmt. Offenbar hat jemand die Absperrvorrichtung verschoben, an der jeder Besucher vorbei muss. „Jetzt ist alles wieder, wie es sein soll“, sagt der Herr mit dem rundlichen Gesicht.

Von Landsberg-Velen ist auf Kontrollgang, so wie jeden Morgen, wenn er mit seinem Fahrrad durch sein 200 Hektar großes Latifundium streift. Er ist Chef von Schloss Dankern nahe der holländischen Grenze und damit Herr über die größte Ferienanlage Deutschlands: 721 Wohnhäuser aus Holz, 4350 Betten, mehr als 160 Attraktionen vom Wasserski-Fahren bis zum Hochseilgarten – ein gigantischer Spaßbetrieb. Trotz Krise hat sich das Freizeitmonstrum im niedersächsischen Emsland in den vergangenen Jahren zu einem touristischen Magneten entwickelt, das in Deutschland seinesgleichen sucht. 2010 rechnet das Unternehmen mit einem weiteren Plus.

Reiseveranstaltern gekündigt

Das Erfolgsrezept ist einfach. Von Landsberg-Velen zielt auf die Gruppe jener Eltern, die sich ihrer Kleinen in den Ferien auch mal gern entledigen: „Urlaub mit den Kindern vom Kind“, heißt das Motto auf Schloss Dankern. Gleichzeitig spart der 55-Jährige, wo er nur kann. Von Landsberg-Velen fokussiert sich auf Eltern mit Kindern von 3 bis 15 Jahren. Er verzichtet auf modernes Marketing, schaltet keine Werbung, gibt keine Preisnachlässe. Seine Web-Seite erinnert noch an die Anfangszeiten des Internets. 2009 -beendete er Kooperationen mit den Reiseveranstaltern TUI und Ameropa, die drei Prozent der 24 000 Übernachtungswochen buchten. Die 60 000 Euro Provision, die ihn das kostete, spart er sich.

Schloss Dankern steht für die große Zahl deutscher Spaßanlagen, die sich zu wichtigen Wirtschaftsfaktoren ihrer Region entwickelten: Europa-Park bei Freiburg, Heide-Park Soltau oder Holiday Park in der Pfalz. Die Parks ziehen Feriengäste in Gegenden, in denen sonst nur wenig gedeiht. Schloss Dankern lockt eine Million Urlauber pro Jahr nach Haren, ein Städtchen mit 23 000 Einwohnern.

Von Landsberg-Velen wirbt damit, dass bei ihm die Kids freien Auslauf haben. „Bei uns können sich die Kinder frei bewegen, ohne dass die Eltern ständig aufpassen müssen“, sagt er. Die Kleinen toben durch mittelalterliche Ritterburgen, reiten auf Ponys, rutschen durch Plastikröhren ins Wasser, klettern über Holzgerüste, springen über Sandburgen und tanzen abends in der Kinder-Disco ihren ersten Kuschel-Blues.

Das Geschäft lohnt sich. Die Vermietung der einfach ausgestatteten Holzhütten, die neun Euro Eintritt pro Tagesgast und der Verkauf von Fast Food bringen von Landsberg-Velen pro Jahr rund 20 Millionen Euro Umsatz ein. Der Gewinn sei positiv und ausreichend für „notwendige Investitionen in die Zukunft“.

Die Keimzelle der Ferienanlage ist das Schloss: erbaut 1680 und ein Jahrhundert später mit Türmen erweitert. Von Landsberg-Velen wohnt mit Gattin Caroline und seinen drei Kindern in dem Gemäuer. Fünf Paar olivgrüne Gummistiefel stehen im Foyer. Im norddeutschen Dialekt spricht er von „Geestrücken“, „Gräften“, „Höfeordnung“ – Wörter, die die Landwirtschaft des früheren Moorgebietes aus Zeiten beschreiben, in denen der Adel noch etwas galt. Mitarbeiter nennen von Landsberg-Velen noch immer „Baron“.

