Touristik FTI: Paradiesvogel der Reisebranche

Nach dem Verkauf von Öger Tours an Thomas Cook ist FTI Touristik einer der wenigen konzernunabhängigen Reiseveranstalter – und Gründer Dietmar Gunz eine Art Trendsetter der Branche.

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Dietmar Gunz, Chef des Reiseveranstalters FTI Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Es ist kurz nach 18 Uhr bei FTI Touristik in der Landsberger Straße in München. Der benachbarte Schlosspark Nymphenburg bringt kaum Abkühlung. Die ersten Mitarbeiter begeben sich in den fünften Stock ihrer Firmenzentrale und genießen den Feierabend. Der eine trinkt ein Bier, der andere einen kühlen Wein — für wenig Geld. Wer mag, lümmelt sich auf einem der braunen und grünen Ledersofas. Von den Terrassen nebenan fällt der Blick auf die Alpen.

Zur lockeren Runde gesellt sich auch Dietmar Gunz. „Trinken, essen, kommunizieren“, sagt er, „meine Mitarbeiter sollen sich hier oben wohlfühlen.“

Der 50-Jährige ist Gründer, Chef und Miteigentümer von FTI Touristik, dem fünftgrößten Reiseveranstalter Deutschlands. Vergangene Woche verkaufte der Deutsch-Türke Vural Öger den nach ihm benannten Reiseanbieter für 30 Millionen Euro an den Branchenzweiten Thomas Cook. Damit ist Gunz neben Alltours und Schauinsland einer der wenigen verbleibenden selbstständigen Unternehmer der Reiseindustrie. Als solcher versteht er sich auch als Gegenentwurf zu den Börsenkonzernen TUI und Thomas Cook.

Mitarbeiter lieben ihn

Und dass Gunz anders ist, sollen alle sehen und spüren, die für ihn arbeiten. Er verwarf die Pläne des Architekten für seine energiesparende Firmenzentrale, die mit Deckensegeln, Sparurinalen und Öko-Lampen die Energiekosten jährlich um 100.000 Euro senkt. Statt die Freizeiträume ganz unten und die Chefetage ganz oben einzurichten, blieb Gunz stur und platzierte Küche, Kantine und Entspannungszonen dort, wo es am schönsten ist – in lichter Höhe mit Bergblick.

Mehr noch: Um den zahlreichen Pendlern entgegenzukommen, hat Gunz die Zentrale verkehrsgünstig in S-Bahn-Nähe angesiedelt, obwohl dies die Mieten erhöhte. Gunz sorgt jedes Jahr für 150 Ausbildungsplätze. Und weil 70 Prozent seiner Mitarbeiter Frauen sind, finanziert er einen eigenen Betriebskindergarten. Zufriedenes Personal, sagt Gunz, sei „das wichtigste Kapital eines Unternehmens“. 

Die 1200 FTI-Beschäftigten am Firmensitz lieben Gunz für solche Ansichten. Und er profitiert davon. Der Österreicher ist der derzeit erfolgreichste Manager der deutschen Tourismusbranche. Sein Unternehmen macht mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. Während Wettbewerber wie TUI und Thomas Cook Marktanteile verlieren, legt FTI zu — inzwischen hat FTI 4,5 Prozent (siehe Grafik rechts). Auch dieses Jahr liege das Wachstum im „hohen einstelligen Bereich“, sagt Gunz.

Auftrieb nach Auszeit

Dabei hatte sich Gunz eigentlich schon mal von FTI verabschiedet. Der 50-Jährige gründete den Veranstalter 1983. 17 Jahre später verkaufte er sein Unternehmen für schätzungsweise 20 Millionen Euro an den britischen Touristikkonzern My Travel — später aufgegangen in Thomas Cook. Von da an ging es bergab: Fehlkäufe, Umsatzeinbruch, Schulden. Gunz widmete sich damals seinen vier Restaurants in München und betrieb im westafrikanischen Gambia eine Fischfabrik. 2003 kam das überraschende Angebot für ein Comeback. Er kaufte FTI für einen Euro zurück und bringt den Laden seitdem wieder auf Vordermann.

Sein Erfolgsgeheimnis: Gunz hat ein Gespür für Reiseziele und Vertriebskanäle. Im Fokus seiner Strategie stehe die „Kostenführerschaft“. Der Touristiker setzt dabei auf geringe Fluktuation. Wenn Mitarbeiter nicht ständig neu eingearbeitet werden müssten, habe das „ganz viel mit Kostenführerschaft zu tun“.

