Übernahmen Wissensbilanz für die Unternehmenshochzeit

Wird ein Unternehmen gekauft, zählt bei der Bewertung – Due Dilligence – meist nur die bare Münze. Doch gerade weiche Faktoren beeinflussen massiv den Erfolg. Ein Fall für die Wissensbilanz.

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Gescheiterte Fusion zwischen Quelle: dpa

Ein neuer Mitarbeiter bei den Fachkliniken Heiligenfeld in Bad Kissingen muss sich nicht erst um die Kontaktdaten andere Mitarbeiter oder um eine Struktur seines neuen Arbeitgebers sorgen. Alles steht ihm ab dem ersten Tag zur Verfügung – in Form einer Empfangsmappe. Zusätzlich steht ihm in den ersten ein „Pate“ zur Seite. Und das ist wichtig: Ärzte sind so als Arbeitnehmer am Markt heiß begehrt.

Grund dieser Maßnahmen: Eine Wissensbilanz hatte 2006 für das Unternehmen ergeben, dass bei deren Einarbeitung Defizite bestehen. „Ziel ist es, den neuen Arzt möglichst effektiv und optimal in das Unternehmen zu integrieren und so seine Arbeitszufriedenheit zu erhöhen“, beschreibt Albert Pietzko, Projektmanager bei der Fachklinik Heiligenfeld. Die Fachklinik hat sich auf psychische und psychosomatische Erkrankungen spezialisiert, pflegt hier einen humanistisch-gesamtheitlichen Ansatz. Mit Erfolg: Bereits zwei Kliniken hat das Unternehmen übernommen, es möchte weiter expandieren.

„Können wir zum Beispiel eine Verdoppelung überhaupt schultern“, fragt Projektmanager Pietzko. „Was fehlt uns dazu?“ Mit einer erneuten Wissensbilanz wollte das Unternehmen hier Defizite aufdecken und Maßnahmen entwickeln.

Weiche Faktoren werden wenig berücksichtigt

Die Fakten: Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Hay Group zeigt, dass zwar aufgrund der Krise 2008 das Volumen der Unternehmensübernahmen um 28 Prozent abnahmen, derzeit aber dennoch insbesondere strategische Kaufgelegenheiten eine große Rolle spielten.  Spielraum für Fehler sei aber in der Krise nicht gegeben. Die Studie attestiert: Die sogenannte Due Dilligence-Prüfung beschränke sich weitestgehend auf harte Faktoren. „Viele Unternehmen unterschätzen ganz erheblich die Relevanz von weichen Faktoren“, bemängelt Bibi Hahn von der Hay Group Deutschland.

Dabei sei es drei Mal wahrscheinlicher, dass eine Übernahme erfolgreich ist, wenn die weichen Faktoren berücksichtigt würden. In Westeuropa verzichten – so die Studie – aber 44 Prozent auf eine solche Analyse, obwohl 60 Prozent später zugeben müssen, dass dies gewesen wäre. Dennoch planen nur 49 Prozent der befragten Unternehmen den Einsatz geeigneter Analysen für die nächste Übernahme. Bibi Hahn: „Manager haben meist wenig Erfahrung im Umgang mit weichen Faktoren bei Transaktionen und zeigen deshalb wenig Mut, das Thema professionell anzugehen.“

Wissensbilanz im Vorfeld der Aquise

Bei den Fachkliniken Heiligenfeld offenbarte die Wissensbilanz: Strategische Kompetenzen von Führungskräfte müssen geschärft werden, damit bei Aufkäufen gleich aktiv die Firmenphilosophie umgesetzt werden kann. „Uns ist wichtig, dass diese Personen nicht nur managen, sondern auch führen können“, sagt Pietzko. Im Detail bedeutet das: externes und internes Coaching, Fortbildung, persönliche Begleitung. Eine weitere Maßnahme: Aktiv werden Nachwuchsführungskräfte aufgebaut, die dann in zwei bis vier Jahren in einem deutlich größeren Unternehmen Verantwortung übernehmen können.

Aber auch Pietzko musste erst Erfahrung sammeln, zwei Übernahmen insolventer Häuser waren der Anlass. „Wir haben die neuen Mitarbeiter nicht gut auf- und mitgenommen“, konstatiert er selbstkritisch. „Die Wissensbilanz ist ein gutes Mittel, dies zu analysieren. Wir haben viel gelernt und das ist wichtig.“

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