Kinder auf der Schlossbrücke

Schloss Dankern funktioniert wie eine Fabrik und nach Gesetzen der Massenproduktion. An rund 220 Tagen im Jahr hat die Anlage geöffnet, jeder einzelne Tag müsse „auf Volllast laufen“, so von Landsberg-Velen. Den „bayerischen Abend“ einmal pro Woche gibt es auch, wenn nur wenige Gäste zu Weißwurst und Weißbier greifen. Wer einmal einen geselligen Themenabend erlebt habe, wäre enttäuscht, wenn es diesen in der Nebensaison nicht gäbe. An Hauptanreisetagen wie Freitag vor Pfingsten strömen bis zu 4000 Neuan-kömmlinge auf die Anlage. Zehn Leute an der Rezeption wickeln einen Gast in 30 Sekunden ab — Begrüßung im Akkord.

Nach Schloss Dankern kommen nicht die oberen Zehntausend, eher die mittel und die weniger Betuchten. Und sie kommen regelmäßig. Die durchschnittliche Auslastung liegt bei rund 80 Prozent, die Wiederkehrerquote bei 58 Prozent. Vor allem Eltern, die ihre Kinder im Urlaub gern abgeben, indem sie ihnen rastlosen Rummel bieten, genießen, dass die meisten Attraktionen kostenlos sind — etwa der Autoscooter, das einzige Fahrgeschäft der Anlage. „Das kommt gut an, denn die Leute wissen, wie teuer so eine Fahrt auf der Kirmes ist“, sagt der Chef.

Aus der Not geboren

Die Idee für die gigantische Dauerbespaßung entsprang der schieren Not. Der im Februar verstorbene Vater des Schlossherrn, Manfred von Landsberg-Velen, ließ vor 40 Jahren die ersten Wohnhäuser mit angeschlossenem Ponyhof, Freibad und Minigolf aus einem ganz schlichten Grund errichten: Ihm fehlte das Geld für die Sanierung des Schlosses. Urlaub im Emsland, das war damals eine „hirnrissige Idee“, sagt der Sohn heute. Emsland war Deutschlands Armenhaus.

Damit setzte Vater Manfred Zeichen im Geschäft mit konfektionierter Freizeitbeschäftigung in Deutschland. Phantasialand war damals eine Märchenwelt, Europa-Park gab es noch nicht. Der Senior gründete den Verband deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen, dem heute alle namhaften Parks angehören.

Von seinem Mut, Trubelsüchtige aufs platte Land zu locken, hat der Vater viel an den Sohn vererbt. Der Junior führe „das Geschäft mutig und tatkräftig fort“, sagt Marco Graf, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland. Er sei „unkonventionell“, jemand, der „sein Ehrenamt lebt“ und „meinungsstark die Interessen der Wirtschaft und die der Region“ vertrete. Zudem baue er die Anlage kräftig aus — derzeit entstehen neue Hütten für 50 000 Euro pro Stück.

Die Investitionen scheinen mehr als notwendig. Gerade die alten Häuser lassen die Zeichen der Zeit erkennen. Hier und da riecht es muffelig, die Ausstattung ist einfach, viele Hütten sind dunkel. Im Internet beschweren sich bisweilen Eltern, dass das Essen „so la la“ sei und die Anlage „ungepflegt“ wirke. Offenbar schlagen aber noch immer die Vorteile durch. „Je älter die Kinder werden, umso mehr können sie alleine machen“, schreibt ein Gast, und „man sieht sie fast nur noch zum Essen und Schlafen“ — das sei doch ein „super Familienurlaub“.

Wie sehr von Landsberg-Velen auf die Kosten achtet, sehen seine Gäste kaum. Das Hallenbad misst 1,30 Meter Wassertiefe — fünf Zentimeter mehr und er müsste einen ausgebildeten Bademeister beschäftigen. Teller, Besteck und Tassen begrenzt er auf jeweils acht Exemplare. Bei jeder Garnitur extra bräuchten die Putzkräfte pro Haus länger, was Geld koste.

Inzwischen führt von Landsberg-Velen auch die Restaurants und Imbissbuden wieder in Eigenregie „Jedes Eis, das herumläuft“, sagt er, „löst in mir eine kleine Freude aus.“ An einem Hochsommertag sind das weit mehr als 2000.

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