Übernahmeschlacht gegen ACS Hochtiefs letzte Chance

Der spanische Baukonzern ACS hält nun 33,49 Prozent an Hochtief. Dem Essener Bauriesen bleibt nur noch ein Versuch, ACS auszubremsen. Hochtief muss für die Hauptversammlung im Mai so viele Aktionäre mobilisieren wie nie zuvor - professionelle Dienstleister helfen dabei.

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Thomas Licharz Quelle: Dirk Mattes für WirtschaftsWoche

Thomas Licharz ist Deutschland-Champion im Proxyfighting. Der bekennende Passivsportler tobt sich aber nicht im Boxring aus, sondern am Telefon und Computer seines Büros in Eschborn bei Frankfurt und in den Chefetagen deutscher Konzerne. Dort wird der Mit-Geschäftsführer des Dienstleisters Registrar Services gebraucht, wenn es gilt, Aktionäre eines Unternehmens ausfindig zu machen und sie zur Teilnahme an der Hauptversammlung zu animieren.

Herrscht zwischen dem Vorstand und den Aktionärs-Schwergewichten Harmonie, nennt sich die vor rund zehn Jahren aus den USA importierte Dienstleistung Proxy Solicitation, frei übersetzt Stimmrechtsanwerbung. Die dient schlicht dem Zweck, die Aktionärsbeteiligung zu erhöhen, damit Unternehmen nicht zum Spielball kleiner Minderheiten werden.

Gibt es aber strategische Konflikte oder droht eine feindliche Übernahme, kommt es darauf an, welche Haltung die Anteilseigner dazu haben. Licharz hilft dann beim „Proxyfight“, dem Kampf um Stimmprozente bei der Hauptversammlung: „Wenn es auf jede Stimme ankommt, kontaktieren wir auch institutionelle Anleger mit kleineren Paketen.“

Stichtag 12. Mai

Einen Proxyfight der harten Sorte könnte es im Frühjahr geben. Wenn am 12. Mai in der Essener Gruga-Halle die Aktionäre des Bauriesen Hochtief zusammenkommen, erwartet Marc Tüngler, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), „einen Showdown“. Denn eine der letzten Hoffnungen des Hochtief-Managements im Abwehrkampf gegen den spanischen Baukonzern ACS ist gerade geplatzt: Die Finanzaufsicht BaFin fand keine „Anhaltspunkte für unzulässige mündliche oder schriftliche Verträge“ oder für sonstige Absprachen „über den gemeinsamen Erwerb von Aktien“ von ACS und dem US-Fonds Southeastern Asset Management.

Hochtiefs Trumpf mit Blick auf die Entscheidungsschlacht ist nun Proxyfighter Licharz. Der Konzern bestätigt, dass Registrar Services seit 2004 für Hochtief arbeitet. Ein Auftrag für 2011 gilt als sicher. Durch die bisherige Arbeit für sieben Hochtief-Hauptversammlungen, bei denen Registrar die Teilnahme der Aktionäre anheizte, hat Licharz Kontakte zu vielen Investmentfonds und anderen Hochtief-Eignern. Und er hat Erfahrung mit Abwehrschlachten. Registrar – ein Tochterunternehmen der Deutschen Bank – soll in einige dramatische Hauptversammlungen involviert gewesen sein .

Licharz spricht nicht darüber, für welche Unternehmen er aktiv war oder ist. In Aktionärskreisen wird etwa Infineon genannt: Im Februar 2010 scheiterte überraschend ein Vorstoß kritischer Aktionäre um den britischen Hedgefonds Hermes. Die Rebellen wollten verhindern, dass Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley den Ex-Siemens-Manager Klaus Wucherer als seinen Nachfolger durchsetzte, den Hermes für die Fehlentwicklungen bei dem Chiphersteller mitverantwortlich machte. Doch die Rebellen bekamen nicht genug Stimmen, ihr Gegenkandidat scheiterte.

Auch beim Kampf um den Reisekonzern TUI soll Licharz Strippen ziehen: Seit Jahren kritisiert der norwegische Großaktionär John Fredriksen massiv Vorstandschef Michael Frenzel, wird ihn aber nicht los. Versuche, den Aufsichtsrat mit Fredriksen-Freunden umzubesetzen, scheiterten auch an Hauptversammlungs-Voten.

Seine nächste Schlacht dürfte Licharz bei Hochtief schlagen. ACS versucht seit September 2010, den MDax-Konzern zu übernehmen. Ob ACS-Chef Florentino Pérez die aktienrechtlich wichtige Hürde von 30 Prozent des Hochtief-Kapitals endgültig sicher hat, will er am Donnerstag verkünden.

So richtet sich der Blick bei Hochtief auf den 12. Mai. Um das widerspenstige Management um Vorstandschef Herbert Lütkestratkötter loszuwerden, braucht Pérez die Zustimmung des Aufsichtsrats. Die bekommt der Bau-Tycoon aber nur, wenn er genug Gefolgsleute in dem Gremium unterbringt. Dafür wiederum benötigt er die Hauptversammlungsmehrheit von 50 Prozent des anwesenden Kapitals.

