Umwelt Ökoenergie: Lichtblick sorgt für Ärger

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Platzhirsch in der Nische

Es fremdelt schon länger zwischen der Branche und ihrem Marktführer, weil die Nordlichter so anders sind. Allein die Unternehmenszentrale unterstreicht den Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Außen St. Pauli, innen Empfangsdamen, dunkle Teppiche und viel Glas. Geschäftsführer Tschischwitz eilt in Anzug und Krawatte über die Flure. Bevor er zu Lichtblick kam, hatte der „Ökomanager des Jahres“ 2006 eine Karriere in der konventionellen Energiewirtschaft hinter sich. Heute führt er mit Wilfried Gillrath auch die Geschäfte der Saalfeld Holding. Die ist Mehrheitseignerin von Lichtblick und Ex-Joint-Venture-Partner von Vattenfall.

Auch bei der zweiten Holding-Tochter, Concord-Power, hat das Duo das Sagen. Mit Concord planen sie eine Gaspipeline, die Gazproms Ostseeröhre zwischen Russland und Lubmin mit Berlin verbindet. Die Planungen für ein Gaskraftwerk in Lubmin hat Concord ebenfalls angestoßen. Auch sonst sucht Lichtblick die Nähe zu etablierten Kreisen. So sind die Hamburger als Einziger der reinen Ökostrom-Anbieter mit dem ok-Power-Label zertifiziert. Das prangt unter anderem auch auf Produkten von Vattenfall und großen Stadtwerken. Ebenfalls Mitglied sind die Hamburger im Bundesverband Neuer Energieanbieter. Dort betreiben auch die EnBW-Tochter Yello, Nuon oder Gaz de France Lobbying.

Der Wille fehlt

Dass Lichtblick sich den rauen Sitten auf dem Energiemarkt anpasst, ist schon länger zu beobachten. Im vergangenen Jahr klagten Kunden, sie seien mit Günstigpreisen angelockt worden, obwohl eine Preiserhöhung bevorstand. Geheimniskrämerei, die kein Einzelfall ist. Ausgleichsstrom etwa kaufte Lichtblick an der konventionellen Leipziger Strombörse – anonym. Aus welchen Kraftwerken sein Strom stammt, behält Lichtblick auch für sich. „Die Informationspolitik ist stark verbesserungswürdig“, mahnt Binita Maurmann, Sprecherin von Versiko, dem größten deutschen Finanzdienstleister für nachhaltige Anlagen. Auch die Vertriebsstrategie erinnert eher an Billigheimer, denn an die Ökobranche. So drängte Lichtblick zu Jahresbeginn mithilfe von Kaffeeröster Tchibo in den Massenmarkt. Als Prämie gab es Sparlampen.

Die zerstrittene Branche schadet sich mit ihrem Glaubenskrieg selbst. Die Zahl der Anbieter ist überschaubar, aber der Wille für gemeinsame Standards fehlt. Nicht mal einen Verband gibt es. Dabei müsste die Branche kooperieren. Denn das Gerangel im Ökosegment nimmt zu. Flaut die Konjunktur ab, werden weniger Kunden für Grünstrom tiefer in die Tasche greifen. Zugleich drängen die etablierten Konzerne mit voller Wucht auf den Ökomarkt. Vielleicht auch deswegen beginnt Tschischwitz seine Rolle neu zu definieren – als Robin Hood der Energiebranche. „In den ersten Jahren hatten wir überwiegend Kunden, die unsere ökologische Zielsetzung unterstützen wollten“, sagt Tschischwitz. „Inzwischen haben wir genauso viele Kunden, denen unsere Unabhängigkeit am Wichtigsten ist.“ Das Schöne an denen: Ob Strom und Gas wirklich sauber sind, interessiert die gar nicht so sehr.

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