Trauerfeier für Merckle "Auf dem Weg, den keiner mit mir geht"

Abschied von Adolf Merckle. In seiner Heimatstadt Blaubeuren nahmen Hunderte Bürger Abschied von dem Unternehmer. Aus Blaubeuren berichtet Jürgen Salz.

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Trauerfeier für Adolf Merckle Quelle: AP

Es ist Mittagszeit, viele Geschäfte sind geschlossen. Den meisten Bürgern von Blaubeuren, einer Kleinstadt in der Nähe von Ulm, ist ohnehin nicht nach Einkaufen zumute. Sie streben der Evanglischen Stadtkirche zu. Um 13 Uhr findet dort die Trauerfeier für Adolf Merckle statt, ihren Ehrenbürger, dem Unternehmen wie Ratiopharm, HeidelbergCement oder der Pharmagroßhändler Phoenix gehören. Vor einer Woche hat sich Merckel hier in Blaubeuren vom Zug überrollen lassen. Seine stolze Firmengruppe (über 30 Milliarden Euro Umsatz, 100 000 MItarbeiter) steht vor der Zerschlagung. Die Finanzkrise hat seine oftmals waghalsigen Kalkulationen zunichte gemacht. Merckle hat das nicht mehr ausgehalten.

Es ist ein schlichter Sarg aus hellem Holz, umgeben von Blumenkränzen und einem Bild des Unternehmers, auf dem er ernst und bestimmt nach vorne blickt. Die Stadt Blaubeuren, die Landesregierung, die "Stiftung Urgeschichtliches Museum", die von Merckle unterstützt wurde, haben Kränze geschickt. "In Liebe, Deine Familie", steht auf dem Kranz ganz vorne. Auf der dunkelgrünen Schleife sind unter anderem die Namen von Ehefrau Ruth und der vier Kinder Ludwig, Philipp, Tobias und Jutta verewigt. Adolf Merckle war auch neunfacher Großvater.

Bescheidenheit bei der Trauerfeier

Schon vor zwölf haben sich auf dem Kirchvorplatz an die hundert Bürger von Blaubeuren eingefunden. Journalisten natürlich auch. "Wie die Schmeißfliegen", entfährt es einem Vertreter der Stadt.Um viertel nach zwölf öffnen sich die Kirchentore. Kurz darauf ist in der schlichten, aber schönen evangelischen Kirche kaum noch ein Stehplatz zu bekommen. Von draußen fällt Sonnenschein ins Kirchenschiff. Wer in der Kirche keinen Platz mehr findet, kann noch die wenigen Gehminuten zur Stadthalle laufen. Dort wird der Gottesdienst auf Videoleinwänden übertragen. Als um zwanzig Minuten vor eins die Familie Merckle eintrifft, erhebt sich die Gemeinde.

"Wirf Dein Anliegen auf den Herrn", spielt der Posaunenchor Bühlenhausen-Sonderbuch zu Beginn. Der frühere Landesbischof Gerhard Maier liest im Wechsel mit der Gemeinde aus Psalm 143 ("Mein Geist ist in Ängsten"): "Denn der Feind verfolgt meine Seele, und schlägt mein Leben zu Boden, er legt mich ins Finstere, wie die, die lange schon tot sind." In seiner Predigt zeichnet Maier das Bild eines sozialen, verantwortungsbewußten Unternehmers. Es war auch nicht alles richtig, was Merckle gemacht habe, sagt Maier schließlich. Doch man sollte sich hüten, darüber zu richten. Merckles Sohn Tobias liest aus der Offenbarung ("Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde..."), Schwiegertochter Anne trägt bewegt ein Gebet "im Angesicht des Todes" vor: ... "Auf dem Weg, den keiner mit mir geht, wenn zum Beten die Gedanken schwinden, wenn die Finsternis mich kalt umweht, wolltest du in meiner Not mich finden."

Bescheiden, aber würdig sei die Trauerfeier gewesen, sagen viele Kirchenbesucher später. Gerade deshalb habe sie gut zu Merckle gepasst, finden der Diplom-Ingenieur Ehiad Baz und seine Frau. Das Paar lebt in der Region, beide haben Merckle persönlich gekannt. Er sei immer bescheiden aufgetreten. Die beiden sind schon wieder auf dem Heimweg. Derweil hat sich auf dem Kirchvorplatz eine lange Schlange gebildet. Viele Einwohner von Blaubeuren wollen sich noch einmal vor dem Sarg des Unternehmers verneigen und verabschieden.

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