Die wollen andere Aktionäre wie das Emirat Katar verhindern. Kämen wie 2010 rund 60 Prozent des Hochtief-Kapitals zusammen, könnte Pérez mit seinem Anteil die Abstimmungen gewinnen. Ziel der Hochtief-Verteidiger muss also sein, Aktionäre zu mobilisieren, die bisher ihre Stimmrechte nicht nutzten. Betriebsratschef Siegfried Müller erwog bereits eine Briefaktion an Privataktionäre.

Hoch, tief, hoch

Ein Fall für die Proxyfighter. Neben dem 34-köpfigen Registrar-Team gibt es nur einen größeren Konkurrenten in Deutschland: die Münchner Niederlassung des australischen Kapitalmarktdienstleisters Computershare mit weltweit 11 000 Beschäftigten. Als kleinerer Konkurrent gilt Adeus Aktienregister-Service in München, der zur Allianz-Gruppe gehört.

Vor rund zehn Jahren hatte das Ende der Deutschland AG den spezialisierten Dienstleistern den Boden bereitet. „Unternehmen mit wenigen Großaktionären haben eine hohe Präsenz bei Hauptversammlungen und brauchen keine Proxy Solicitation“, sagt Licharz. Doch seit Unternehmen und Banken seit 2002 Beteiligungen weitgehend steuerfrei verkaufen können, zersplittert die Aktionärsstruktur in Deutschland (siehe Grafik rechts). „Zum Teil gilt es, 800 institutionelle Investoren bei einem einzigen Unternehmen zu identifizieren“, sagt Licharz. Proxy-Profis könnten dank ihrer Gespräche mit Fonds und Investoren „dem Auftraggeber 14 Tage vor der Hauptversammlung Indikationen für Präsenz und beabsichtigtes Abstimmungsverhalten geben“.

3,5 Millionen Aktionäre

Grundlage der Arbeit sind gute Kontakte und ein riesiger Datenschatz. Registrar führt auch die Aktienregister für Unternehmen, die Namensaktien emittiert haben. Namen von insgesamt rund 3,5 Millionen Aktionären der aktuellen Registrar-Kunden sind dadurch in dem viergeschossigen unauffälligen Bau in Eschborn gespeichert – und nach eigenen Angaben strikt getrennt von allen Verbindungen zur Muttergesellschaft Deutsche Bank. Angelsächsische Banken gelten gegenüber den Aktionärsfahndern als auskunftsfreudiger als deutsche. Der Normalfall sind aber von Unternehmen wie Hochtief anonym zu erwerbende Inhaberaktien. Für die erstellt Registrar mittels Recherchen bei Fonds und Investoren Aktionärslisten, so genannte Shareholder Identifications (ID). 80 bis 90 Prozent der Aktionäre eines Unternehmens können Proxy-Profis so identifizieren. Die Shareholder ID dienen dann bei Inhaberaktien als Basis für eine Proxy Solicitation Kampagne.

„In Übernahmekämpfen“ – darauf legt Licharz Wert – „haben wir bisher bei Hauptversammlungen nie für die Angreifer gearbeitet.“ Aus seiner Sicht arbeitet er für die Aktionärsdemokratie: Denn Angreifer versuchten, die Passivität der Aktionäre auszunutzen. „Bei einer niedrigen Präsenz besteht stets das Risiko von Zufallsmehrheiten“, sagt Licharz.

Vor vier Jahren ging es deshalb beim Oldenburger Fotodienstleister Cewe Color hoch her. Der damalige Personalvorstand Michael Wefers erlebte es als „Kärrnerarbeit“, wie das Team um Licharz 2007 half, den Angriff des US-Firmenjägers Guy Wyser-Pratte und weiterer Hedgefonds abzuwehren. Bei der Hauptversammlung wollten die Minderheitsaktionäre Vorstand und Aufsichtsrat absetzen und eine kreditfinanzierte Sonderausschüttung über 120 Millionen Euro erzwingen.

Im Jahr zuvor war nur 37 Prozent des Cewe-Kapitals bei der Hauptversammlung vertreten. „Wir kannten nur die größeren Hauptaktionäre“, erinnert sich Wefers: „Die Parole lautete nun: Wir kämpfen um jede einzelne Stimme!“ Registrar Services lieferte „jeden Abend neue Namen von Banken mit Depots, in denen Cewe-Aktien lagen“. Die wurden angerufen und „mit Infos versorgt“. Registrar fand heraus, dass bei norddeutschen Banken große Cewe-Aktienpakete in den Kundendepots lagen. Die veranstalteten auf Cewe-Vorschlag Treffen, so Wefers, „wo wir den Aktionären unsere Strategie erklärten“. Am Ende steigerten Cewe und Registrar die Hauptversammlungspräsenz auf 87 Prozent, Wyser-Pratte verlor und zog sich zurück.

Die Cewe-Angreifer verfügten über 33,4 Prozent der Aktien – etwa so viel, wie Hoch-Angreifer Pérez zusammen mit seinen Partnern auf die Waage legt. Oliver Maaß, Aktienrechts-Spezialist der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds in München, war am Fall Cewe Color beteiligt und sagt deshalb: „Der Fall Hochtief ist noch nicht gelaufen. Auf rund 80 Prozent lässt sich die Hauptversammlungspräsenz durchaus steigern.“

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