In der Branche ist Gunz unumstritten. Der ehemalige Chef von Rewe Touristik, Rembert Euling, nannte ihn sein Vorbild. Wettbewerber neiden FTI die herausragende Buchungstechnik: Frei werdende Hotelbetten in den USA zum Beispiel werden bei FTI automatisch und viel schneller in deren IT eingepflegt als etwa bei Wettbewerbern. Mittlerweile nutzt Gunz neben dem klassischen Katalog mit seinen zahlreichen Tochterunternehmen jede Gelegenheit zum Umsatz: mit 5vorFlug das Last-Minute-Geschäft, mit driveFTI die Autovermietung, mit dem Flugportal fly.de das Internet-Geschäft und mit LAL das Interesse an Sprachreisen.

Vorbild für die Branche

FTI-Marktanteile im deutschen Pauschalreisengeschäft

Sein großer Erfolgsbringer ist der Reiseshoppingsender Sonnenklar.TV, der aus dem eigenen Studio Hotel- und Reisetipps in digitale TV-Kanäle einspeist. Mehr als 550.000 Zuschauer pro Tag träumen sich durch mehrminütige Einspieler zuerst in Urlaubsstimmung und buchen dann eine Reise. So simpel die Philosophie ist, so erfolgreich läuft das Geschäft. Der Umsatz kletterte 2009 auf 175 Millionen Euro. Der Verkauf über das Fernsehen läuft so fantastisch, dass Gunz inzwischen auch seine mehr als 200 eigenen FTI-Reisebüros Sonnenklar.TV nennt.

Trotzdem pflege Gunz „gute Beziehungen“ auch zu anderen Reisebüros, sagt Karl Born, Tourismusprofessor an der Hochschule Harz in Wernigerode. Das Unternehmen zähle sogar zu den „Lieblingen des stationären Vertriebs“.

Das hat einen einfachen Grund: FTI zahlt hohe Provisionen. Zwar hätten sich die meisten Reisebüros über langfristige Verträge an einen der großen Reiseveranstalter wie TUI oder Thomas Cook gebunden, doch häufig halte sich FTI „erfolgreich auf der Ersatzposition“, so Born. Bei vielen Reisebüros gelte FTI als klare Nummer zwei. Last-Minute-Tochter 5vorFlug zahlt etwa zehn Prozent Provision ab der ersten verkauften Reise.

Fairness ist ein wichtiges Thema für Gunz. So liebt er auch die Rolle des Entwicklungshelfers. Während sich Wettbewerber aus Krisenregionen zurückziehen, intensiviert er sein Engagement dort erst richtig. In schlechten Zeiten „strengen wir uns doppelt an“, sagt Gunz. Hoteliers und örtliche Betreuungsagenturen von Urlaubsgästen zahlen „uns das später zehnfach zurück“. Ein Beispiel sei Sri Lanka, das jahrelang unter einem bewaffneten Konflikt zwischen Tamilen und dem Militär litt. Andere Veranstalter verließen den Inselstaat, FTI blieb und hielt Hotels die Treue. Heute schickt FTI mehr Urlauber in die Region als die Konkurrenz.

Länger in Krisengebieten als andere

Auch an Thailand hält Gunz nach der blutigen Niederschlagung von Aufständischen im Frühjahr fest — allerdings auf seine Weise. „Keiner braucht jetzt Thailand“, gesteht FTI-Tourismus-Chef Boris Raoul. Also entfernte er das Reiseziel aus dem aktuellen Fernost-Katalog. Dafür soll es im September jedoch eine Sonder-Auflage nur für Thailand geben. Die will Raoul mit Werbung flankieren, „um die Destination Thailand wieder nach oben zu bringen“.

Gunz überrascht die Branche gern mit solchen Einfällen. Flexibilität ist seine große Stärke. „FTI hat kein Problem damit, sich aus schlecht laufenden Geschäften zurückzuziehen“, lobt Experte Born. So stampfte FTI vor einigen Jahren die Kataloge nach China und Japan ein, als der Umsatz hinter den Erwartungen zurückblieb. Gleichzeitig besetzt Gunz schnell Nischen. Kommenden Winter bietet FTI etwa Reisen in den Libanon an. Nach dem Bombardement der Hauptstadt Beirut durch Israelis zur Jahreswende 2008/09 läuft der Wiederaufbau auf Hochtouren – und FTI ist dabei.

Wiederaufbau scheint das Motto zu sein, das sich wie ein roter Faden durch Gunz’ Karriere zieht. So verleibte er sich 1989 zum Preis von umgerechnet 50 Cent den deutschen Spezialisten CA Ferntouristik ein. Der einzige Wert, der damals in der Bilanz stand, war ein acht Monate alter ausgestopfter Grizzlybär.

CA Ferntouristik war für FTI der Start ins Fernreisegeschäft. Heute steht FTI für hohe Urlaubskompetenz etwa nach Asien oder in die USA. Der zwei Meter große Bär steht in seinem Büro. Dafür habe er, so Gunz, "hart kämpfen müssen".

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