Uber-Chef Kalanick trifft auf Dieter Zetsche Daimler tanzt mit Start-Up Uber

Auf der Noah-Konferenz in Berlin treffen Daimler-Boss Zetsche und Uber-Chef Kalanick aufeinander. Doch das Duell zwischen neuer und alter Autowelt entwickelt sich zu einem Flirt – Zetsche deutet sogar einen Antrag an.

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Daimler-Boss Dieter Zetsche (l) kam auf der Noah-Konferenz Uber-Chef Travis Kalanick sehr nah. Quelle: dpa

Die Inszenierung im Tempodrom gleicht einem Boxkampf. „Eye of the Tiger“ schallt aus den Boxen der Veranstaltungshalle im Zentrum von Berlin, der Rocky-Soundtrack. Auf der Noah-Konferenz treffen zwei Schwergewichte der Autoindustrie aufeinander. Das ist zumindest die Ankündigung. Die Duellanten kommen im gelben Trabbi. Ein Cabrio.

Daimler-Chef Dieter Zetsche gegen Uber-Chef Travis Kalanick – vor wenigen Jahren wäre es noch ein ungleiches Duell gewesen. Doch mittlerweile begegnen sich die Diskutanten auf Augenhöhe. Nach dem jüngsten Investment des saudi-arabischen Staatsfonds ist das kalifornische Mobilitäts-Start-up mit 70 Milliarden Dollar sogar etwas wertvoller als die Weltmarke mit dem Stern – zumindest auf dem Papier.

Kalanick ist derzeit einer gefragtesten Gesprächspartner der Branche. Denn mit seiner Mobilitätsplattform setzt er die klassischen Autokonzerne unter Druck. Zetsche lässt dem jungen Herausforderer auf der Bühne den Vortritt.

Das Wichtigste zu Uber

Der Uber-Gründer beginnt den Abend mit einem Foto von der Geburtsstunde seine Plattform. Einem Abend in Paris, an dem Kalanick vergeblich versuchte, ein Taxi zu ordern. Sieben Jahre später vermittelt Uber weltweit eine Milliarde Autos. Doch Kalanick ist nicht gekommen, um Werbung für das Auto zu machen. „Autos sind heute“, sagt Kalanick – und deutet damit einen anstehenden Wechsel bei der Fortbewegung an. Die hohe Zahl der Privatfahrzeuge führe zu öffentlichen Kosten. Vier der zehn verkehrsreichsten Städte in Europa seien in Deutschland, warnt Kalanick. Der starke Verkehr koste Europa rund ein Prozent der Wirtschaftsleistung. Darüber hinaus seien Autos verantwortlich für 12 Prozent der CO2-Emmissionen.

Bislang habe man zwar die Option, den öffentlichen Nahverkehr zu benutzen. „Doch das löst nicht das ganze Problem“, sagt Kalanick. Busse und U-Bahnen könnten nicht bis vor die Haustür fahren. 37 Prozent aller Menschen, die täglich nach Berlin kommen, nehmen immer noch das eigene Auto.

Kalanick wirft ein Bild des Verkehrsnetzes in London an die Wand. Uber werde vor allem in der Peripherie genutzt, erklärt der Uber-Chef. Seine Plattform sei ein Zulieferer für das öffentliche Netz, ein komplementäres Angebot.

Vor allem könne aber die Zahl der Fahrzeuge in den Städten reduziert werden. Kalanick wirbt für sein Angebot UberPool, das es möglich mache, Fahrten zu teilen. Schon heute würden 40 Prozent aller Fahrten in San Francisco mit UberPool durchgeführt. Weltweit seien es 20 Prozent. „Am Ende werden damit mehr Menschen mit weniger Autos transportiert“, sagt Kalanick. Mittlerweile sei das Angebot in 18 Städten verfügbar, 13 davon in China. Allein in Fernost vermittle sein Unternehmen damit 30 Millionen Fahrten im Monat. Sein Appell an das Publikum in Berlin: „Wir haben heute die Möglichkeit es viel effizienter zu organisieren und vor allem Anreize zu schaffen, Autos gemeinsam zu nutzen.“

Eine Idee, die auch das Geschäftsmodell von Daimler in Frage stellt. Zetsche, der bislang noch stumm in der ersten Reihe sitzt, tritt an. Doch er ist nicht gekommen, um sich zu duellieren. Er will dem jungen Publikum beweisen, dass sein Konzern die neue Zeit verstanden hat. Zetsche zeigt das auch äußerlich. Er trägt braune Turnschuhe mit weißer Sohle, Jeans, blaues Sakko. „Früher war das Instrument der Revolutionäre die Guillotine, heute ist es das Internet“, sagt er.

Er beginnt seine Replik humorvoll. Scherzt über die Frisur von Moderator Kai Diekmann und seine eigene. Dann erklärt er, warum Daimler sich nicht vor Uber verstecken muss. „Bereits vor 30 Jahren haben wie die ersten autonomen Autos entwickelt“, sagt Zetsche. Die neue E-Klasse könne heute schon teilautonom fahren und mehr als gesetzlich erlaubt.

