Tourismus Urlaub wird so billig wie nie

Urlaub wird in diesem Jahr für die Deutschen so billig wie nie. Dem Preiskampf wollen die Reiseveranstalter mit mehr Flexibilität und exklusiven Angeboten für Gutverdiener entkommen.

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Ein Strand auf den Tobago Keys Quelle: dpa

Das Fünf-Sterne-Resort Grand Palladium liegt an einer kleinen Bucht auf Jamaika. Palmen säumen den Garten, die Zimmer haben Meerblick. Damit sich die Gäste der Wellnessoase künftig noch wohler fühlen, bekommen sie dieses Jahr täglich ihre Minibar befüllt — mit internationalen Premiummarken statt billigem Lokal-Fusel. Auch Tennis, Fitness und Wassersport kostet keinen Cent extra. All Inclusive Plus heißt das Konzept, vermarktet bei FTI: zwei Wochen Aufenthalt inklusive Flug gibt es ab 1899 Euro pro Person.

Mit dem Angebot trifft die Nummer fünf unter den deutschen Reiseveranstaltern offenbar einen Nerv: Das Gran Palladium gehört zu den Bestsellern der Münchner. Die Deutschen wollen „zusätzliche kostenfreie Leistungen“, sagt Geschäftsführer Boris Raoul. FTI schnürt das Rundum-sorglos-Paket passend zur deutschen Psyche in der Krise: kostenschonend, risikolos, dennoch weit weg.

Der Reisemarkt zeigt sich trotz Krise erstaunlich robust. Fast jeder zweite Deutsche will auch 2010 die Koffer packen. Wichtigster Trend des Jahres: Der Urlaub wird so günstig wie lange nicht mehr. Denn die Veranstalter reagieren mit Preissenkungen und verlängerten Frühbucherrabatten auf die wacklige Nachfrage. Was Strandurlauber und Städtetouristen freut, drückt allerdings die Gewinnmargen der Anbieter. Mit welchen Strategien die Unternehmen versuchen, ihre Renditen zu pushen, zeigt die Reisemesse ITB, die am Mittwoch in Berlin ihre Tore öffnet.

Vorteil Flexibilität

FTI zählt wieder einmal zu den Gewinnern. Das Umsatz- und Buchungsplus liege im Winter im „einstelligen“ und im Sommer im „hohen einstelligen Prozentbereich“, sagt FTI-Manager Raoul. Das Erfolgsrezept der Münchner, die seit Jahren mit stabilen Gewinnen wachsen: FTI zurrt in wenigen Tagen eine Pauschalreise zusammen und reagiert so auf kurzfristige Stimmungsschwankungen der Kunden. „Da wir keine eigenen Hotels oder Flugzeuge haben, können wir schnell und flexibel auf die Marktbedingungen reagieren“, sagt Raoul. Auch Schauinsland — Nummer acht im Markt — ist auf diese Weise erfolgreich.

Vor allem die großen börsennotierten Veranstalter beißen sich an der Wendigkeit der Kleinen die Zähne aus. TUI und Thomas Cook verlieren kontinuierlich Marktanteile. „Flexibilität ist der Königsweg“, sagt Tourismusexperte Karl Born von der Hochschule Harz. Da hätten TUI und Thomas Cook oft das Nachsehen. So hat Thomas Cook zwar den Hoteleinkauf in London zentralisiert. Doch der Mengenrabatt bei Hotels falle kaum ins Gewicht, da „langwierige Entscheidungsprozesse oft deutlich negativer wirken“, sagt Born. In welchem Land Thomas Cook etwa Hotelkapazitäten aufstockt, muss mühselig unter den Landesgesellschaften abgestimmt werden.

Marge wichtiger als Menge

Das Dilemma von TUI und Thomas Cook: Ihre Aktionäre fordern Rendite, doch in der Krise kostet das Marktanteile. Zwar federn die Konzerne seit 2008 den Preisverfall ab, indem sie ihr Angebot an Pauschalreisen um ein Viertel kürzten: Marge statt Menge. Doch dieses Jahr müssen sie Kapazitäten ausweiten, wollen sie nicht weiter Marktanteile — und damit Einkaufs- und Vertriebsmacht — an Wettbewerber verlieren. So schloss Thomas Cook 2009 nur noch als Drittplatzierter ab — hinter TUI und Rewe (siehe Grafik auf der nächsten Seite).

Die Manager bei TUI und Thomas Cook fahren ihre Kapazitäten bereits wieder leicht hoch. Doch schon sitzt ihnen die Angst im Nacken, sie könnten auf Restplätzen sitzenbleiben. TUI erweiterte seine Frühbucherrabatte, um Kontingente loszuwerden — ein Indiz, dass der Verkauf stockt. Offiziell habe TUI bei Hoteliers rund um das Mittelmeer „nachverhandelt“. Herausgekommen ist eine aggressive Rabattaktion: Für Buchungen im Februar gab es bei 200 ausgewählten Hotels 100 Euro geschenkt — nahezu eine Verdopplung des Frühbucherrabatts.

Exklusive Angebote, die sich auf zahlungskräftige Zielgruppen konzentrieren, sollen die Rendite-Wende bringen. Thomas Cook versucht es mit dem neuen Hotelkonzept Sentido, das sich an ruhesuchende Urlauber jenseits der 50 wendet. Ein vergleichbares Angebot von TUI heißt Sensimar. Beide Konzepte laufen gut, doch bisher zählen die Konzerne erst eine Handvoll Hotels. Vorteil TUI: Mit Dorfhotels für Familien, RIU-Hotels für ältere Gäste und Clubs wie Magic Life für besonders Preissensible verkaufen die Hannoveraner mehr klar zugeschnittene Urlaubsangebote.

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