Deutschland müsse mehr Mut haben, sich auf die neue Zeit einzulassen. Er zeigt Fotos der ersten Motorenwagen, die nur Schrittgeschwindigkeiten fahren durften. Man müsse jetzt zeigen, zu was die Technologie fähig sei und so Vertrauen aufbauen.


Daimler und Uber kommen sich näher

Dann wird es futuristisch. Zetsche zeigt das Concept F-015, das der Konzern schon in den USA vorgestellt hat. Ein komplett selbstfahrendes Gefährt mit Stern. Der durchschnittliche deutsche Fahrer verbringe zweieinhalb Jahre seines Lebens im Auto, sagt Zetsche. „Wir möchten den Menschen ihre Zeit zurückgeben“.

Dafür müsse man die Fahrzeuge trainieren. Dann zeigt er die Welt aus dem Sicht eines Fahrzeugs. Eine Welt wie ein LSD-Trip. Die Umwelt wird in bunten Farben gezeichnet – Bäume, Autos, Fußgänger. So erkennt das Auto, was eine Gefahr ist, und was nicht. „Die Sensoren sind die Sinne, die Software ist das Gehirn“. Autos könnten mittlerweile aus ihrer Erfahrung lernen.

Im Rennen um das autonome Auto seien nicht nur die anderen Automobilhersteller Konkurrenten, sondern auch Uber und Google. Dann zeigt Zetsche die digitalen Dienste des Konzerns. Moovel, eine Plattform, die über das Smartphone den leichtesten Weg von A nach B zeigt, ob per Bahn, Carsharing, Fahrrad oder Taxi. Bezahlt wird digital. „Nur wenn man alle Möglichkeiten zusammenbringt, hat man einen systematischen Ansatz“, erklärt der Daimler-Chef.

Er schließt mit dem Bild, mit dem einige gerechnet haben. Kalanick und Zetsche als Boxer. Doch der Schlagabtausch bleibt aus. Uber sei eine Mischung aus Freund und Feind, ein Frenemie, sagt Zetsche. Heute Abend ist Uber vor allem ersteres.

Darum versucht Diekmann das Duell anzuheizen. Bedeuten weniger Autos auf der Straße nicht ein schlechtes Geschäft für Daimler? „Natürlich ist es sinnvoll, den Nutzungsgrad der Autos zu erhöhen“, gibt Zetsche zu. Kein Konflikt. Aber er blickt auch in die Zukunft. Mit dem autonomen Fahren werde das Car2Go zum Car2Come. Spätestens dann sei man Konkurrent.

Doch auch Kalanick, der in der Vergangenheit oft mit markigen Worten aufgefallen ist, lässt sich heute nicht aus der Reserve locken. Er berichtet von einem Besuch in Stuttgart und wie fasziniert er von der deutschen Autoproduktion gewesen sei. Und er räumt mit ein paar Gerüchten auf. Nein, man habe keine 100.000 S-Klassen bei Daimler bestellt. Und auch den Börsengang werde man so lange wie möglich vor sich herschieben. „Den machen wir einen Tag bevor meine Angestellten mit Mistgabeln vor meinem Büro stehen“, sagt der Uber-Chef.

Mit seinen Milliardeninvestment braucht er kein frisches Geld. Und auch Zetsche ist ein Investment in Uber zu teuer. „Um wirklich Einfluss zu haben, müssten wir dafür 35 Milliarden Dollar in die Hand nehmen“, sagt der Daimler-Chef.

Selbst gegen die Regulierer will Kalanick nicht austeilen. „Das ist nicht nur eine europäische Frage. Wir haben dasselbe in den USA erlebt.“, sagt er. Aber hierzulande gebe es schon merkwürdige Regeln – wie beispielsweise die Rückkehrpflicht für Mietwagen. „Viele Gesetz verhindern vor allem den Wettbewerb für Taxis“, sagt er. Doch er sei weiterhin sehr geduldig.

Darum wagt sich Zetsche zum Ende der Diskussion doch noch ein wenig aus der Defensive. „Wir brauchen die gleichen Spielregeln für alle“, sagt er und verweist auf die Steuertricks des US-Konkurrenten. Gleich danach sucht er wieder den Schulterschluss. „Lasst uns zusammen lernen und die Regulierung Stück für Stück lockern“, erklärt der 63-Jährige.

Und selbst als Kalanick eingestehen muss, dass er privat ein BMW-Cabrio fährt bleibt der Daimler-Chef gelassen. Das Duell lässt er mit einem Unentschieden enden. An einem K.O. hatte keiner der Duellanten ein Interesse. Als Diekmann fragt, wer in 15 Jahren größer sein möge, antwortet Zetsche. „Vielleicht sind wir dann ja ein Unternehmen“.

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